Freiheitskämpfer der Jugend Helmuth Hübener (1948)

Aus Frühe Texte der Holocaust- und Lagerliteratur 1933 bis 1949
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Angaben zum Werk

Titel Freiheitskämpfer der Jugend Helmuth Hübener

Genre Sonstige

Ausgaben des Werks

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Ausgabe von 1948
Titel Freiheitskämpfer der Jugend Helmuth Hübener
Untertitel Vorbild, Opfer, Verpflichtung

Erscheinungsort
Erscheinungsjahr 1948

Verlegt von Richard Hermes Verlag

Umfang 19 Seiten
Abbildungen 1 Fotografie „Der Kern der Hübener-Gruppe“

Bibliotheksnachweise UBGI-icon.gif UB Gießen (Print-dnb-icon.gif gedruckte Ausgabe)
UBGI-icon.gif UB Gießen (Online-dnb-icon.gif elektronische Ausgabe)
DNB-icon.gif Deutsche Nationalbibliothek (Print-dnb-icon.gif gedruckte Ausgabe)


Zusammenfassung

Bei der Publikation handelt es sich um die Wiedergabe der Urteilsbegründung gegen den Hamburger Jugendlichen Helmuth Hübener und dreier weiterer junger Männer, die 1942 für ihre Aktivitäten im Widerstand zu harten Strafen verurteilt wurden. Der Urteilsbegründung ist ein Vorwort des Journalisten Franz Ahrens, einem Mitarbeiter im Komitee ehemaliger politischer Häftlinge Hamburgs, vorangestellt, welcher sich bis zu ihrem Verbot in der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) engagierte. Er erklärt, dass man die Akten im Volksgerichtshof Berlin gefunden habe und sie es wert seien, dem gesamten deutschen Volk zur Kenntnisnahme vorgelegt zu werden. Trotz aller Verlockungen gehe es den Herausgebern jedoch nicht darum, „ein Heldenepos daraus zu gestalten“ (S. 6). Vielmehr soll statt der Stilisierung eines heldenhaften Widerstandskämpfers „dieses Urteil selbst in seiner ganzen Nüchternheit sprechen“ (ebd.). Auf diese Weise soll die Wahrheit bekannt gemacht werden, welche davon zeugt, dass es auch Widerstandskraft in der Jugend gab. Dies solle, so Ahrens, die Auseinandersetzung mit der Frage fördern, was während des Nationalsozialismus im Namen des Volkes geschah, und dazu anregen, „daraus die Lehre“ (S. 5) zu ziehen.

Aus den Gerichtsakten geht hervor, dass Helmuth Hübener, Rudolf Wobbe und Karl Schnibbe, die alle der Glaubensgemeinschaft der „Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage“ angehören, sowie Jacob Düwer, ein Arbeitskollege Hübeners, wegen des Vorwurfs der Vorbereitung zum Hochverrat im Sommer 1942 vor Gericht stehen. Der siebzehnjährige Hübener, Lehrling im gehobenen Verwaltungsdienst, hatte, so die Anklage, im März 1941 begonnen, sogenannte Feindsender aus London abzuhören und den Inhalt in Form von neun verschiedenen eigens angefertigten Flugzetteln aufzubereiten, die er auf der Schreibmaschine seiner Kirchengemeinde abfasste. Anschließend soll er diese an seine beiden Glaubensbrüder und Freunde und auch an einen Arbeitskollegen weitergegeben haben. Insgesamt soll Hübener zusammen mit den Mitangeklagten rund 60 Flugblätter hergestellt und verbreitet haben. Das Gericht befindet, sie enthielten allesamt „außer den englischen Meldungen über die Kriegslage gemeine Beschimpfungen und Verdächtigungen des Führers und seiner Mitarbeiter, hetzerische Angriffe gegen die Maßnahmen und Einrichtungen der nationalsozialistischen Staatsführung sowie die Aufforderung, durch den Sturz des Führers das Kriegsende herbeizuführen“ (S. 10). Der Inhalt derjenigen Schriften, die das Gericht beschlagnahmt hat, wird genauestens aufgelistet.

Eine Denunziation durch einen Kollegen führt schließlich im Februar 1942 zur Verhaftung der Gruppe. Das Gericht verurteilt Rudolf Wobbe zu zehn Jahren Gefängnis, Karl Schnibbe zu fünf und Jacob Düwer zu vier Jahren Haft, allen ist das Abhören eines Auslandssenders und die Verbreitung der empfangenen Rundfunknachrichten nachgewiesen worden, womit sie gegen die Rundfunkverordnung verstoßen haben. Helmuth Hübener wird darüber hinaus die Vorbereitung zum Hochverrat und landesverräterische Feindbegünstigung vorgeworfen. Aus der Urteilsbegründung geht hervor, dass man in Hübeners Fall eine Verurteilung nach Erwachsenenstrafrecht anstrebt. Es werden alle Voraussetzungen hierfür als gegeben erachtet: Der Täter ist über 16 Jahre alt, die Art der Tat macht den besonderen Schutz des Volkes erforderlich. Darüber, dass auch die dritte Voraussetzung erfüllt ist, nämlich, dass der Täter die sittliche und geistige Entwicklung eines Erwachsenen besitzt, kann sich der Senat, so die Akte, ein Bild machen, „[o]hne daß es notwendig gewesen wäre, einen Gutachter beizuziehen“ (S. 16), da die Ereignisse noch nicht lange zurück liegen. Zur Feststellung der überdurchschnittlichen sittlichen Reife genügt dem Gericht ein Aufsatz, den Hübener, der wie seine Mitangeklagten bei der Hitlerjugend war, im Alter von 15 Jahren verfasst hat. Zur Beurteilung seiner kognitiven Fähigkeiten stellt man Beobachtungen über dessen Verhalten im Gericht an und zieht den Inhalt der Flugschriften hinzu, von welchen „niemand [...] [vermuten würde], daß sie von einem erst 16- und 17jährigen Jungen verfaßt worden sind“ (S. 17). Helmuth Hübener wird vom Volksgerichtshof zum Tode und zum Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte auf Lebenszeit verurteilt.

Franz Ahrens kommt im Nachwort zu dem Schluss, dass „[g]ewiß, erfahrene politische Kämpfer des deutschen Widerstandes [...] anders vor[gegangen wären]“ (S. 19), da sie mit den Regeln des konspirativen Kampfes vertraut gewesen seien und es „ihren Feinden nicht so leicht [machten], sie zu vernichten“. Da jedoch Helmuth Hübener „[a]leine auf sich gestellt – ohne Führung und Beratung Erwachsener“ gehandelt habe, weil er wusste „daß um Deutschland gegen Deutschland gekämpft werden mußte“ (alle Zitate ebd.), sei er auch schon zum Zeitpunkt seiner Hinrichtung ein Held gewesen. Ahrens ist jedoch davon überzeugt, dass in der Zukunft die Zeit kommen wird, „mit unserer Jugend von echtem Heldentum zu reden“, und eben dann „auch der Name Helmuth Hübener genannt werden [muss], eines Hamburger Jugendlichen, der in den Tod gehen mußte, weil er um das Leben kämpfen wollte“ (beide Zitate ebd.).





Bearbeitet von: Julia Richter