Ein Leben für Sozialismus und Demokratie (1946)

Aus Frühe Texte der Holocaust- und Lagerliteratur 1933 bis 1949
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Angaben zum Werk

Titel Ein Leben für Sozialismus und Demokratie
Autor Rossmann, Erich (1884-1953)
Genre Erinnerungsbericht

Ausgaben des Werks

Ausgabe von 1946, Stuttgart,Tübingen
Titel Ein Leben für Sozialismus und Demokratie

Erscheinungsort Stuttgart,Tübingen
Erscheinungsjahr 1946
Auflage 1

Verlegt von Rainer Wunderlich Verlag
Gedruckt von J. Fink
Publiziert von Rossmann, Erich (1884-1953)

Umfang 236 Seiten

Lizenz Lizenz-Nr. US-W-1070, Nachrichtenkontrolle der Militärregierung

Bibliotheksnachweise UBGI-icon.gif UB Gießen (Print-dnb-icon.gif gedruckte Ausgabe)
UBGI-icon.gif UB Gießen (Online-dnb-icon.gif elektronische Ausgabe)


Zusammenfassung

Erich Roßmann widmet sich in seinem Werk den familiären und politischen Verhältnissen, in denen er aufwuchs. Dabei schildert er schlaglichtartig seine persönliche Entwicklung zu einem Sozialdemokraten. Sein Hauptaugenmerk liegt jedoch auf der geschichtlichen Entwicklung von Sozialismus und Demokratie, was Roßmann bereits durch die Titelwahl für seine Publikation andeutet. Die Anfänge des Nationalsozialismus skizziert er ebenfalls anhand seiner eigenen Erlebnisse.

Der thematische Schwerpunkt liegt allerdings auf der Darstellung seiner Erlebnisse während des Nationalsozialismus. So berichtet Roßmann ausführlich über seine Internierung in Polizeigefängnissen sowie 1933 im Konzentrationslager Heuberg und 1944 in Sachsenhausen. Neben der allgemeinen Schilderung des Aufbaus, der Organisation und der Einrichtungen der beiden Lager sowie der Misshandlungen der Häftlinge durch die SS, verweist Roßmann dabei fortwährend auf historisch-politische Ereignisse, die sich mitunter auch auf das Leben im KZ auswirken.

Am 23. Juni 1933 wird Roßmann erstmals in seiner Stuttgarter Wohnung von der Gestapo als sogenannter Novemberverbrecher verhaftet. Nach einer zehntägigen Internierung in der ‚Büchsenstraße‘, dem Polizeigefängnis von Stuttgart, wird er in das Konzentrationslager Heuberg verschleppt. Schilderungen der selbst erlittenen Misshandlungen im Lager treten nur vereinzelt auf. Stattdessen skizziert Roßmann oftmals Lebens- und Leidenswege seiner Mithäftlinge, so zum Beispiel von Kurt Schumacher oder Karl Ruggaber. Ferner wird wiederholt auf die außerhalb des Lagers stattfindenden Ereignisse und politisch motivierten NS-Verbrechen verwiesen. So geht Roßmann beispielsweise ausführlich auf die Ermordung des Gesandtschaftsbeamten Ernst vom Rath 1938 in Paris oder das gescheiterte Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 ein. Oftmals werden ehemalige ‚Kameraden‘ von Roßmann namentlich genannt; so schafft er eine literarische Form des Gedenkens. Ein ganzes Kapitel widmet Roßmann beispielsweise Ernst Heinrich Bethge. In ähnlicher Funktion ist auch Roßmanns Verweis auf den Erinnerungsbericht seines „Fraktionskollegen“ (S. 114) Gerhard Seger zu sehen, der „nach seiner gelungen Flucht ins Ausland“ (ebd.) veröffentlichten Broschüre „Oranienburg“ aus dem Jahr 1933 „das Gewissen der Welt zum ersten Male aufgerüttelt“ (ebd.) habe.

Neben den Verweisen auf politisch-historische Ereignisse nimmt Roßmann innerhalb seiner Darstellung auch immer wieder Bezug auf Personen des kulturellen Lebens, zum Beispiel Goethe, Schiller, Einstein und Dante, und sucht anhand der Zitate die selbst erlebten Eindrücke dem Leser zu verdeutlichen. In diesen häufig auftretenden und oftmals auch umfangreichen Passagen sticht insbesondere der pathetische Schreibstil hervor. So etwa, wenn Roßmann sich mit der „Schande“ befasst, die der „Begriff Buchenwald über Deutschland gebracht hat“ (beide Zitate S. 235): „Was das ganze thüringische Land, das Goethe als das Land seiner väterlichen Ahnen so innig liebte, daß es zu ihm zu jenen dichterischen Leistungen beflügelte, die seine Erscheinung zur höchsten Blüte der Nation erhoben! […] Was war in einem unerklärlichen Rückfall in längst überwunden geglaubte Methoden der Barbarei an die Stelle dieser Goetheschen Bestimmung des Menschen getreten! Es war, als ob die Finsternis in ihrem Kampf gegen das Licht bis zu dem leuchtendsten Gestirn deutschen Geistes und deutscher Humanität vorgedrungen sei, als ob sie inmitten des heiligen Herzens unseres Vaterlandes neben den hellsten Punkt unserer Geschichte seinen dunkelsten gesetzt hätte“ (S. 235f.). Ferner verwendet Roßmann in seinem Werk viele Metaphern und greift auf unterschiedliche Strategien der Anonymisierung zurück, insbesondere, wenn er das NS-Regime oder die SS-Männer charakterisiert. So bezeichnet er beispielsweise Anhänger des Regimes als eine „Clique von Sadisten, Verbrechern und Wahnsinnigen“ und Deutsche, die dem „Nazismus […] den Steigbügel gehalten haben, mit deren Hilfe er sich in den Sattel schwang“, als „Dummköpfe und Halunken“ (alle Zitate S. 248).

An den Bericht über seine Haftzeit anschließend, schildert er seine Erlebnisse nach der Entlassung. Dabei betont er wiederholt, welchen Gefahren er fortwährend ausgesetzt ist, was ihn 1945 zu seiner Flucht nach Pößneck bewegt ebenso wie er den Niedergang des Dritten Reiches erlebt. Neben den Darstellungen seiner persönlichen Erfahrungen berücksichtigt Roßmann die Vorgeschichte und die Folgen des Nationalsozialismus. Er leitet seinen Erklärungsansatz für die Machtergreifung der Nationalsozialisten her und setzt ihn mit der von ihm als notwendig erachteten Etablierung eines demokratischen Systems in Verbindung. Er behandelt auch die Diskussion über die Kollektivschuld aller Deutschen an den NS-Verbrechen. So hält er zunächst fest, dass „nicht nur das Nazisystem“ Schuld an den Geschehnisse habe, „sondern wir alle“ (beide Zitate S. 133). Er meint damit auch die Häftlinge selbst, die „eingesperrt und den Schlägen eines brutalen Despotismus ausgesetzt waren“ (ebd.), da keiner die Nationalsozialisten an ihrer Machtergreifung gehindert habe. Diese konkrete Anschuldigung relativiert Roßmann jedoch im letzten Kapitel, wenn er konstatiert: „Unsere Gegner beurteilen uns nicht richtig, wenn sie alle Deutschen, mit Ausnahme der ausgesprochenen anti-faschistischen Kreise, in einen Topf werfen und ihnen mißtrauen. Von dem allerdings großen Heere der direkten und indirekten Nutznießer des gestürtzten Systems abgesehen, […] abgesehen auch von einem wesentlichen Teile, der seit 1933 herangewachsenen, schamlos irregeleiteten Jugend, ist die Mehrheit des Volkes in Wahrheit nie faschistisch gewesen“ (S. 250). Damit übt Roßmann indirekt Kritik am Vorgehen der Alliierten, die er sogar noch zu verstärken sucht: „Im ganzen gesehen fühlten sich […] die deutschen Menschen vom Nationalsozialismus vergewaltigt und unterdrückt. […] Gewiß, Leid ist notwendig als Folge von Schuld, die gesühnt werden muß. Aber Leid ist nicht ewig, es muß durch den magischen Akt der Liebe getilgt werden“ (S. 251). Damit offeriert Roßmann den Lesern nicht nur eine versöhnende Haltung, sondern entlastet sie zum Teil von einer möglichen Kollektivschuld.


Biografie

Erich Roßmann (geb. 10.01.1884 in Pößneck, gest. 29.09.1953 in Meran) wurde als jüngstes von sieben Kindern einer Arbeiterfamilie geboren und verbrachte seine ersten Lebensjahre in Pößneck. Dort beendete er 1902 seine kaufmännische Lehre und trat anschließend der Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) bei. Von 1904 bis 1915 wirkte er als Redakteur bei der „Schwäbischen Tagewacht“ sowie als Chefredakteur bei der „Donau-Wacht“ in Ulm. Nach seinem Kriegsdienst übernahm Roßmann 1918 die Position eines Referenten im Reichsausschuss der Kriegsbeschädigten-Fürsorge und wurde Regierungsrat im Reichsarbeitsministerium. 1920 begleitete er das Amt des Direktors des Hauptversorgungsamtes Stuttgart und war vom selben Jahr an bis 1933 Landesvorsitzender der Sozialdemokratischen Partei in Württemberg und zudem von 1924 bis 1933 Mitglied des Deutschen Reichstages. Durch den Erlass des Reichsarbeitsministers vom 8. März 1933 wurde Roßmann „aus politischen Gründen in den einstweiligen Ruhestand versetzt“ (Schumacher 1994, S. 1269). Während einer Haussuchung wurde die Bibliothek Roßmanns beschlagnahmt. Am 26. Juni 1933 – in seinem Buch „Ein Leben für Sozialismus und Demokratie“ gibt Roßmann irrtümlich den 23. Juni an – wurde er erstmalig verhaftet und über das Polizeigefängnis Stuttgart in das Konzentrationslager Heuberg überführt. Von dort wurde er im Oktober 1933 in das Militärgefängnis nach Ulm verschleppt und schließlich Ende Oktober entlassen.

Nach seiner Entlassung kehrte Roßmann zunächst zu seiner Familie nach Stuttgart zurück, bevor er gegen Ende des Jahres 1933 seinen Wohnsitz nach Berlin verlegte und dort bis 1944 als selbstständiger Kaufmann Makler und Hausverwalter tätig war. Während dieser Zeit stand er unter Polizeiaufsicht. Aufgrund der Geschehnisse des 20. Juli 1944 tauchte Roßmann vorübergehend in Süddeutschland unter. Jedoch wurde er im Zusammenhang mit der ‚Sonderaktion Gewitter‘ am 22. August 1944 – auch hier gibt Roßmann in seinem Buch „Ein Leben für Sozialismus und Demokratie“ irrtümlich mit dem 25. August ein anderes Datum an – erneut verhaftet und bis zum 23. Oktober 1944 zunächst im Polizeigefängnis Berlin-Alexanderplatz, und schließlich im KZ Sachsenhausen interniert. Nach seiner erneuten Freilassung kehrte Roßmann zwar nach Berlin zurück, aber aus Angst vor einer weiteren Verhaftung tauchte er gegen Kriegsende unter. In dieser Zeit verfasste er seine Publikation „Ein Leben für Sozialismus und Demokratie“, die 1946 im Rainer Wunderlich Verlag erschien.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war Roßmann bis 1948 Generalsekretär des Länderrates der amerikanischen Besatzungszone und von 1948 bis 1949 Generalsekretär der Europa-Union sowie Intendant bei Radio Stuttgart. Anschließend war er bis 1951 Vorsitzender der Einigungskommission vom Reichsbund und dem Verband der Kriegsbeschädigten, Kriegshinterbliebenen und Sozialrentner Deutschlands e.V. Das Bundesarchiv in Koblenz verwaltet seinen Nachlass.

Quellen:

  • „Nachlass Erich Roßmann“. In: Bundesarchiv Koblenz, Signatur N 1011.
  • o.A.: „Roßmann, Erich“. In: Killy, Walther und Rudolf Vierhaus (Hg.): Deutsche Biographische Enzyklopädie. Bd. 8. München 1995, S. 406.
  • o.A.: „Roßmann, Erich“. In: Schumacher, Martin (Hg.): M.d.R. Die Reichstagsabgeordneten der Weimarer Republik in der Zeit des Nationalsozialismus. Politische Verfolgung, Emigration und Ausbürgerung 1933-1945. Eine biographische Dokumentation. 3. Auflage. Düsseldorf 1994, S. 1268f.
  • Raberg, Frank: „Rossmann, Hermann Erich“. In: Neue Deutsche Biographie. Online: www.deutsche-biographie.de/ppn116632771.html (Stand: 11.09.2019).


Werkgeschichte

Roßmann tauchte gegen Kriegsende aus Angst vor einer erneuten Verhaftung unter und verfasste in dieser Zeit das Manuskript zu seiner späteren Veröffentlichung „Ein Leben für Sozialismus und Demokratie“. Allerdings trug das ursprüngliche Manuskript noch den Titel „Die ersten und letzten Tage des Dritten Reichs“, das nach Roßmanns Selbstaussage „als Tagebuchersatz für die Zeit v[om] 20.7.44 bis zur bedingungslosen Kapitulation“ gelten könne und „viele Einzelheiten [beinhalte], die in dem später im Rainer Wunderlich Verlag erschienenen Werk […] fortgelassen worden sind“ (beide Zitate BArch N 1011/fol. IV, Bl. 2). Offenbar kam zunächst – vielleicht auch noch neben anderen – als potentielles Verlagshaus der Vorwärts-Verlag für die Publikation des Roßmannʼschen Werks in Betracht. Allerdings wurde „Ein Leben für Sozialismus und Demokratie“ schließlich in der ersten Hälfte des Jahres 1946 im Auftrag des Tübinger Rainer Wunderlich Verlags in den Satz gegeben.

Wie viele frühe Texte der Holocaust- und Lagerliteratur litt Roßmanns Werk jedoch auch unter den prekären Produktionsverhältnissen, insbesondere unter der extremen Papierknappheit der Nachkriegszeit. So wandte sich der Autor am 22. Mai 1946 an seinen Verlag und beklagte, dass „[d]as Manuskript schon vor einem Jahr geschrieben“ worden sei und es an Aktualität verliere, „wenn das Erscheinen des Buches sich noch länger“ (beide Zitate o.S.) verzögern würde. Obwohl in der Erstauflage als Publikationstermin Oktober 1946 angegeben ist, wurden die ersten Exemplare erst Ende Januar 1947 von der Buchbinderei ausgeliefert. In einem weiteren Schreiben Roßmanns vom 28. Dezember 1946 an den Rainer Wunderlich Verlag heißt es daher: „Mein Buch sollte bereits vor Weihnachten erscheinen. Darf ich um Angabe der Gründe bitten, die das unmöglich gemacht haben?“ (o.S.)

Roßmann äußert sich in seinen Schreiben zudem zu der erhofften Funktion seiner Veröffentlichung. So heißt es beispielsweise in einem Brief an William F. Sollmann vom 25. Oktober 1946, dass Roßmann in seinem Tagebuch geschildert habe, wie „unser Deutschland nach diesem Krieg“ aussehe und „welche Gefühle [ihn] angesichts dieser beispiellosen Tragödie bewegten“ (beide Zitate o.S.). „In dem in aller Kürze aus meiner Feder erscheinenden Buche ‚Ein Leben für Sozialismus und Demokratie‘“, so fährt Roßmann fort, „werden Sie weitere Gedankengänge entwickelt sehen, mit denen der Wunsch gemacht wird, das Ungeheuerliche zu deuten“ (beide Zitate ebd.). Darüber hinaus hält Roßmann fest, dass die Lektüre Goethes für ihn „während der Nazi-Zeit eine angenehme Ablenkung war“ (ebd.) und liefert damit eine mögliche Erklärung für die etlichen Verweise auf und Zitate aus den Werken Goethes.

Roßmanns Buch verkaufte sich offenbar gut, da eine zweite Auflage geplant wurde. Roßmann wollte diese Neuauflage, die „wahrscheinlich im Laufe ds. Js.“ erscheinen sollte, „[a]uf Wunsch zahlreicher Leser und [seines] Verlegers“ jedoch „etwas erweitern und insbesondere hinsichtlich [seiner] persönlichen Entwicklung ergänzen“ (alle Zitate o.S.). Aber auch die Tatsache, dass „Ein Leben für Sozialismus und Demokratie“ vergriffen war, trug sicherlich zur Planung einer zweiten Auflage bei, denn in einem Schreiben vom 9. April 1948 an die Redaktion der „Sozialistischen Monatshefte“ hielt Roßmann fest, dass „das Buch an sich ausverkauft“ (o.S.) sei. Offenbar wurde diese Absicht jedoch nicht umgesetzt, da eine weitere Auflage des Werks nicht ermittelt werden konnte.

In der Zuschrift an die „Sozialistischen Monatshefte“ machte Roßmann allerdings auch seinem Unmut Luft, dass die Zeitschrift bisher noch keine Rezension über sein Werk publiziert habe: „Da die ‚Sozialistischen Monatshefte‘ nicht regelmäßig in meine Hände gelangt sind, kann ich nicht mit Sicherheit kontrollieren, ob dort jemals mein im Verlag Rainer Wunderlich erschienenes Buch […] Erwähnung gefunden hat. Nach den Feststellungen meiner Mitarbeiterin ist ein Beleg-Exemplar für diesen Zweck an das Sekretariat der Partei vor einiger Zeit übermittelt worden. […] Nachdem in etwa 100 Zeitungen des In- und Auslandes die Arbeit erwähnt und besprochen worden ist, fällt es mir natürlich auf, daß die ‚Sozialistischen Monatshefte‘ keine Notiz genommen haben“ (ebd.). Roßmann selbst sorgte offenbar dafür, dass sein Werk zumindest in seinem Bekannten- und Freundeskreis Verbreitung fand. So geht aus unterschiedlichen Schreiben hervor, dass er seine Publikation an andere weitergab.

Obwohl Roßmann in seinem Schreiben an die „Sozialistischen Monatshefte“ deutlich macht, dass sein Werk in zahlreichen Zeitungen des In- und Auslands berücksichtigt wurde, konnten in den einschlägigen Publikationsorganen der Literaturkritik in der Nachkriegszeit, wie etwa „Welt und Wort“, keine Buchbesprechungen ermittelt werden. Allerdings wurde in der Zeitschrift „La otra Alemania“ eine Rezension aus dem Jahr 1948 über das Roßmannʼsche Werk veröffentlicht, die sowohl Kritik an der Publikation übte, als auch manche Aspekte positiv hervorhob. So heißt es darin zum einen, dass „[b]ei aller Anerkennung der subjektiven Ehrlichkeit und des besten Wollens des Verfassers“ festgestellt werden müsse, „dass seine Erklärungsversuche der Ursachen, die zur Katastrophe führten, unzureichend und oberflächlich“ (beide Zitate S. 14) seien. Ferner sei Roßmann „der typische Vertreter einer sozialdemokratischen Führerschicht, die, ernst und solid in der Kleinarbeit, den Blick für grosse Zusammenhänge verloren“ (ebd.) hätte und noch immer „in den Kategorien denkt, die für die Jahrhundertwende immerhin verständlich sein mochten“ (beide Zitate ebd.). Allerdings solle damit nicht der Wert des „Buches als Beitrag zur Aufklärung und Umschaltung breiter deutscher Volksteile, vor allem der in Unwissenheit gehaltenen Jugend, […] in Abrede gestellt werden“ (ebd.). Denn besonders die Erlebnisse Roßmanns aus den Konzentrationslagern, obwohl diese „nicht einmal [zu] den schlimmsten“ zählten, seien „geeignet, die teuflische Fratze der verflossenen braunen Machthaber über Tod und Leben erkennen zu lassen“ (beide Zitate ebd.).

Das Werk von Roßmann wurde jedoch nicht nur als Buchlektüre und im Rahmen von Buchbesprechungen wahrgenommen, sondern es wurde als Zeugnis im wahrsten Sinne des Wortes benutzt. Bezugnehmend auf die Veröffentlichung des Autors wandte sich am 16. März 1949 die Zentralspruchkammer Nord-Württemberg (Ludwigsburg) im Zusammenhang mit dem Verfahren gegen einen ehemaligen Wachmann des Konzentrationslagers Heuberg an Roßmann, der in seiner Publikation eine von dem Beschuldigten verübte Misshandlung an einem jüdischen Opfer schildert. In seiner Antwort vom 22. März 1949 hielt Roßmann fest, dass „[d]ie Schilderung, die von ihm in meinem Buch […] gegeben ist“, der vollen Wahrheit entspreche und er bereit sei, „sie unter Umständen auf meinen Eid zu nehmen“ (beide Zitate o.S.). Aber auch schon zwei Jahre zuvor, im Mai 1947, wurde Roßmann selbst aktiv und empfahl sich schriftlich – mit Verweis auf seine Veröffentlichung – als Zeuge in einem Verfahren, das von der Spruchkammer in Ellwangen gegen den ehemaligen Lagerkommandanten Kauffmann des KZ Heuberg geführt wurde. Roßmann schrieb: „Zur Verwertung in diesem Spruchkammerverfahren gebe ich nachstehend einen Auszug aus meinem Buch“ („Schreiben Erich Roßmann an die Spruchkammer in Ellwangen vom 10.05.1947“, o.S.). „Der Auszug enthält aber nicht alle Tatbestände“, so Roßmann weiter, „die man Kauffmann zu Last legen“ (beide Zitate ebd.) müsse. Daher empfahl Roßmann seine „Ladung als Zeuge zu veranlassen“ (ebd.). Ob Roßmann in beiden Verfahren auch tatsächlich aussagte, ist bisher noch offen.

Quellen:

  • o.A.: „Erich Rossmann, Ein Leben für Sozialismus und Demokratie“. In: La otra Alemania (1948), H. 158, S. 14.
  • „Schreiben Erich Roßmann an Adolf Wuschnick, ohne Datum“. In: Bundesarchiv Koblenz, Nachlass Erich Roßmann, Signatur N 1011, Lfd. 17, Bd. 9, Bl. 301.
  • „Schreiben Erich Roßmann an den Rainer Wunderlich Verlag vom 22.05.1946“. In: Stadtarchiv Reutlingen, Nachlass Hermann Leins/Rainer Wunderlich Verlag, Lfd. Nr. 954, Aktenzeichen 615.
  • „Schreiben Erich Roßmann an den Rainer Wunderlich Verlag vom 28.12.1946“. In: Stadtarchiv Reutlingen, Nachlass Hermann Leins/Rainer Wunderlich Verlag, Lfd. Nr. 954, Aktenzeichen 607.
  • „Schreiben Erich Roßmann an die Sozialistischen Monatshefte vom 09.04.1948“. In: Bundesarchiv Koblenz, Nachlass Erich Roßmann, Signatur N 1011, Lfd. 16, Bd. 8, Bl. 198.
  • „Schreiben Erich Roßmann an die Spruchkammer in Ellwangen vom 10.05.1947“. In: Bundesarchiv Koblenz, Nachlass Erich Roßmann, Lfd. 16, Bd. 8, Bl. 323.
  • „Schreiben Erich Roßmann an die Zentralspruchkammer Nord-Württemberg vom 22.03.1949“. In: Bundesarchiv Koblenz, Nachlass Erich Roßmann, Signatur N 1011, Lfd. 19, Bd. 2, Bl. 59.
  • „Schreiben Rainer Wunderlich Verlag an Erich Roßmann vom 03.07.1946“. In: Stadtarchiv Reutlingen, Nachlass Hermann Leins/Rainer Wunderlich Verlag, Lfd. Nr. 954, Aktenzeichen 610.
  • „Schreiben Schöpflin an Erich Roßmann vom 19.06.1946“. In: Bundesarchiv Koblenz, Nachlass Erich Roßmann, Signatur N 1011, Lfd. 14, Bd. 5, Bl. 272.
  • „Schreiben der Zentralspruchkammer Nord-Württemberg (Ludwigsburg) an Erich Rossmann vom 16.03.1949“. In: Bundesarchiv Koblenz, Nachlass Erich Roßmann, Lfd. 19, Bd. 2, Bl. 60.



Bearbeitet von: Anika Binsch