Der Herrgott im K.-Z. No. 4 (1946)

Aus Frühe Texte der Holocaust- und Lagerliteratur 1933 bis 1949
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Angaben zum Werk

Titel Der Herrgott im K.-Z. No. 4
Autor Goldschmitt, François (1883-1966)
Genre Sonstige

Ausgaben des Werks

Ausgabe von 1946, Metz
Titel Der Herrgott im K.-Z. No. 4

Erscheinungsort Metz
Erscheinungsjahr 1946
Auflage Erstauflage

Verlegt von Coopérative d’Édition et d’impression

Publiziert von Goldschmitt, François (1883-1966)

Umfang 80 Seiten
Abbildungen 30 Fotos und 13 Zeichnungen

Bibliotheksnachweise DNB-icon.gif Deutsche Nationalbibliothek (Print-dnb-icon.gif gedruckte Ausgabe)

Zusammenfassung

Die Broschüre „Der Herrgott im K.-Z.“ von François Goldschmitt gehört zu einer fünfteiligen Reihe (vgl. S. 4), in der persönliche Erfahrungen, Analysen zu den Lebensbedingungen von Geistlichen in Konzentrationslagern und ein Gedenken für verstorbene Kameraden vorgesehen ist. Die Broschüre enthält im Vorwort einen Aufruf, weitere Zeugenberichte einzureichen. In dieser Heftnummer liegt der Fokus der Beschreibung auf dem Konzentrationslager Dachau, in dem es zwei sogenannte Priesterblöcke mit Geistlichen aus verschiedenen Ländern gab. In diesen Blöcken konnten die Gläubigen unter anderem Messen abhalten und ihre Religion weiter praktizieren. Obwohl die Geistlichen ihre Religion in großen Teilen ausleben können, bleibt es ein Leben in Gefangenschaft, wie sehr eindrücklich beschrieben wird. Goldschmitts Broschüre teilt sich dabei in drei größere Kapitel mit zahlreichen Unterkapiteln auf.

Das Vorwort behandelt den Nationalsozialismus und dessen Verhältnis zum Glauben, zunächst habe Hitler in „Mein Kampf“ für eine Trennung von Religion und Staat plädiert, doch dies wird schnell widerlegt. „Ein satanischer Stolz hatte Hitler ganz und gar verblendet. In Deutschland und in allen besetzten Gebieten verschärfte sich der Religionskrieg mit jedem Monat“ (S. 3). Welche Ausprägungen dieser für die Gläubigen sehr konkrete Religionskrieg hatte, wird in dieser Broschüre ausgedeutet.

Der erste Teil „A. Die Geistlichen hinter dem Stacheldraht“ beinhaltet allgemeine Beschreibungen der Priesterblöcke. Dazu zählen die Menge der Gefangenen, ihre sogenannten Privilegien, die Darstellung von Schikanen und Quälereien sowie das geistliche Leben in Dachau.

Dachau war zunächst ein Konzentrationslager für politische Feinde. Ab 1940 wurden auch Geistliche inhaftiert, dabei war der Begriff des Geistlichen zunächst auf Pfarrer, Mönche und Theologiestudenten beschränkt; diese Kategorie wurde aber häufig verändert. Laut Goldschmitt waren ca. 3000 Geistliche in Dachau inhaftiert (vgl. S. 8). Die Geistlichen mussten zahlreiche Schikanen auf sich nehmen, die sowohl körperliche als auch psychische Demütigungen und Gewalt umfassten, so musste z. B. ein gegeißelter Pfarrer blutüberströmt mit einer Dornenkrone auf dem Kopf durch das Lager laufen. Stockhiebe, Bunker und Pfahlhängen waren auch hier typische Sanktionsmaßnahmen der SS für in ihren Augen fehlerhaftes Verhalten.

Im Januar 1941 änderte sich die Lage der Geistlichen durch Papst Pius, der ihnen einige Privilegien einräumen konnte. So sollten die Geistlichen Mittagsruhe halten dürfen, wurden von harter körperlicher Arbeit entbunden und bekamen Wein geliefert. Diese Privilegien nutzten aber die Aufseher, um die Geistlichen weiter zu schikanieren, so mussten sie manchmal ihre Ration Wein schon vor dem Morgenappell in einer Art Wetttrinken in einem Zug leeren (vgl. S. 30). Auch die Messe, die die Pfarrer durchaus halten durften und die für sie eine wichtige Stütze in der Haft war, wurde von der SS genutzt, um sie weiter zu demütigen: „An einem Sonntag stürzten sich SS während der h. Messe in die Kapelle, schrien und brüllten wie vom Teufel besessen, – ‚Pfaffensäue. Priesterschweine…‘ Dabei schlugen sie mit Stöcken auf die Geistlichen ein und teilten Ohrfeigen sowie Fusstritte aus“ (S.32).

Trotz der andauernden Demütigung hielten die Pfarrer regelmäßig die heilige Messe und führten sogar eine Priesterweihe in Dachau durch. Ab dem Jahr 1943 betätigten sich die Geistlichen auch als Krankenpfleger und unterstützten Häftlinge durch Ausübung der Seelsorge.

Im zweiten Teil „B. Meine persönlichen Erlebnisse im Pfarrerblock No 26.“ wird auf knapp 20 Seiten das Leben von Goldschmitt in Dachau zusammengefasst. Goldschmitt ist zunächst ohne Kommando in Dachau und nutzt die Zeit, um Bücher zu lesen und sich geistig zu betätigen. Ein seltenes Ereignis in einem Konzentrationslager, wie er selbst anmerkt: „So verwandelte sich der Block Nr. 26 unerwartet in eine Studienanstalt, gewiss in einem K. Z. etwas Aussergewöhnliches“ (S. 54). Durch Pakete, die er regelmäßig von zu Hause erhält, leidet Goldschmitt weniger an Hunger und ist sich dieser privilegierten Position durchaus bewusst. Selbst als er für drei Tage im Bunker ‚verurteilt‘ wird, bekommt er Unterstützung durch einen Wachmann und beschreibt diese Zeit durchweg positiv. Als er einem Arbeitskommando zugeteilt wird und für die Wehrmacht Knöpfe an Zelte annähen soll, lernt er von einem anderen Häftling, wie er seine Position zur Sabotage nutzen kann.

Der letzte Abschnitt „C. Verstorbene Kameraden von Dachau“ führt Fotografien mit Kurzbiographien von Geistlichen und deren Familien auf, die im Lager gestorben sind. Die Aufzählung der Ermordeten beginnt in dieser Broschüre bei 288 und endet bei 319.

Biografie

François Goldschmitt, geb. am 28. Januar 1883 in der französischen Gemeinde Morsbach in der damaligen Region Lothringen, gest. am 8. Oktober 1966 in Rech a. d. Ahr, erhielt am 17. Juli 1910 in Metz die Priesterweihe. Während der deutschen Besatzung wurde er zum Bischöflichen Kommissar ernannt. Er bezeichnet sich selbst als Lothringischen Partikularist. Aufgrund seiner Predigttätigkeit, wegen „antideutscher Propaganda“, „Fluchthilfe für Gefangene“ und „Beihilfe zur Wehrdienst-Entziehung“ (zwangsweise rekrutierter Lothringer) wurde er am 24. September 1942 von der Gestapo verhaftet. Zunächst kam er ins Saarbrücker Gefängnis, von wo aus er am 8. Dezember ins Konzentrationslager Dachau gebracht wurde (Häftlingsnummer 41350). Am 29. April 1945 wurde er von dort befreit. Im Dachauer Kriegsverbrecher-Prozess 1945-46 war Goldschmitt einer der Hauptzeugen der Anklage.

Quellen:



Bearbeitet von: Sandra Binnert