Die Stärkeren (1934)

Aus Frühe Texte der Holocaust- und Lagerliteratur 1933 bis 1949
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Angaben zum Werk

Titel Die Stärkeren
Autor Weiskopf, Franz Carl (1900-1955)
Genre Erzählungen

Ausgaben des Werks

Ausgabe von 1934, Tschechoslowakei
Titel Die Stärkeren
Untertitel Episoden aus einem unterirdischen Krieg

Erscheinungsort Tschechoslowakei
Erscheinungsjahr 1934

Gedruckt von Heinr. Mercy Sohn
Publiziert von Weiskopf, Franz Carl (1900-1955)
Umschlaggestaltung von Masereel, Frans (1889-1972)

Umfang 31 Seiten plus Inhaltsverzeichnis

Preise 4 Tschechische Kronen / 1 Österreichischer Schilling / 0,6 Schweizer Franken / 3 Französische Franc / 0,30 Holländische Gulden
Bibliotheksnachweise UBGI-icon.gif UB Gießen (Print-dnb-icon.gif gedruckte Ausgabe)


Zusammenfassung

In einer Vielzahl von kurzen Episoden beschreibt Franz Carl Weiskopf den kommunistischen Widerstand im Untergrund Deutschlands: Flugblattaktionen, Verhaftung, Gefängnis, Folter, Konzentrationslagerhaft, gelungene Fluchtversuche und Selbstmord. Die Erzählungen, die vermutlich alle auf reale Geschehnisse rekurrieren, zeigen den Mut und die Integrität der Kommunisten in ihren (oft letzten) Handlungen. Dabei verwendet Weiskopf keine emotionale oder pathetische Sprache, sondern zeigt das Wesen des Kommunisten in seinen mutigen Handlungen im Angesicht der Gewalt. Es bleibt dem Leser überlassen, eine Wertung vorzunehmen.

Weiskopf beschreibt beispielsweise, wie sich eine Gruppe von kommunistischen Häftlingen weigert, auf Befehl und unter Schlägen der deutschen Wachmannschaften die Internationale zu singen. Im Kapitel „Das erschossene Schweigen“ schildert er, wie eine ganze Gruppe von Häftlingen zu Ehren der verstorbenen führenden Kommunistin Clara Zetkin einen Tag schweigt. In einer anderen Episode wird berichtet, wie sich ein junger Häftling als Ersatz für ein wichtiges Parteimitglied opfert, damit dieses fliehen und die politische Arbeit fortsetzen kann. Anhand der Geschichte der Witwe eines ermordeten Arbeiters thematisiert Weiskopf die Rolle der Frauen im kommunistischen Widerstand. Die Witwe verzichtet auf Geld und beteuert stattdessen, dass auch sie ihre Kinder „nach dem Vorbild des Toten erziehen“ (S. 24) werde.

Weiskopf erzählt dabei nicht die Geschichten der heroischen Vorkämpfer der Bewegung, sondern die der durchschnittlichen Arbeiter und deren Frauen sowie der Sympathisanten, die bei kleineren Aktionen die Bewegung unterstützen. Über diese 90.000 Mitglieder der KPD auf lokaler Ebene heißt es am Ende des Buchs: „Man sucht sie. Man jagt sie. Man setzt Kopfpreise auf sie aus. Es nützt nichts. Sie geben nicht nach. Sie werden mehr und mehr. Sie sind die Stärkeren, sie wissen: sie werden die Sieger von morgen sein“ (S. 31).

Da der Text bereits 1934 publiziert wurde und auf wahre Ereignisse Bezug nimmt, verwendet Weiskopf Abkürzungen: Personen- oder Ortsnamen werden systematisch verkürzt oder umschrieben, um eine Verfolgung der Personen unmöglich zu machen. Gleichzeitig wird so eine Form der Authentizität geschaffen. So heißt es etwa „die Geheimdruckerei in der S…straße“ (S. 5) oder „Konzentrationslager P… bei R… im Braunschweigischen“ (S. 9). Dabei werden weder Kommunisten und Häftlinge noch nationalsozialistische Täter beim Namen genannt. Die Einheit der Partei stellt Weiskopf durch Formulierungen wie „unser[e] Leute“ (S. 7) oder „gleichsam ein einziger Körper“ (S. 12) heraus; generell wird der Zusammenhalt unter den Kommunisten durch gemeinschaftliche Aktionen betont. Ein weiterer Aspekt, der mehrfach beschrieben wird, ist der Vorwand der Nationalsozialisten, jemand sei ‚auf der Flucht erschossen‘ worden. Mehrere Episoden widerlegen dies und verdeutlichen, dass diese Personen bewusst ermordet werden.

Den Schilderungen der verschiedenen Episoden sind zwei Texte zur Seite gestellt: Zum einen ein Brief, in dem ein Hermann H. erklärt, warum sein Bruder zum Verräter wurde, und zum anderen ein in Fraktur gedruckter Bericht des Propagandaministeriums über Vorfälle, die Weiskopf zuvor aus Sicht eines Gefängniswärters schildert. Abschließend nennt er noch Beispiele für verschiedene kreative Wege, Flugblätter zu verteilen – etwa zwischen den Seiten des „Völkischen Beobachters“.


Biografie

Franz Carl Weiskopf (Pseudonyme Petr Buk,Pierre Buk,F. W. L. Kovacs), geb. am 3. April 1900 in Prag, gest. am 14. September 1955 in Berlin, war der Sohn eines jüdisch deutschen Bankangestellten und einer tschechischen Mutter. In Prag besuchte er deutschsprachige Schulen und studierte anschließend von 1919 bis 1923 Germanistik und Geschichte an der Universität in Prag. 1921 wurde sein erstes Schauspiel „Föhn“ in Bad Harzburg aufgeführt. Im gleichen Jahr trat er der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei bei und 1923 wurde er zum Doktor der Philosophie promoviert. 1926 reiste er zum ersten Mal in die Sowjetunion, zwei Jahre später zog er nach Berlin, wo er Redakteur des Feuilletons bei „Berlin am Morgen“ wurde. Ebenfalls 1928 Jahr heiratete er Grete Bernheim, die später auch unter dem Pseudonym Alex Wedding bekannt wurde. Er trat außerdem dem Bund proletarisch-revolutionärer Schriftsteller bei.

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten kehrte Weiskopf 1933 nach Prag zurück, wo er Chefredakteur der antifaschistischen Arbeiter Illustrierten Zeitung (AIZ) wurde. Im Oktober 1938 musste die Zeitung ihr Erscheinen einstellen und Weiskopf floh nach Paris und von dort aus 1939 weiter in die Vereinigten Staaten, wo er die Kriegsjahre in New York verbrachte.

Nach Kriegsende war Weiskopf im diplomatischen Dienst der Tschechoslowakei tätig, zunächst als Botschaftsrat in Washington D.C. und 1949/50 in Stockholm sowie von 1950 bis 1952 als Botschafter in Peking. 1952 kehrte er nach Prag zurück und zog 1953 nach Ost-Berlin, wo er sich im Schriftstellerverband der DDR engagierte und gemeinsam mit Willi Bredel die Zeitschrift „neue deutsche literatur“ herausgab. Er war außerdem ab 1954 Mitglied der Deutschen Akademie der Künste und ein Mitglied der Schriftstellervereinigung P.E.N. (Poets. Essayist, Novelists).

Quelle:


Werkgeschichte

Weiskopf veröffentlichte eine Auswahl seiner Episoden bereits vor der Drucklegung des Bandes in den „Neuen Deutschen Blättern. Monatsschrift für Literatur und Kunst“, die unter anderem von Anna Seghers herausgegeben wurden. Im Mai 1934 wurden die Geschichten über Kommunisten im Widerstand erweitert und als zweite Nummer der „Neuen Deutschen Blätter“ gesammelt gedruckt. Die Deutsche Auslandsvertretung und NS-Organisationen wie der Volksbund für das Deutschtum im Ausland (VDA) registrierten aufmerksam die Publikation NS-feindlicher Schriften. Die Deutsche Botschaft in Moskau berichtet an das Auswärtige Amt in Berlin über die „im hiesigen Buchhandel erschienene Hetzschrift gegen Deutschland“, der VDA sprach von einer „Veröffentlichun[g] reichsfeindlichen Inhalts“ (Volksbund).

Quellen:

  • „Schreiben der Deutschen Botschaft Moskau an das Auswärtige Amt in Berlin vom 02.12.1935“. In: Politisches Archiv des Auswärtigen Amts, Signatur R 99471, o.S.
  • „Schreiben der Bundesleitung des Volksbunds für das Deutschtum im Ausland an das Auswärtige Amt in Berlin vom 03.12.1935“. In: Politisches Archiv des Auswärtigen Amts, Signatur R 99471, o.S.



Bearbeitet von: Christiane Weber