Die Todesfabrik Maidanek (1946)

Aus Frühe Texte der Holocaust- und Lagerliteratur 1933 bis 1949
Wechseln zu: Navigation, Suche

Angaben zum Werk

Titel Die Todesfabrik Maidanek
Autor Simonow, Konstantin (1915-1979)
Genre Erinnerungsbericht

Ausgaben des Werks

Ausgabe von 1946, Wien
Titel Die Todesfabrik Maidanek
Untertitel Ein dokumentarischer Tatsachenbericht aus dem berüchtigten deutschen Vernichtungslager

Erscheinungsort Wien
Erscheinungsjahr 1946
Auflage 2

Auflagenhöhe Erstauflage 21.-100. Tausend

Verlegt von Stern-Verlag
Gedruckt von Globus Zeitungs-, Druck- und Verlagsanstalt
Publiziert von Simonow, Konstantin (1915-1979)
Umschlaggestaltung von Furch, Bruno (1913-2000)
Illustriert von Markarch, G.

Umfang 46 Seiten
Abbildungen 10 Zeichnungen

Bibliotheksnachweise DNB-icon.gif Deutsche Nationalbibliothek (Print-dnb-icon.gif gedruckte Ausgabe)


Zusammenfassung

Der anonym herausgegebene Tatsachenbericht von Konstatin Simonow über das Vernichtungslager Majdanek ist ein selbstständig erschienener Separatdruck der Publikation „Vernichtungslager“, die im selben Verlag 1945 herausgegeben wurde. Der Bericht möge „eine Waffe mehr sein, um den barbarischen Nazigeist mit Stumpf und Stiel auszurotten und mit dazu beizutragen, den Weg in eine menschliche Zukunft zu weisen“ (S. 4), heißt es im Vorwort des Verlags.

Mit dem Bau des ‚Lagers Dachau 2‘ bei Lublin Ende 1940 beginnt der Autor, der im Text als kollektives ‚wir‘ auftritt, seine Aufzeichnungen. Er schildert, wie das Lager, das „seinem System nach eine genaue Kopie des berüchtigten Lagers Dachau in Deutschland“ (S. 5) sei, nach und nach erweitert wird und immer mehr Menschen eintreffen. Die ersten Tausend russischen Kriegsgefangenen und Zivilpersonen treffen als Arbeitskräfte im August 1941 ein, Polen und Juden folgen bald. Transporte kommen aber auch aus Russland, der Ukraine und der Slowakei, aus Böhmen, Österreich und Deutschland. Im Mai 1942 sind Baracken für etwa 40.000 Personen fertiggestellt und damit ist die erste Etappe in der Geschichte des Lagers abgeschlossen. Ununterbrochen werden nun Menschen zur Ermordung ins Lager gebracht. Davon zeugen die Dokumente der Getöteten in der Lagerkanzlei. Beispielhaft greift der Autor einige Namen aus der großen Masse heraus.

Er führt den Leser auf einen Rundgang durch das Lager und schildert sowohl seinen Aufbau und die Struktur als auch die vielfältigen Arten der Vernichtung der Häftlinge. Denn das Ziel der „Todesfabrik“ (S. 8) sei die Vernichtung möglichst vieler Häftlinge auf schnellstem Weg. Kein Häftling dürfe das Lager lebend verlassen, so der Grundsatz der Deutschen. Dabei werden alle Arten der Ermordung angewendet, von der einfachsten bis zur raffiniertesten. Die Tötungsmethode hängt „von der Anzahl der ins Lager eingelieferten Menschen und von den in einer bestimmten Phase benötigten Arbeitskräften für den endlos fortgesetzten Bau“ (S. 9) ab. Zu den verschiedenen Tötungsmethoden zählen unter anderem die Ansteckung mit Tuberkulose, der Tod durch Entkräftung und Erschöpfung, das Brechen des Halswirbels mit einer Eisenstange, die Tötung mit Gas sowie (Massen)Erschießungen. Am 3. November 1943 werden an einem Tag im Rahmen der sogenannten Aktion Erntefest 18.000 Menschen auf offenem Feld erschossen. Sie fallen direkt in die zuvor ausgehobenen Gräben. Durchschnittlich etwa 40.000 Gefangene sind nach Tagesberichten der Lagerkommandantur gleichzeitig im Lager untergebracht. Ein besonders unerträglicher Anblick ist das Schuhlager mit 820.000 Schuhpaaren. Darunter zehntausende Paar Kinderschuhe: „Sandalen, Halbschuhe und Schuhchen für Zehnjährige, Achtjährige, Sechsjährige und Babyschuhe. Man kann sich kaum etwas Grauenvolleres vorstellen als dieses Bild“ (S. 26).

Einen eigenen Abschnitt widmet er den SS-Aufseherinnen, die er als „Abschaum der Menschheit“ (S. 35) bezeichnen. Besonders eine Oberaufseherin der Frauenbaracke, „Lagerseherka“ (ebd.) genannt, hebt sich durch ihre Grausamkeit und ihr sadistisches Vergnügen an Misshandlungen hervor: „Es fällt schwer, über all das zu sprechen. Es bleibt nur noch zu hoffen, daß dieses entsetzliche Geschöpf und Tausende, die ihr gleichen, beim Namen genannt, ausfindig gemacht und hingerichtet werden, also wenigstens den hundertsten Teil der verdiente Strafe büßen werden“ (S. 37).

In der „Kette der Schuld“ (S. 38), derer, die für ihre Taten werden einstehen müssen, sieht der Autor am oberen Ende Menschen wie den Lagerverwalter Theodor Schollen, der sich unter anderem am Zahngold der Toten bereichert hat. Am unteren Ende seien Menschen wie die Stenotypistin des deutschen Direktors des Lubliner Kraftwerks Edith Schostek, die zwar kein Blut an den Händen trage, aber Kleidungstücke der Ermordeten als zusätzliche Entschädigung erhalten habe. „Sie stehen an verschiedenen Enden der Kette, aber es ist die gleiche Kette“ (S. 40).

Der Bericht schließt mit dem in der Originalhandschrift abgedruckten Schreiben des deutschen Generalleutnants Hilmar Moser, der in einer Erklärung an das Oberkommando der Roten Armee am 29. August 1944 „das Grauen von Maidanek“ (S. 41) bestätigt.

Werkgeschichte

Bereits 1944 veröffentlichte Konstatin Simonow unter seinem Namen im Verlag für fremdsprachige Literatur Moskau den Tatsachenbericht über das Vernichtungslager Majdanek unter dem Titel „Das Vernichtungslager“. Der Text dieser ersten Ausgabe ist in weiten Teilen identisch mit den späteren Ausgaben, jedoch nicht ganz so umfangreich. Auch ist noch nicht vom Vernichtungslager Majdanek die Rede, Simonow spricht hier noch von der ‚Lubliner Todesfabrik oder dem ‚Lubliner Vernichtungslager‘. Das Werk enthält jedoch abgedruckte Fotos, die nach der Auflösung des Lagers entstanden, und die in den späteren Ausgaben fehlen. 1945 erschien der Text mit einigen neuen Passagen und gestalterischen Abweichungen – Kapitelüberschriften wurden hinzugefügt, jedoch auf Abbildungen völlig verzichtet – unter dem Titel „Vernichtungslager“ im Stern Verlag, zusammen mit dem Bericht über das Vernichtungslager Treblinka von Wassilli Großmann. Dieser wurde 1946 unter dem Titel „Menschenschlachthaus Treblinka“ als selbständige Publikation im Stern Verlag herausgegeben.

Auch Simonows Bericht über Majdanek wurde 1946 im Stern Verlag als Separatdruck unter dem Titel „Todesfabrik Maidanek“ erneut publiziert. Die Fülle des Materials rechtfertige es, so der Verlag im Vorwort, die „Todesfabrik Maidanek“ als illustrierten und verbesserten Separatdruck erscheinen zu lassen. Diese Ausgabe enthält zwar ebenfalls keine Fotografien, dafür 10 Zeichnungen des Illustrators Markarch.

Quelle:

  • o.A.: Die Todesfabrik Maidanek. Wien 1946.



Bearbeitet von: Charlotte Kitzinger