Ich aber habe leben müssen (1946)

Aus Frühe Texte der Holocaust- und Lagerliteratur 1933 bis 1949
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Angaben zum Werk

Titel Ich aber habe leben müssen
Autor Kopp, Guido (1896-1971)
Genre Erinnerungsbericht

Ausgaben des Werks

Ausgabe von 1946, Salzburg
Titel Ich aber habe leben müssen
Untertitel Die Passion eines Menschen des 20. Jahrhunderts

Erscheinungsort Salzburg
Erscheinungsjahr 1946

Verlegt von Ried-Verlag
Gedruckt von R. Kiesel
Publiziert von Kopp, Guido (1896-1971)
Umschlaggestaltung von Fojtik, R.

Umfang 372 S.

Lizenz Genehmigungs-Nr. 164 der Nachrichtenkontrolle der Militärregierung

Bibliotheksnachweise UBGI-icon.gif UB Gießen (Print-dnb-icon.gif gedruckte Ausgabe)
DNB-icon.gif Deutsche Nationalbibliothek (Print-dnb-icon.gif gedruckte Ausgabe)


Zusammenfassung

In seinem Erinnerungsbericht schildert Guido Kopp vor allem seine insgesamt 36 Monate andauernde Bunkerhaft, zunächst im KZ Dachau von Mai 1937 bis September 1939, dann im KZ Buchenwald von September 1939 bis zum 5. April 1940. Kopp erzählt weitestgehend chronologisch und in Vergangenheitsform. Er beschreibt detailliert die Schikanen, die Folter und Grausamkeiten der SS-Wachleute, aber auch seine Gedanken und Überlegungen während der langen Zeit in Einzel- und Dunkelhaft. Im Vorwort vom 25. August 1945 richtet er sich direkt an den Leser und fordert diesen auf, das Buch aufmerksam zu lesen, „und wenn ihr dabei auch zittert, ihr könnt auch weinen, das schadet auch nichts“ (S. 9f.).

Kopps sehr eigenwilliger Erzählstil ist geprägt durch den häufigen Gebrauch der direkten Rede und von Ausrufezeichen am Satzende, um das Erzählte unmittelbar und eindrücklich wirken zu lassen. Immer wieder stellt er Fragen, die er im nächsten Satz selbst beantwortet. Hin und wieder erscheinen die geschilderten Gedanken wie aus einem Fieberwahn oder Traum entstanden. Sein Wortgebrauch ist stellenweise grob und unflätig. Seine Abscheu und Verachtung für die Nationalsozialisten, allen voran die SS, drückt er mit deutlichen Worten aus. An einigen Stellen lassen diese auch eine homophobe Haltung erkennen. So sind die Nationalsozialisten eine „Bande von Homosexuellen, Sadisten und Desperados, die nichts als ihr eigenes Ich zum Gott erwählt“ (S. 172) haben. Sie sind ein „Sammelsurium von geschlechtlich Verirrten, die doch schon von Natur aus anormal, vor denen man bis anher die Menschheit schützte.“ (S. 172)

Kopp beginnt seine Schilderungen mit seiner Auslieferung an die Gestapo München durch die Polizeidirektion in Salzburg. Von München wird er als politischer Häftling in das KZ Dachau überstellt, wo er insgesamt 28 Monate im Bunker inhaftiert ist, davon zehn Wochen unter schrecklichsten Bedingungen in Dunkelhaft. Neben schweren körperlichen Misshandlungen wird er wiederholt mit tage- und wochenlangem Nahrungsentzug bestraft. Auch im KZ Buchenwald ist er mehrere Monate im Bunker eingesperrt, am 5. April 1940 kann er diesen verlassen.

Wiederholt thematisiert wird der Grund für die zahlreichen Folterungen und Verhöre: Kopps vermeintliche Beziehung zu einem gewissen Kommunisten Beumler. Diesem war es gelungen, aus dem Bunker des KZ Dachau zu entkommen und nach Spanien zu fliehen. Kopp, der am Spanischen Bürgerkrieg teilgenommen hatte, war ihm dort kurz begegnet. Von Kopp möchte die SS erfahren, wie Beumler die Flucht aus dem Bunker gelingen konnte. Er beruft sich jedoch darauf, dass er diesen zwar in Spanien getroffen habe, dieser aber nichts zu seiner Flucht gesagt habe und kurz darauf gefallen sei. Mehrfach erwähnt er in seinem Bericht zudem, dass er als Vorsitzender des Soldatenrats den Vater von Hermann Göring verhaftet habe.

Kopp, der in Dachau die Häftlingsnummer 7350 trägt, schwankt ständig zwischen der Sehnsucht, von seinem Leiden durch den Tod erlöst zu werden, und dem dringenden Wunsch zu überleben, um der Welt erzählen zu können, was er in den Lagern und besonders während der langen Bunkerhaft erleiden musste. Er zieht Befriedigung aus der Tatsache, dass er Hitler und den Nationalsozialismus schon früh als Unheil erkannt hat. Auch daraus speist sich sein Überlebenswille. „Und dann triumphieren, daß ich die Wahrheit gesagt, daß ich die Erkenntnis besessen, schon damals, daß Hitler ein Narr und die anderen ohne Verstand gewesen“ (S. 201).

Eine besondere Rolle kommt dem ehemaligen Sicherheitsdirektor von Salzburg, Bechinie, zu. Kopp beschuldigt diesen, ihn 1937 an die Gestapo ausgeliefert zu haben. Dies bewahrheitet sich, als Bechinie zum Jahreswechsel 1939/40 in die Bunkerzelle von Kopp verlegt wird und ihm bestätigt, ihn im Austausch gegen einen anderen Gefangenen der Gestapo übergeben zu haben. Kopp schildert, wie Bechinie schließlich krank und gebrochen aus dem Bunker entlassen wird. Kopp versorgt ihn bis zu dessen Weiterdeportation mit Essen und einer guten Verbindung zum Krankenrevier, damit er sich dort hin und wieder ausruhen kann. Denn er hat ihm verziehen, „allerdings nur mit Rücksicht darauf, daß Du hier genug erlebt hast und weil ich hoffe, daß Du etwas lernst“ (S. 359).

Immer wiederkehrendes Thema ist die starke und unerschütterliche Liebe zu seiner Frau. Es ist der Gedanke an sie und die Hoffnung sie wiederzusehen, die Kopp durchhalten lassen. Dennoch willigt er schweren Herzens in die Scheidung ein, als sie ihn per Brief darum bittet, um durch eine neue Heirat das Haus, das er mit eigenen Händen gebaut hat, halten zu können. Aber die Scheidung ändert offenbar wenig an seiner Liebe und Zuneigung. Auch danach erwähnt er sie häufig und macht sich Sorgen um ihr Wohlergehen. Noch 1945 widmet er seine Erinnerungen seiner „durch die SS-Banditen geschiedenen Frau Antonia, Anna, Maria Kopp“ (S. 5).


Biografie

Guido Kopp (geb. 17.03.1896 in Ruderting bei Passau, gest. 05.12.1971 in Salzburg) wurde als Sohn des Lehres Alois Kopp und dessen Frau Theresia geboren. Sein Geburtsdatum wird auf unterschiedlichen Dokumenten mit 17. März 1896 oder 27. März 1896 angegeben. Kopp selbst gab in seinem Bericht und auch auf dem Fragebogen für Insassen der Konzentrationslager 1945 den 17. März 1896 als Geburtsdatum an. Im Ersten Weltkrieg wurde Kopp zum Militär eingezogen, bei Kriegsende befand er sich in der Sanierungsanstalt in Rosenheim. Im November 1918 wurde er in Rosenheim zu einem der beiden Vorsitzenden des Arbeiter- und Soldatenrats gewählt, im Januar 1919 gründete Kopp die KPD-Ortsgruppe Rosenheim. Im April 1919 rief er nach Münchener Vorbild die Räteregierung für Rosenheim aus und setzte die Geiselnahme von 30 Rosenheimer wohlhabenden Bürgern durch. Die Räteherrschaft wurde jedoch durch die Bürger Rosenheims gestürzt und Kopp und andere Revolutionäre wurden festgenommen. Zwar wurde er zunächst durch die aus München anrückenden ‚Roten Garden‘ wieder befreit und zog sich nach Kolbermoor zurück. Dort wurde er jedoch Anfang Mai 1919 gefangengenommen und durch ein Feldgericht zum Tode verurteilt. Durch die Überstellung nach München entging Kopp dem Tod. Ein Münchener Standgericht wandelte die Strafe am 24. Juli 1919 in acht Jahre Festungshaft um, die er von 1919 bis 1927 im Zuchthaus Straubing verbüßt. Gleichzeitig wurden ihm die bürgerlichen Ehrenrechte für zehn Jahre aberkannt. Am 24. Juli 1927 wurde er entlassen. Eine Rückkehr nach Rosenheim verhinderte die Stadt durch die Ausweisung. Kopp hatte noch im Gefängnis einen Pass beantragt, um nach Russland zu gehen, was er dann jedoch nicht verwirklichte. Sein Verbleib bis 1929 ist weitgehend unklar. Ab 1929 lebte er in Österreich, wo er sich im Juni 1930 in Strasshof niederließ. Am 17. September 1932 heiratet Kopp Antonia Anna Maria Seliger, die am 17. April 1902 in Wien geboren wurde. Unklar ist, warum Kopp von April bis Juni 1934 zuerst im Bezirksgericht Matzen und dann im Anhaltelager Wöllersdorf interniert war. Nach seiner Entlassung wurde er aus dem Bundesgebiet Österreich ausgewiesen und lebte ab Herbst 1934 in der Tschechoslowakei. Auch hier wurde er Mitte 1936 ausgewiesen und wanderte dann nach Spanien aus, wo er am Spanischen Bürgerkrieg teilnahm. 1937 kehrte er zurück nach Österreich und wurde dort am 5. oder 15. Mai in Salzburg verhaftet. Kopp selbst gibt in seinem Buch den 5. Mai 1937 als Tag der Festnahme an, in einem Gestapo-Schreiben wird das Datum jedoch mit dem 15. Mai angegeben. Auch über die Art der Festnahme gibt es zwei Versionen. Kopp selbst berichtet, er sei von der Polizeidirektion in Salzburg verhaftet und an die Gestapo in München ausgeliefert worden. Die Gestapo dagegen schrieb, Kopp sei von der österreichischen Grenzbehörde festgenommen und dem Grenzkommissariat Freilassing in Schutzhaft überstellt worden. Nach sechs Wochen Untersuchungshaft bei der Gestapo München wurde er am 26. Juni 1937 in das KZ Dachau eingewiesen, wo er bis September 1939 blieb. 29 Monate verbrachte er dort in Bunkerhaft, davon 10 Monate in Dunkelhaft.

Am 27. September 1939 wurde er in das Konzentrationslager Buchenwald überstellt. Er trug die Häftlingsnummer 7350. Seine zweite Häftlingsnummer war die 12523 (Schreibstubenkarte, 1.1.5.3/6326763/ITS Digital Archive, Arolsen Archive). Auch in Buchenwald verbrachte er viele Monat in Bunkerhaft, bis er am 11. April 1945 von den amerikanischen Truppen befreit wurde. In Buchenwald war er mehrmals im Arbeitskommando „Strumpfstopfer“. Im Mai 1945 notierte er auf einem Fragebogen für Insassen der Konzentrationslager seine Nationalität mit „staatenlos“ und als Beruf Landwirt an. Er gab zudem an, als Antifaschist verhaftet worden und ohne Glaubenszugehörigkeit zu sein.

Im Juni 1945 ließ er sich vorübergehend in Salzburg nieder. Hier schrieb er die Erlebnisse seiner Haft in Dachau und Buchenwald in dem Buch „Ich aber habe leben müssen…. Die Passion eines Menschen des 20. Jahrhunderts“ nieder. Das Vorwort datiert vom 25. August 1945. 1946 verlegte er das Buch in dem für diesen Zweck gegründeten eigenen Ried-Verlag, den er bis 1957 betrieb.

Im Februar 1947 erlangte Kopp die österreichische Staatbürgerschaft. Ein langwieriges Entschädigungsverfahren wurde 1950 von der Salzburger Landesregierung zu Kopps Gunsten entschieden. Er erhielt für die sieben Jahre im Konzentrationslager eine Opferrente. 1953 war Kopp Vorstandsmitglied des Salzburger Landesfriedensrats, einem Zweigverein des Österreichischen Friedensrats. 1960 heiratet er zum zweiten Mal. Er lebte bis zu seinem Tod am 5. Dezember 1971 in Salzburg.

Quellen:


Werkgeschichte

Im Juni 1945 ließ sich Kopp vorübergehend in Salzburg nieder. Hier schrieb er die Erlebnisse seiner Haft in Dachau und Buchenwald in dem Buch „Ich aber habe leben müssen…. Die Passion eines Menschen des 20. Jahrhunderts“ nieder. Das Vorwort datiert vom 25. August 1945. 1946 verlegte er das Buch in dem eigens für diesen Zweck gegründeten eigenen Ried-Verlag, den er bis 1957 betrieb.

Quelle:

  • Kopp, Guido: Ich aber habe leben müssen. Salzburg 1946.



Bearbeitet von: Charlotte Kitzinger