Aus Hitlers Konzentrationslagern (1934)

Aus Frühe Texte der Holocaust- und Lagerliteratur 1933 bis 1949
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Angaben zum Werk

Titel Aus Hitlers Konzentrationslagern
Autor Bürger, Kurt (1894-1951)
Genre Sonstige

Ausgaben des Werks

Ausgabe von 1934, Leningrad,Moskau
Titel Aus Hitlers Konzentrationslagern

Erscheinungsort Leningrad,Moskau
Erscheinungsjahr 1934

Auflagenhöhe insgesamt 7000
Verlegt von Verlagsgenossenschaft ausländischer Arbeiter in der UdSSR
Gedruckt von Iskra Revoluzii
Publiziert von Bürger, Kurt (1894-1951)

Umfang 108 Seiten

Preise 65 Kopeken
Bibliotheksnachweise UBGI-icon.gif UB Gießen (Print-dnb-icon.gif gedruckte Ausgabe)
DNB-icon.gif Deutsche Nationalbibliothek (Print-dnb-icon.gif gedruckte Ausgabe)
DNB-icon.gif Deutsche Nationalbibliothek (Online-dnb-icon.gif elektronische Ausgabe)


Zusammenfassung

Die Publikation besteht aus einer Sammlung von Erinnerungsberichten anonymisierter Verfasser, welche ihre Verfolgungsgeschichte in verschiedenen Haftstätten zu Beginn des Nationalsozialismus, im Zeitraum von 1933 bis März 1934 schildern. Obwohl im Zentrum der Berichte Arbeiter und Kommunisten stehen, kommt auch das Schicksal jüdischer Gefangener zur Sprache, die von den SS-Wachmannschaften besonders verhöhnt und geschlagen werden.

Der Herausgeber ordnet das Erscheinen des Buches zeitlich unmittelbar nach dem sogenannten Röhm-Putsch ein, dem „erste[n] offenen Ausbruch der Krise des faschistischen Regimes“ (S. 3), ein. Die Ermordung Röhms und Heines, so Bürger, habe von Regierungsseite aus zum Ziel gehabt, Kritiker und Dissidenten in den eigenen Reihen zum Verstummen zu bringen. Es sei ein Zersetzungsprozess innerhalb des nationalsozialistischen Lagers eingetreten, da den Sympathisanten Röhms und Heines nun klargeworden sei, dass sie sich „durch die faschistischen Machthaber gegen das werktätige Volk haben mißbrauchen lassen“ (S. 4) Bürger führt aus, dass es nun die Aufgabe der Antifaschisten der ganzen Welt sei, diesen Klärungsprozess zu unterstützen. Die Diktatur sei zwar ins Wanken geraten an ihrer grausamen Natur habe sich jedoch nichts geändert. Vielmehr sei zu erwarten, dass, „je mehr der Widerstandswille der werktätigen Massen wächst, um so mehr die Machthaber versuchen, durch Anwendung der brutalsten Gewalt die Massen einzuschüchtern“ (S. 4f.).

Das Buch soll dazu beitragen, eben diesen Teil der Weltöffentlichkeit „auf das schändlichste Kapitel der blutigen Geschichte des deutschen Faschismus aufmerksam“ (S. 7) zu machen. Bürger betont die wahrheitsgemäße Darstellung der einzelnen Augenzeugenberichte. Die Redaktion habe sich streng an die zu Protokoll gegebenen Aussagen gehalten sowie jede Form der redaktionellen Änderung unterlassen. Er nimmt die potentielle Skepsis der Leser angesichts der unvollständigen Zeugennamen vorweg und erklärt diesen Umstand mit der Tatsache, dass sich eine große Anzahl der Zeugen noch in Deutschland aufhält und deren Angehörige durch das vom Regime ausgeübte Geiselsystem in großer Gefahr schweben. Die Lektüre der Berichte soll allen „ehrlich Gesinnten“ (S. 11) und Antifaschisten der Welt zugleich Mahnung und Appell sein. Es sei nicht ausreichend, stille Sympathie mit den Opfern zu empfinden oder erschüttert zu sein, sondern eine „Tat ist erforderlich!“ (ebd.) Wer angesichts der von den Nationalsozialisten begangenen Verbrechen untätig schweige, mache sich an ihnen mitschuldig.

An das Vorwort schließen sich die Berichte von neun Personen an, die von ihrer Inhaftierung Zeugnis ablegen. Ihre Namen sind zum Teil durch Initialen, eine allgemeine Berufsbezeichnung oder eine Altersangabe verfremdet. Das von ihnen Protokollierte enthält sehr genaue und detailreiche Beschreibungen von grausamen Demütigungen und Folterexzessen, die sie selbst oder Mitgefangene in verschiedenen Haftstätten und Lagern durchleiden mussten. Soweit sie Kenntnis darüber haben, geben die Zeugen immer auch die Namen von Opfern und Tätern an. Vereinzelt finden sich direkte Leseransprachen, wie etwa in dem durch den Arbeiter K.F. zu Protokoll Gegebenen: „Ich appelliere an alle ausländischen Pressevertreter, an alle die, denen mein Bericht zur Kenntnis gelangt. Nehmen Sie den Propagandaminister des Dritten Reiches, Goebbels, beim Wort: Fordern Sie die Besichtigung der SA-Kasernen, Gestapo-Gefängnisse und Konzentrationslager. Lassen Sie sich bitte die Gefangenen zeigen, die im Keller des Ostflügels des Konzentrationslagers Sonnenburg liegen. Dorthin ist noch nie eine Kommission geführt worden“ (S. 35). Im letzten Protokoll des Kleinbauern B.H. sind genaue Listen über die Täter sowie alle ihm bekannten Morde im Konzentrationslager Dachau bis Ende 1934 aufgeführt. Zudem listet er unter der Überschrift „Unsterbliche Opfer…“ (S. 94) alle im Zeitraum von Januar bis März 1934 getöteten Kommunisten und Antifaschisten auf.

Auf den letzten Seiten der Publikation finden sich durch die Herausgeber ausgesuchte Auszüge aus nationalsozialistischen Quellen, politischen Reden sowie der Presse. Alle Ausschnitte haben gemeinsam, dass sie sich gegen Kommunisten und Antifaschisten richten und die Frage behandeln, wie deren Tätigkeiten entgegengewirkt werden könne.


Biografie

Kurt Bürger (geb. am 27.08.1894 als Karl Ganz in Karlsruhe, gest. am 28.07.1951 in Schwerin) entstammte einer Arbeiterfamilie. Nach dem Besuch der Volks- und Handelsschule absolvierte er eine Ausbildung zum Schlosser und arbeitete in diesem Beruf. 1912 trat er dem Deutschen Metallarbeiterverband (DMV) und der SPD bei. Zwischen 1913 und 1914 ging er auf Wanderschaft. Nach seiner Rückkehr war er bis 1917 Soldat, doch wurde er in Folge einer schweren Verwundung dienstuntauglich und arbeitete bis 1919 wieder in seinem erlernten Beruf in einer Munitionsfabrik in München. Im November 1918 schloss sich Kurt Bürger dem Münchener Arbeiter- und Soldatenrat an und wurde 1919 Mitbegründer der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) Bayern sowie im April Kommandeur einer militärischen Einheit (‚Rote Garde‘) der Bayrischen Räterepublik. Nach deren Niederschlagung verurteilte ihn ein Standgericht zu vier Jahren Haft, welche er bis 1923 in Einzelhaft im Zuchthaus Straubing verbüßte. Nach der Entlassung betätigte er sich erneut als Schlosser, wurde jedoch aus politischen Gründen entlassen. Bürger arbeitete von 1924 bis 1927 für den Nachrichtendienst der KPD und wurde dafür wegen Fortführung der illegalen KPD 1926 in Untersuchungshaft genommen. Zwischen 1927 und 1929 wirkte er als politischer Redakteur in der „Hamburger Volkszeitung“ mit. Hierfür wurde er im Mai 1928 wegen „Zersetzungstätigkeit unter der Reichswehr und Polizei“ durch das Reichsgericht zu einem Jahr Festungshaft verurteilt, jedoch nach acht Monaten amnestiert. Im Anschluss daran nahm er die politische Tätigkeit wieder auf und arbeitete von April 1929 bis 1933 als Mitarbeiter im Apparat des Zentralkomitees (ZK) der KPD in Berlin. Im Februar 1933 machte die KPD ihn zum Leiter des Kurier- und Verbindungsdienstes des ZK, in dieser Tätigkeit operierte er unter dem Decknamen Kurt Bürger. Weil er durch einige seiner Mitarbeiter verraten wurde, emigrierte Bürger im November 1933 in die UdSSR, wo er bis Oktober 1934 als stellvertretender Leiter der Organisationabteilung für Mitteleuropa des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale (EKKI). Zwischen November 1934 und September 1936 betätigte er sich als stellvertretender Leiter der Presseabteilung und als Assistent des Generalsekretärs der Roten Gewerkschaftsinternationale (RGI). 1936 war Bürger als Kommissar beim Stab der Internationalen Brigaden in Albacete in der Kaderabteilung mit sogenannten Säuberungen von vermeintlichen Trotzkisten und Agenten befasst. Aufgrund einer Herzerkrankung musste er sich jedoch im April 1937 für eine Operation nach Paris begeben und konnte erst im März 1938 in die UdSSR zurückkehren. Bürger arbeitete zunächst als Redakteur der „Deutschen Zeitung“ in Moskau und später als Lehrer an einem Sprachinstitut. Von September 1941 bis April 1945 war er Politinstrukteur unter deutschen Kriegsgefangenen. Kurt Bürger kehrte im Mai 1945 als Mitglied der KPD-Initiativgruppe Gustav Sobottka nach Deutschland zurück, wo er ab Dezember 1945 erster Vorsitzender der KPD-Landesleitung Mecklenburg wurde. Bürger war von 1946 bis 1951 Mitglied des Parteivorstands beziehungsweise des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) und gehörte von 1946 bis 1951 dem Landtag von Mecklenburg an. Zwischen 1949 und 1950 war er Mitglied der Volkskammer. Am 20. Juli 1951 trat Kurt Bürger die Nachfolge des Ministerpräsidenten von Mecklenburg, Wilhelm Hökker, an. Er verstarb am 28. Juli 1951 in Schwerin nach einem schweren Herzanfall. In der DDR gedachte man seiner durch eine Briefmarke mit seinem Konterfei. Darüber hinaus wurden einige Schulen und ein Fußballstadion in Wismar nach ihm benannt.

Quellen

  • Müller-Enbergs, Helmut und Bernd-Rainer Barth: „Bürger, Kurt“. In: Müller-Enbergs u.a (Hg.): Wer war wer in der DDR? Ein biographisches Lexikon. Bonn 2000, S. 124.
  • Weber, Hermann und Andreas Herbst: „Bürger, Kurt“. In: dies.: Deutsche Kommunisten. Biographisches Handbuch 1918 bis 1945. Zweite, überarbeitete und stark erweiterte Auflage. Berlin 2008, S. 87.


Werkgeschichte

Kurt Bürgers Buch findet sich auf der von den Nationalsozialisten 1938 herausgegebenen „Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums“, welche Werke verbot, die nicht mit dem nationalsozialistischen Gedankengut konform waren. Bürgers Veröffentlichung war ein spezieller Vermerk vorangestellt, um ein zusätzliches Verbot durch den Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei deutlich zu machen.

Quelle:



Bearbeitet von: Julia Richter