Das war Konzentrationslager Buchenwald (1945)

Aus Frühe Texte der Holocaust- und Lagerliteratur 1933 bis 1949
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Angaben zum Werk

Titel Das war Konzentrationslager Buchenwald
Autor Kowollik, Paul (1911-1996)
Genre Erinnerungsbericht

Ausgaben des Werks

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Ausgabe von 1945, Waldkirch
Titel Das war Konzentrationslager Buchenwald

Erscheinungsort Waldkirch
Erscheinungsjahr 1945
Auflage 1. Auflage

Verlegt von Waldkircher Verlagsgesellschaft m.b.H.
Gedruckt von Waldkircher Verlagsgesellschaft m.b.H.
Publiziert von Kowollik, Paul (1911-1996)

Umfang 30 Seiten

Lizenz G.M.Z.F.O. Visa Education Publique No. 570 / P

Autorisation No. 594 Direction de l’Information

Bibliotheksnachweise DNB-icon.gif Deutsche Nationalbibliothek (Print-dnb-icon.gif gedruckte Ausgabe)


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Ausgabe von 1946, Waldkirch
Titel Das war Konzentrationslager Buchenwald

Erscheinungsort Waldkirch
Erscheinungsjahr 1946
Auflage 2. Auflage

Publiziert von Kowollik, Paul (1911-1996)

Umfang 30 Seiten

Lizenz G.M.Z.F.O. Visa Education Publique No. 570 / P

Autorisation No. 594 Direction de l’Information

Bibliotheksnachweise DNB-icon.gif Deutsche Nationalbibliothek (Print-dnb-icon.gif gedruckte Ausgabe)


Digitalisat in DIGISAM öffnen
Ausgabe von 1946, Waldkirch
Titel Das war Konzentrationslager Buchenwald. Ein Triumph der Grausamkeit

Erscheinungsort Waldkirch
Erscheinungsjahr 1946
Auflage 3. Auflage

Auflagenhöhe insgesamt 15.-44. Tausend
Verlegt von Waldkircher Verlagsgesellschaft m.b.H.
Gedruckt von Waldkircher Verlagsgesellschaft
Publiziert von Kowollik, Paul (1911-1996)

Umfang 30 Seiten

Lizenz G.M.Z.F.O. Visa Nr. 570 / P de la Direction de l’Education Publique

Autorisation Nr. 1. 006 de la Direction de l’Information

Preise 1 Mark
Bibliotheksnachweise UBGI-icon.gif UB Gießen (Print-dnb-icon.gif gedruckte Ausgabe)
UBGI-icon.gif UB Gießen (Online-dnb-icon.gif elektronische Ausgabe)
DNB-icon.gif Deutsche Nationalbibliothek (Print-dnb-icon.gif gedruckte Ausgabe)

Zusammenfassung

In seinem kurzen Bericht schildert Kowollik streiflichtartig die Erlebnisse seiner rund zehnmonatigen Gefangenschaft im Konzentrationslager Buchenwald von Juni 1938 bis April 1939. Wie der ab der zweiten Auflage im Jahr 1946 ergänzte Untertitel des Werkes („Ein Triumph der Grausamkeit“) andeutet, liegt der Schwerpunkt seiner schonungslosen Schilderungen auf den grausamen Geschehnissen, die sich tagtäglich im Lager abspielen. Auch die acht Kapitel, in die er seinen Bericht gliedert, tragen sprechende Titel („Marterstätte Buchenwald“, „Himmelsfahrtkommando Steinbruch“, „Eine irdische Hölle“), die das KZ Buchenwald als Ort des ständigen Terrors und Grauens ausweisen.

Kowolliks Anliegen ist es, mit seinem Bericht „Licht […] in die von den Nazis verdunkelte deutsche Welt“ (S. 4) hineinzutragen. Dabei gebe er nur das wieder, was er „mit eigenen Augen gesehen und am eigenen Leibe erlebt habe“, auch wenn die Erfahrungen anderer „zur Vervollständigung des Gesamtbildes notwendig wären“ (beide Zitate ebd.). Indem er sich auf seinen Status als Augenzeuge beruft, versucht er die notwendige Glaubwürdigkeit herzustellen, um einer Abwehrhaltung der Leserschaft zuvorzukommen, ja „allen Nazianhängern jeden Wind aus den Segeln zu nehmen“ (ebd.). Die konsequente Verwendung des Präteritums im überwiegenden Teil des Textes verleiht ihm zudem einen dokumentarischen, gar explanatorischen Erzählstil. Nur selten kommentiert er das Erlebte aus der Warte der Erzählgegenwart, um es in den historischen Kontext zu stellen oder um später erworbene Informationen über die Entwicklung der Bedingungen im Lager zu verschiedenen Phasen seiner Existenz einzustreuen.

Seinen Bericht beginnt Kowollik nach einer kurzen Darstellung der Entstehung des Lagersystems mit seiner Verhaftung im Juni 1938, die, wie er vermutet, wegen seiner antinationalsozialistischen Tätigkeit als Zeitungsreporter angeordnet worden war. Er schildert, als „unbelehrbares und asoziales Element“ (S. 4) verhaftet worden zu sein. Im weiteren Verlauf legt er dar, dass die Häftlingskategorie der ‚Asozialen‘ respektive ‚Arbeitsscheue Reich‘ (ASR) nichts Geringeres als ein „aufgelegter Nazischwindel“ (S. 13) sei, handle es sich in der Mehrzahl doch eigentlich um politische Gefangene.

Nach einer zweitägigen Odyssee voller Ungewissheit durch mehrere Gerichtsgefängnisse in Landsberg und Oppeln wird er schließlich in das sich noch im Aufbau befindliche Lager Buchenwald verbracht. Die von roher Gewalt geprägte Ankunft auf dem Weimarer Bahnhof nennt er zynisch-sarkastisch einen „herzliche[n] Empfang in der Goethe-Stadt“ (S. 7f.), in der einst berühmte deutsche Dichter „unsterbliche Kulturwerte für die Menschheit“ (S. 4) hervorbrachten und in der er „als junger Gymnasiast so gerne geweilt hatte“ (S. 8). Jene zivilisierte Stadt erlebt er nun von Grund auf verändert, denn schon bei der Ankunft im Lager werden die Gefangenen unmittelbar mit Gewalt und Tod konfrontiert. In einem lakonischen Ton klärt er den Leser über die entwürdigende Aufnahmeprozedur sowie den Aufbau des Lagers auf.

Im Folgenden zeichnet Kowollik Buchenwald als eine von der SS geschaffene Unterwelt, deren „grauenvolle Wirklichkeit alle dichterische Phantasie“ (S. 9) übersteige. Hier nimmt der Schreiber intertextuell Bezug auf Dantes „Göttliche Komödie“. Dante hätte, wenn es seinerzeit schon ein Buchenwald gegeben hätte, ein Konzentrationslager an die Stelle seiner Hölle gesetzt, mutmaßt er. Besonders augenfällig ist in diesem Zusammenhang auch die dämonisierte Darstellung der stets bewaffneten Wachmannschaften. Er spricht von den „Teufelsfratzen der SS-Bluthunde“ (S. 7; vgl. auch S. 10 und S. 12), von „Bestien“ (S. 7; S. 23) oder „wilde[n] Raubtieren“ (S. 8), die „Orgien des Blutrausches“ (S. 24) feiern. Er kommt zu dem Schluss: „Ein Satan hätte wohl nicht grausamer sein können, wie diese SS-Henker von Buchenwald“ (S. 22). „Oberhenker“ (S. 10) und Lagerführer Koch (gemeint ist Karl Otto Koch), seinen Stellvertreter Hartmann und den Kommandanten der Totenkopf-SS-Standarte Buchenwald, Standartenführer Strauß, nennt er namentlich. Auch die ‚Grauzone‘ (Primo Levi) der Funktionshäftlinge lässt Kowollik nicht unbeachtet: So charakterisiert er die als ‚Berufsverbrecher‘ Inhaftierten als „genau solche Bluthunde wie die SS-Henker und vollkommen willfährige Werkzeuge in den Händen der Lagerleitung“ (S. 12). Folglich nimmt auch die detaillierte Erläuterung der in Buchenwald vertretenen Häftlingsgruppen viel Raum ein. So berichtet Kowollik, dass etwa die ASR-Häftlinge – zu denen er selbst zählt – innerhalb der von der SS bewusst geförderten Häftlingshierarchie eine „recht traurige Rolle“ (S. 13) spielen und stark unter den Schikanen der ‚Grünen‘ und ‚Roten‘, sprich den als ‚kriminell‘ und ‚politisch‘ Inhaftierten, zu leiden haben.

Im Außenarbeitskommando Steinbruch, dem er wenige Tage nach seiner Ankunft zugeteilt wird, verlebt er „wahrhaft grauenhafte Tage“ (S. 15). Wenn die Gefangenen nicht der harten Arbeit, der Hitze oder der Kälte zum Opfer fallen, sterben sie durch die Schläge und Kugeln der streng wachenden Postenketten oder wählen den Freitod. Fluchtversuche versprechen keine Aussicht auf Erfolg und haben verhängnisvolle Auswirkungen auf die Zurückgebliebenen, die bis zur Rückkehr der Flüchtigen stunden- bis tagelang Strafappell stehen müssen. Exemplarisch berichtet Kowollik im Kapitel „Winter und Weihnacht in Buchenwald“ von der öffentlichen Hinrichtung eines Gefangenen am 21. Dezember 1938, der gemeinsam mit einem Mithäftling im Mai desselben Jahres einen Fluchtversuch unternommen hatte. Die Datumsangaben sowie die geschilderten Einzelheiten des Fluchtverlaufs legen nahe, dass es sich um die Häftlinge Peter Forster und Emil Bargatzki handelt, deren Namen Kowollik jedoch nicht nennt.

Neben dem von Erschöpfung, Hunger, Durst und Krankheit bestimmten Alltag widmet Kowollik auch den Kollektivstrafen, willkürlichen Misshandlungen und Foltermethoden eigene Abschnitte. Besonders eindringlich beschreibt er die Prozedur des „Über-den-Block-gehen[s]“ (S. 22), bei der die Lagerkapelle Schlagermusik spielen musste: „Es war dies alles eine schauderhafte Symphonie, ewig unvergeßlich demjenigen, der sie einmal hören musste“ (S. 21). Im Zusammenhang mit den durch das sogenannte „Baumhängen“ (S. 22) verursachten Qualen thematisiert Kowollik auch die Grenzen der Darstellungsmöglichkeiten. Er schreibt: „Die menschliche Sprache versagt, um ein richtiges Bild dieses Grauens zu zeichnen“ (S. 23). Im April 1939 wird Kowollik entlassen, doch er ahnt, dass der Krieg naht und er somit nicht in die wirkliche Freiheit, „sondern nur von einem K.-Z. Buchenwald in das K.-Z. Deutschland“ geht (S. 29).

Mitunter durchbricht Kowollik die Schilderungen seines Berichts durch implizite sowie explizite Schuldvorwürfe, die sich dezidiert gegen die deutsche Bevölkerung richten und seinen Zorn „gegen die Hitlerdespoten“ (ebd.) zum Ausdruck bringen. Immer wieder entlarvt er dabei die Nachkriegslüge der vermeintlich ahnungslosen Deutschen: Nicht nur beteuert er wiederholt, dass das „K.-Z. Dachau […] dem deutschen Volke nicht unbekannt“ (S. 4) war. Er beschreibt auch, dass „die Menschen zu Tausenden […] scheu und neugierig“ (S. 6) den Häftlingstransporten zusahen und somit „gaffend Zeuge des nun beginnenden Dramas“ (S. 5) wurden. Im letzten Kapitel mit dem Titel „Hitler hatte die Greuel befohlen.“ wendet sich Kowollik im Präsens zusätzlich an jenen Teil der Bevölkerung, der die „geschilderten Grausamkeiten“ (S. 30) noch immer nicht wahrhaben will und weiterhin der Meinung verhaftet bleibt, Adolf Hitler und Heinrich Himmler hätten nicht gewusst, was geschah: „Buchenwald und alle anderen Konzentrations- und Vernichtungslager werden diese Menschen anklagen, mitschuldig zu sein an dem größten Verbrechen aller Zeiten!“ (ebd.). Doch nicht nur eine ewige Anklage solle Buchenwald sein, sondern auch eine Mahnung: „O Buchenwald! […] Dein Name wird dafür bürgen, daß eine irregeleitete Nation sich abkehren wird vom Geiste der Unduldsamkeit und der Herrschsucht und zurückfindet zum Geiste der wahren Menschenliebe und der Freiheit“ (ebd.).

Biografie

Paul Kowollik (geb. 14.06.1911 in Krysanowitz (ab 1936 Kreuzhütte) in Oberschlesien, gest. 30.12.1996 in Waldkirch im Breisgau) wurde als unehelicher Sohn von Rosalia Kowollik und dem westfälischen Milchfahrer mit dem Vornamen Herrmann (gest. 1941) in eine bürgerliche Familie geboren. Seine fünf Geschwister Josef, Anna, Therese, Maria und Agnes waren Kinder des Maurers Anton Juchelka, den Rosalia 1916 heiratete. Nach Abschluss der Volksschule im Jahr 1925 besuchte Kowollik ein Reformrealgymnasium in Rosenberg (Kreisstadt in Oberschlesien), um auf den Wunsch seiner Mutter Priester zu werden. Aufgrund der Armut seiner Familie und der Aussichtslosigkeit, als unehelicher Sohn zum Priester geweiht zu werden, entschloss er sich jedoch im Jahr 1929 trotz guter Noten in Deutsch und Geschichte, die Schule zu verlassen.

Schon bald darauf schlug Kowollik den Weg des Journalismus ein: Bereits 1931 erschien in einer katholischen Tageszeitung ein erster Bericht über seine Erlebnisse am Maisonntag 1921. Als ihm der Verleger des Blattes ein Honorar zahlte und ihn bat, weitere Aufsätze einzureichen, sah er darin eine Möglichkeit, sich aus seiner finanziellen Not herauszuschreiben. Durch seine anschließende Tätigkeit bei der katholischen Zeitung fand er Zugang zur Zentrumspartei, deren Mitglied er im Jahr 1931 wurde. Dort übernahm er bis zur erzwungenen Auflösung der Partei im Jahr 1933 die Funktionen eines Sekretärs und Redners bei Parteiveranstaltungen. Von 1932 bis 1936, mit einer Unterbrechung in den Jahren 1933 und 1934, in denen er arbeitslos war, arbeitete er als freier Journalist und schrieb kulturpolitische Artikel und Aufsätze für verschiedene schlesische Zeitungen.

Als überzeugter „Verteidiger des Weimarer Staates“ („Das war Konzentrationslager Buchenwald“, S. 4) war er nicht gewillt, in die Reichspressekammer einzutreten, um sich nicht dem von den Nationalsozialisten eingeführten Schriftleitergesetz unterwerfen zu müssen. In der Folge konnte er ab 1936 seine journalistische Tätigkeit nicht mehr fortführen und war dann als Straßenbauarbeiter in einer Tiefbaufirma beschäftigt. 1937 meldete er sich freiwillig zur Wehrmacht und absolvierte eine achtwöchige Ausbildung bei der Infanterie.

Anfang 1938 bot sich ihm ein beruflicher Lichtblick bei der Schlesischen Handwerksversicherung in Breslau, die in der ganzen Provinz neue Zweigstellen errichtete und deren Geschäftsstelle in Kreuzberg er ab dem 13. Juni 1938 hätte leiten sollen. Am frühen Morgen desselben Tages wurde er jedoch im Rahmen der zweiten reichsweiten Verhaftungswelle der sogenannten „Aktion ‚Arbeitsscheu Reich‘“ (ASR) in ‚Schutzhaft‘ genommen. An seinem 27. Geburtstag wurde er mit einem Eisenbahntransport nach Weimar verbracht und traf am 15. Juni 1938 gegen 11 Uhr vormittags im KZ Buchenwald ein. In seiner Häftlingspersonalkarte wurde er mit dem Kürzel „A.S.R.“ für „asozial/arbeitsscheu“ geführt und erhielt die Häftlingsnummer 6240. Während seiner Haftzeit wurde er mehreren Arbeitskommandos zugeteilt, unter anderem dem berüchtigten Außenkommando Steinbruch. Im Zuge der sogenannten „Amnestie“ zum 50. Geburtstag Adolf Hitlers am 20. April 1939 wurde Kowollik schließlich nach elf Monaten Haft aus Buchenwald entlassen.

Ein Führungszeugnis, das er sich nur wenige Tage nach seiner Entlassung von der Ortspolizeibehörde Kreuzhütte ausstellen ließ, bescheinigte ihm, dass „in den polizeilichen Listen keine Strafe verzeichnet ist“ (Führungszeugnis der Ortspolizeibehörde Kreuzhütte, 9. Mai 1939, abgedruckt in Siegel/Kowollik 2023, S. 88), so dass er bei Kriegsbeginn 1939 eine Tätigkeit als Verlagsangestellter bei einer Zeitung in Breslau aufnehmen konnte. Kurz vor Ende des ersten Kriegsjahres nahm er die Arbeit bei seiner alten Zeitung, den Neuesten Breslauer Nachrichten, wieder auf.

Im Januar 1940 wurde er zur Wehrmacht eingezogen. Als Infanterist war er zunächst in Polen, dann in Niederösterreich und in Frankreich stationiert. Auf dem Weg an die Westfront kam seine Division nach Waldkirch, wo Kowollik seine spätere Frau, Rosl Unmüssig (1921-2008), kennenlernte. Nach seinem dortigen Einsatz bis Anfang Juli 1940 kehrte er nach Schlesien zurück. Ab Februar 1941 war er kurzzeitig als Leiter der Geschäftsstelle Kutno der Litzmannstädter Zeitung beschäftigt, bis er im März 1941 erneut zum Kriegsdienst in die Sowjetunion einberufen wurde. Nach einer Routineuntersuchung in einem Kriegslazarett in Smolesk wurde er im September 1941 wegen seines angegriffenen Gesundheitszustandes zunächst in seine Heimat zurückgestellt. Wie sich später herausstellte, handelte es sich um die Folgen einer in der Kindheit erlittenen Hilusdrüsenerkrankung, und er wurde zu einem Ersatztruppenteil nach Perleberg und später nach Russland an die Reschew-Front geschickt. Dort erkrankte Kowollik schwer an Fleckfieber und wurde in verschiedene Lazarette verlegt, zunächst nach Smolensk, dann nach Schweidnitz, wo er wieder ins Leben zurückfand.

Am 8. Juni 1943 heiratete er Rosl in der St. Margarethen-Kirche in Waldkirch. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor, von denen das erste, Joachim, im Januar 1945 in Villingen im Schwarzwald das Licht der Welt erblickte. Nach weiteren Wehrmacht-Einsätzen in Litzmannstadt, Stettin und Neubrandenburg erlebte er das Kriegsende in Mecklenburg-Vorpommern zunächst in kurzer amerikanischer, dann in britischer Gefangenschaft. Ende Juni 1945 kehrte Kowollik nach langem Fußmarsch Waldkirch zurück, wo er zunächst als selbstständiger Schriftsteller und ab 1948 als Geschäftsstellen- und Redaktionsleiter der Regionalausgabe der Badischen Zeitung in Waldkirch tätig war, bis ihn 1959 eine mehrmonatige lebensbedrohliche Erkrankung zwang, auf ärztliche Empfehlung hin kürzerzutreten.

Seine Erinnerungen an die Haft im Konzentrationslager Buchenwald schrieb er in verschiedenen Gattungen nieder. Bereits 1945 erschien sein Erlebnisbericht „Das war Konzentrationslager Buchenwald“, der bis circa 1948 in drei Auflagen veröffentlicht wurde (vgl. Werkgeschichte „Das war Konzentrationslager Buchenwald“). Es folgten 1947 die Erzählung „Henker und Heilige. Erzählungen aus unseren Tagen“, die starke biografische Züge trägt (vgl. Zusammenfassung „Henker und Heilige“), sowie die Abhandlung „Analyse eines Schandflecks“. Alle drei Publikationen erreichten um 1948 eine Gesamtauflage von rund 60.000 Exemplaren, wobei „Das war Konzentrationslager Buchenwald“ die höchste Auflage verzeichnete. 1948 veröffentlichte Kowollik seine politisch-philosophische Broschüre „Quo vadis Europa? Wer kann das Abendland retten?“. Im Juli 1948 beantragte er die Druckgenehmigung der Kurzschrift „Massenherrschaft und Menschenfurcht“, die jedoch nicht verlegt wurde. Auch sein politischer Roman „Der Dorfspion“ wird in einem Antrag auf Druckgenehmigung lediglich als „Werk in Arbeit“ aufgeführt.

Dank des allgemein einsetzenden Wirtschaftsaufschwungs gelang es ihm, sich ab 1962 als Journalist selbstständig zu machen. Von März 1966 bis März 1972 übernahm er beim Heimat- und Verkehrsverein Waldkrich als Nachfolger von Max Barth die Redaktion des Waldkircher Heimatbriefs. Als Redakteur war er ab 1968 maßgeblich an der Herausgabe der Wochenzeitung „Elztäler Wochenbericht/Waldkircher und Elztäler Anzeiger“ beteiligt. Ab Mitte der 1960er Jahre war er auch als Autor von Heimatbüchern und Landkreisbeschreibungen erfolgreich tätig.

Im Jahr 1975 legte er die 28 Gedichte umfassende Anthologie „Mit Feder, Spaten und Gewehr“ vor, in der er seine „Arbeit als Journalist, die Schrecken und Leiden des Krieges und die Tyrannei in der Diktatur“ (vgl. hinteres Vorsatzblatt des Bandes) literarisch verarbeitet. Sein autobiografischer Roman „Wege zwischen Dornen und Schlingen“, den er 1988 unter dem Pseudonym Peter Prosna im Verlag Kesselring in Emmendingen veröffentlichte, stellt sein umfangreichstes und letztes Werk dar.

Das Stigma des „schwarzen Winkels“ haftete ihm zeitlebens an: Im November 1945 meldete die die Stadt Waldkirch dem Landratsamt in Emmendingen die in Waldkirch wohnenden einstigen politischen Häftlinge. Darunter befand sich auch Paul Kowollik, dessen „politische Tätigkeit in der Zentrumspartei“ somit als Grund für seine Haft in Buchenwald anscheinend bestätigt wurde. Sein Entschädigungsantrag auf Anerkennung als Verfolgter des Nationalsozialismus vom 7. Juni 1950 wurde jedoch vom Wiedergutmachungsausschuss des Badischen Ministeriums der Finanzen in Freiburg am 14. Juni 1951 abgelehnt, da er als ‚ASR-Häftling‘ nicht entschädigungsberechtigt sei. Kowollik erhob daraufhin im Juli 1951 beim Amtsgericht von Freiburg Klage gegen das Finanzministerium, die er jedoch im November desselben Jahres zurückzog, da er sich aufgrund der NS-Vergangenheit vieler Richter nur wenig Chancen ausrechnete. Auch sein letzter Versuch, vom Stigma des ‚Asozialen‘ rehabilitiert zu werden, blieb erfolglos: Das Justizministerium in Stuttgart teilte ihm im Jahr 1968 mit, dass auch in den Fahndungsbüchern des ehemaligen Reichskriminalamtes keine ihn betreffenden Eintragungen gefunden werden konnten; seinen tatsächlichen Haftgrund konnte er folglich nie in Erfahrung bringen.

Dennoch glaubte er an eine baldige Rehabilitierung aller im KZ-Inhaftierten, doch wurde er in dieser Annahme bitter enttäuscht. Zwar erhielt er im Dezember 1948 den „Ehrenpass“ mit dem Aufdruck „Antifaschistischer Kämpfer“, der in Südbaden in der französischen Besatzungszone an politische Aktivisten ausgestellt wurde, doch die erhoffte Rehabilitation erlebte Kowollik zu Lebzeiten nicht; er starb nach kurzer Krankheit am 30. Dezember 1996 im Alter von 85 Jahren in Waldkirch. Die offizielle Anerkennung der von den Nationalsozialisten als ‚Asoziale‘ verfolgten KZ-Häftlinge erfolgte erst im Februar des Jahres 2020 durch den Deutschen Bundestag.

Quellen:

  • „Akte von Kowollik, Paul, geboren am 14.06.1911“, 1.1.5/6357475/ ITS Digital Archive, Arolsen Archive.
  • „Antrag auf Druckgenehmigung, Analyse eines Schandflecks, 12. Dezember 1946“. In: Archiv des französischen Außenministeriums/Gouvernement Militaire de la Zone Française d’Occupation, ohne Signatur.
  • „Antrag auf Druckgenehmigung, Analyse eines Schandflecks, 12. Dezember 1946“. In: Archiv des französischen Außenministeriums/Gouvernement Militaire de la Zone Française d’Occupation, ohne Signatur.
  • „Antrag auf Erteilung der Veröffentlichungsberechtigung, Das war Konzentrationslager Buchenwald, 5. Juni 1946. In: Archiv des französischen Außenministeriums/Gouvernement Militaire de la Zone Française d’Occupation, ohne Signatur.
  • „Antrag auf Erteilung der Veröffentlichungsberechtigung, Massenherrschaft und Menschenfurcht, 16. Juli 1948“. In: Archiv des französischen Außenministeriums/Gouvernement Militaire de la Zone Française d’Occupation, ohne Signatur.
  • „Brockhaus für Elztäler – 200. Ausgabe des ‚Waldkircher Heimatbriefs ist erschienen‘“, Badische Zeitung, 18.12.2004.
  • „BZ-Urgestein Wolfgang Meyer. 85 Jahre alt – Noch immer aktiv“, Badische Zeitung, 16.10.2013.
  • Deusche Nationalbibliothek: „Kowollik, Paul“. Online: https://d-nb.info/gnd/124550592 (Stand: 12.02.2023).
  • Fang, Chunguang: Das Täterbild in der Überlebenden-Literatur. Ein Vergleich der Täterbilder in der frühen und späten Lagerliteratur von Buchenwald und Dachau. Frankfurt a. M. 2017.
  • ITS, DocID: 86304818. ITS Digital Archive, Arolsen Archive. Online: https://collections.arolsen-archives.org/de/document/86304818 (Stand: 12.02.2023).
  • Kirsten, Holm und Wulf Kirsten (Hrsg.): Stimmen aus Buchenwald. Ein Lesebuch. Göttingen 2002, S. 312.
  • Kowollik, Joachim: Ein das Schreiben gewohnter Reichsarbeitsscheuer. In: Nonnenmacher, Frank (Hrsg.): Die Nazis nannten sie „Asoziale“ und „Berufsverbrecher“. Geschichten der Verfolgung vor und nach 1945. Frankfurt a.M. 2024. S. 325-341.
  • Kowollik, Joachim: E-Mail vom 19. Februar 2023 an Charlotte Kitzinger.
  • Kowollik, Joachim: Rede zur Buchveröffentlichung am 1. Dezember 2023 in Waldkirch.
  • Kowollik, Paul: Mit Feder, Spaten und Gewehr. Ettenheim 1975.
  • Siegel, Helmut/Kowollik, Joachim (2023). Verfolgt – verfemt – vergessen. Das Leben und Schicksal von Paul Kowollik. Waldrich 2023.


Werkgeschichte

Nach seiner Rückkehr aus dem Krieg im Juni 1945 begann Kowollik unmittelbar mit der Niederschrift seiner Erlebnisse im Konzentrationslager Buchenwald, so dass sein Bericht mit Genehmigung der französischen Besatzungsbehörden erstmals 1945 von der ortsansässigen Waldkircher Verlagsgesellschaft unter dem Titel „Das war Konzentrationslager Buchenwald“ veröffentlicht werden konnte. Bereits Anfang 1946 folgte eine zweite, nur geringfügig überarbeitete Auflage von 10.000 Exemplaren, die neben einer neuen Umschlaggestaltung nun – möglicherweise auf Geheiß der französischen Militärregierung (vgl. Siegel 2023, S. 149) – den Untertitel „Ein Triumph der Grausamkeit“ trug.

Doch auch die zweite Auflage der Broschüre war „innerhalb von wenigen Wochen restlos vergriffen“, wie es in einer Korrespondenz der Waldkircher Verlagsgesellschaft mit Jean Arnaud, dem Leiter der Direction de l’Information in Baden-Baden, heißt. Einer der Hauptgründe dafür sei die Verteilung des Werkes bei der Ausstellung „Hitlers Verbrechen“ gewesen, die vom 10. bis 24. Mai 1946 von der Badischen Landesstelle für die Betreuung der Opfer des Nationalsozialismus in Freiburg gezeigt wurde. Hierfür hatte die Landesstelle am 6. Mai 1946 bei Direktor Arnaud eine „beschleunigte Bewilligung“ von 10.000 Exemplaren beantragt. Die Waldkircher Verlagsgemeinschaft erbat daraufhin am 14. Mai 1946 „baldmöglichst den Neudruck der Broschüre“ mit einer erhöhten Auflage von 30.000 Exemplaren, da „nach dieser Broschüre, die bestens geeignet ist, weiteste Volkskreise über den verbrecherischen Charakter des Nationalsozialismus aufzuklären, eine große Nachfrage“ bestanden habe (beide Zitate, Waldkircher Verlagsgesellschaft an Jean Arnaud, 14. Mai 1946). Am 5. Juni 1946 beantragte Kowollik eine Verlagslizenz für die dritte Neuauflage der Broschüre, woraufhin er zunächst eine Absage erhielt, da die Direction de l’Information ihm wegen Papiermangels keine weitere Auflage erteilen könne (Jean Arnaud an Paul Kowollik, 8. Juni 1946). Am 18. Juni 1946 wurde ihm die Genehmigung für eine dritte Auflage in der vereinbarten Höhe von 30.000 Exemplaren erteilt, doch musste er für die Bereitstellung des für den Druck benötigten Papiers sorgen. Es gelang ihm zwar, einen Großteil selbst aufzutreiben, aber im August desselben Jahres bat er die Direction de l’Information doch um Unterstützung bei der Fertigstellung des Auftrages (vgl. Paul Kowollik an Jean Arnaud, 12. August 1946).

Im Januar 1947 beantragte Kowollik einen weiteren Nachdruck der Broschüre, die „den verbrecherischen Charakter des Nationalsozialismus in einer allgemein verständlichen Sprache und auf überzeugende Weise“ beschreibe, da die bisherige Auflage von rund 44.000 Exemplaren noch immer nicht ausreiche, „um den Bedarf der Öffentlichkeit zu decken“, so Kowollik in einem Gesuch an die Direction de l’Information vom 12. Januar 1947.

Obwohl Kowolliks Werk zu den wenigen Zeugenberichten aus der französischen Zone des Jahres 1946 gehört (vgl. Siegel 2023, S. 154), es eine hohe Auflage erreichte und Kowollik im November 1947 sogar eine amtlich von der Stadt Waldkirch beglaubigte Erklärung abgab, dass er „[g]egen die Veröffentlichung der von [ihm] verfassten und herausgegebenen Schrift ‚Das war Konzentrationslager Buchenwald‘, auch auszugsweise, […] nichts einzuwenden [habe]“ (vgl. Amtlich beglaubigte Erklärung zur Copy-Freigabe, abgedruckt in Siegel/Kowollik 2023, S. 17), geriet es in den folgenden Jahrzehnten weitgehend in Vergessenheit. Erst im Jahr 2002 wurde das sechste Kapitel („Winter und Weihnacht in Buchenwald“) durch die im Göttinger Wallstein Verlag erschienene Anthologie „Stimmen aus Buchenwald. Ein Lesebuch“, die Auszüge ausgewählter Texte ehemaliger Gefangener des KZ Buchenwald zusammenstellt, wieder einer breiten Leserschaft bekannt gemacht.

Ein originalgetreuer Nachdruck der ersten Auflage von „Das war Konzentrationslager Buchenwald“ aus dem Jahr 1945 findet sich in der von Helmuth Siegel und dem ältesten Sohn Paul Kowolliks, Dr. Joachim Kowollik (*1945), herausgegebenen Biografie „Verfolgt – verfemt – vergessen. Das Leben und Schicksal von Paul Kowollik“, in der sie den gesamten Lebensweg des Journalisten nachzeichnen. Im Geleitwort zum Buch bezeichnet Michael Löffelsender (Kustos für die Geschichte des KZ Buchenwald und der Gedenkstätte Buchenwald) die Broschüre als eine „eindringliche und dichte Beschreibung seines [Paul Kowolliks] Haftweges und der Verhältnisse des Konzentrationslagers Buchenwald der Vorkriegszeit“ (2023, S. 9), die aufgrund ihrer frühen Publikation „nicht überformt und geprägt [sei] von festgefügten Narrativen, die das Sprechen und Schreiben über Buchenwald in den Jahren und Jahrzehnten danach stark kennzeichneten.“ (2023, S. 10)

Quellen:

  • „Badische Landesstelle für die Betreuung der Opfer des Nationalsozialismus an Jean Arnaud, 14. Mai 1946“. In: Archiv des französischen Außenministeriums/Gouvernement Militaire de la Zone Française d’Occupation, ohne Signatur.
  • „Jean Arnaud an Paul Kowollik, 8. Juni 1946“. In: Archiv des französischen Außenministeriums/Gouvernement Militaire de la Zone Française d’Occupation, ohne Signatur.
  • Kowollik, Joachim: E-Mail vom 19. Februar 2023 an Charlotte Kitzinger.
  • Kowollik, Joachim: E-Mail vom 5. Februar 2023 an Chunguang Fang.
  • Löffelsender, Michael (2023): „Geleitwort“. In: Siegel, Helmut/Kowollik, Joachim (Hrsg.): Verfolgt – verfemt – vergessen. Das Leben und Schicksal von Paul Kowollik. Waldkirch 2023, S. 9-10.
  • „Paul Kowollik an Jean Arnaud, 12. August 1946“. In: Archiv des französischen Außenministeriums/Gouvernement Militaire de la Zone Française d’Occupation, ohne Signatur.
  • „Paul Kowollik an Jean Arnaud, 12. Januar 1947“. In: Archiv des französischen Außenministeriums/Gouvernement Militaire de la Zone Française d’Occupation, ohne Signatur.
  • Siegel, Helmuth (2023): „Eine Einordnung seiner frühen Lagerliteratur“. In: ders./Kowollik, Joachim (Hrsg.): Verfolgt – verfemt – vergessen. Das Leben und Schicksal von Paul Kowollik. Waldkrich 2023, S. 149-155.
  • „Waldkircher Verlagsgesellschaft an Jean Arnaud, 14. Mai 1946“. In: Archiv des französischen Außenministeriums/Gouvernement Militaire de la Zone Française d’Occupation, ohne Signatur.


Die Annotation entstand in enger Zusammenarbeit mit Herrn Dr. Joachim Kowollik, dem an dieser Stelle ausdrücklich Dank ausgesprochen sei für seine Unterstützung und Hilfe!


Bearbeitet von: Jennifer Ehrhardt