Hakenkreuz gegen Christuskreuz (1939)

Aus Frühe Texte der Holocaust- und Lagerliteratur 1933 bis 1949
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Angaben zum Werk

Titel Hakenkreuz gegen Christuskreuz
Autor Anonym
Genre Sonstige

Ausgaben des Werks

Ausgabe von 1939, Straßburg
Titel Hakenkreuz gegen Christuskreuz

Erscheinungsort Straßburg
Erscheinungsjahr 1939

Verlegt von Centre de Documentation
Gedruckt von Imprimerie Spéciale du Centre de Documentation
Publiziert von Anonym

Umfang 24 Seiten

Bibliotheksnachweise UBGI-icon.gif UB Gießen (Print-dnb-icon.gif gedruckte Ausgabe)
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DNB-icon.gif Deutsche Nationalbibliothek (Online-dnb-icon.gif elektronische Ausgabe)


Zusammenfassung

Die anonym herausgegebene, schmale Broschüre thematisiert die Position der katholischen Kirche im nationalsozialistischen Deutschland bis 1939. Die zunächst noch existierende Übereinstimmung zwischen Kirche und Politik entwickelte sich zu einem entschiedenen Gegensatz, der in der Verfolgung der deutschen Christen eskaliere, so der Verfasser. Die Schrift dokumentiert die Lebens- und Glaubensbedingungen der Katholiken in Deutschland, legt die nationalsozialistischen Motive für die Verfolgung dar und warnt vor den Gefahren.

Strukturiert stellt der Verfasser die Situation in Deutschland dar: Bereits in der „Blutnacht“ (S. 3) vom 30. Juni 1934 werden während des sogenannten Röhm-Putschs auch führende Katholiken wie Erich Klausener ermordet. Demnach, so die Argumentation, stehe der deutsche Katholizismus spätestens ab diesem Zeitpunkt im „Kulturkampf“ (S. 5) mit dem Nationalsozialismus. Zwar habe es zunächst durchaus Absprachen zwischen dem Vatikan und der nationalsozialistischen Regierung gegeben – wie das Konkordat vom 8. Juli 1933 belegt – und unter den deutschen Katholiken habe noch 1933 ein „gute[r] Will[e]“ (S. 5) gegenüber den neuen Machthabern bestanden. Jedoch seien die Katholiken mit der Zeit in offene Gegnerschaft zur NS-Herrschaft getreten, sogar zu „Staatsfeind[en]“ (S. 4) geworden. Nur ein kleiner Teil der Christen – vorwiegend der evangelische, so der Verfasser – habe sich dem Nationalsozialismus untergeordnet und verbreite antisemitische Thesen von Juden als den Mördern Christus. Der Autor distanziert sich davon: „Christus [wird] als Eideshelfer für den trivialen, unmenschlichen und von niedrigsten Instinkten beherrschten Judenhass in Anspruch genommen“ (S. 8).

Die Eindämmung des katholischen Einflusses auf die deutsche Bevölkerung habe an mehreren Stellen angesetzt: Zunächst werden die politischen Vertretungen der Katholiken wie die Zentrums-Partei und die katholische Presse verboten, dann wird der Religionsunterricht in den Schulen abgeschafft, um die Verbreitung der Glaubensgrundsätze einzuschränken. Des Weiteren wird der katholische Glaube als veraltete Irrlehre dargestellt und die Bibelgeschichten durch nordische Mythen ersetzt. Das Leben ohne christliche Religion wird in der NS-Presse als überlegene Haltung geschildert und Gläubige werden unter Druck gesetzt, sich von der Kirche abzuwenden. Das Vorgehen des Nationalsozialismus gegen die katholische Kirche sei allerdings auch ein „Kampf gegen die Religion als solche;“ (S. 9, Hervorhebung im Original) und das Schicksal der Juden und der gläubigen Christen sei vergleichbar: „Den Juden hat man kurzer Hand die Synagogen verbrannt und zerstört, die heiligen Schriften vernichtet, die Thora zum Spott gemacht. Bisher hat man die katholischen und evangelischen Kirchen noch verschont. Aber – zu dieser Frage ist man berechtigt – wann werden auch sie an die Reihe kommen?“ (ebd., Hervorhebungen im Original) Die Pogrome an den Juden seien ein Zeichen dafür, welche Gefahren auch den Christen drohen. Der Verfasser entwirft ein Schreckensbild: „Die Gefängnisse und die Konzentrationslager werden überfüllt sein, die Kirchen leer stehen“ (S. 22). Das grundsätzliche Ziel der NSDAP sei dabei „  d i e   V e r d r ä n g u n g   d e r   r e l i g i ö s e n   B e k e n n t n i s s e   u n d   i h r e   E r s e t z u n g   d u r c h   d i e   p s e u d o r e l i g i ö s e   n a t i o n a l s o z i a l i s t i s c h e   ‚W e l t a n s c h a u u n g‘“ (S. 9, Hervorhebung im Original). Hitler wolle, so die These der Broschüre, sich selbst zum Gott erklären und könne daher keine anderen Glaubensbekenntnisse dulden. Zudem stelle der Glaube eine Verbindung zu alten Traditionen her, die der Nationalsozialismus auflösen müsse, um seinem „Totalitätsanspruch“ (S. 10) entsprechen zu können: „Dieser Totalitätsanspruch duldet keinerlei geistige oder geistliche Autorität neben der des Staates und der Partei. Er duldet nicht einmal eine geistige Beeinflussung des werdenden jungen Menschen ausser jener, die von der Partei ausgeht, keine religiöse, keine sittliche, woher sie auch komme“ (ebd.). So entsteht für den Autor der Gegensatz von Gott als Vertreter des Friedens und Hitler als Personalisierung der Gewalt. Der Glaube sei schließlich das Gewissen, dem jeder einzelne Christ folgen müsse. Der Kampf gegen den Nationalsozialismus ergibt sich für den Autor daher als logische Konsequenz, „ein deutliches ‚Ja‘ zu Jesus und ‚Nein‘ an Hitler“ (S. 12, Hervorhebung im Original) sei erforderlich; der Kampf wird zur christlichen Verpflichtung. Daher müsse die Kirche – allen voran die Bekennende Kirche und Personen wie Martin Niemöller – in den Widerstand gegen den Nationalsozialismus treten. Dies vor allem auch deshalb, weil sich die Verfolgung von Christen nicht auf Deutschland beschränken werde: „Der Weltkulturkampf ist im Gange“ (S. 23). Doch am Ende betont der Verfasser die Siegesgewissheit nach einer „furchtbare[n] Zeit der Prüfung“ (S. 24): „Katholisches Christentum, das Christentum überhaupt wird am Ende doch triumphieren!“ (ebd., Hervorhebungen im Original)

Die zeitgeschichtliche Analyse wird durch verschiedene Materialien ergänzt, um die Aussagen zu unterstreichen. So zitiert die Broschüre bereits auf dem Cover ein Gebet Papst Pius XI., später folgen Berichte aus verschiedenen Zeitungen wie dem „Nationalsozialistischen Sonntagsblatt“, dem „Stürmer“ oder dem „Schwarzen Korps“, aus Alfred Rosenbergs „Der Mythus des 20. Jahrhunderts“ und Briefe verfolgter Christen sowie Zitate aus einer illegalen Broschüre eines Pfarrers der Bekennenden Kirche. Diese machen den Alltag in Deutschland nachvollziehbar und belegen die Verfolgung der Christen. Ein Hirtenbrief der deutschen Bischöfe von 1931 soll beweisen, dass bereits vor der Machtübernahme führende Teile der katholischen Kirche in Gegnerschaft zum Nationalsozialismus getreten sind.

Die aus heutiger Sicht umstrittene Position des Vatikans ist für den Autor der Broschüre eindeutig. So heißt es in einem dem eigentlichen Bericht vorangestellten Nachruf auf Papst Pius XI.: „Sein grosser Schmerz und seine grosse Sorge war das Auftauchen jener im stärksten Gegensatz zur christlichen Lehre stehenden Irrlehre vom Rassismus und die Verfolgungen, denen die deutschen Katholiken ausgesetzt sind“ (S. 2). Diese antinationalsozialistische Einstellung des Papstes wird in der Broschüre erneut aufgegriffen und unterstrichen. In vielen Enzykliken und Gesprächen habe er offen die Verfolgung der Katholiken in Deutschland angeprangert.

Sprachlich ist der Text sehr direkt und teilweise voller Pathos. Das Schriftbild ist von grafischen Hervorhebungen geprägt, so werden einzelne Passagen, oft auch nur einzelne Sätze oder Worte in unterschiedlichen Schriftgrößen hervorgehoben, manche Absätze sind eingerückt oder fett gedruckt.

Werkgeschichte

Das Centre de Documentation, heute bekannt als „Médiathèque protestante de Strasbourg“, ist eine jahrhundertealte evangelische Institution. Wie es dazu kam, dass der sehr katholisch geprägte Text dort veröffentlicht wurde, ist leider nicht bekannt. Fest steht allerdings, dass die Broschüre im Februar 1939, also noch vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, gedruckt wurde, um die „religionsfeindliche Einstellung des Dritten Reichs […] dokumentarisch“ (S. 19) zu belegen.

Quelle:

  • o.A.: Hakenkreuz gegen Christuskreuz. Straßburg 1939.



Bearbeitet von: Christiane Weber