Im Angesicht des Todes (1947)

Aus Frühe Texte der Holocaust- und Lagerliteratur 1933 bis 1949
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Angaben zum Werk

Titel Im Angesicht des Todes
Autor Altmann, Erich (1905-1940)
Genre Erinnerungsbericht

Ausgaben des Werks

Ausgabe von 1947, Luxemburg
Titel Im Angesicht des Todes
Untertitel 3 Jahre in deutschen Konzentrationslagern. Auschwitz – Buchenwald – Oranienburg

Erscheinungsort Luxemburg
Erscheinungsjahr 1947
Auflage 1

Verlegt von Verlag Luxemburgensia
Gedruckt von Imprimerie du Nord
Publiziert von Altmann, Erich (1905-1940)

Umfang 165 Seiten

Bibliotheksnachweise UBGI-icon.gif UB Gießen (Print-dnb-icon.gif gedruckte Ausgabe)
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DNB-icon.gif Deutsche Nationalbibliothek (Online-dnb-icon.gif elektronische Ausgabe)


Zusammenfassung

In seinem Erinnerungsbericht schildert Erich Altmann seine Erlebnisse als jüdischer Häftling in den Konzentrationslagern Auschwitz, Buchenwald und Oranienburg. Er wolle jedoch „kein Einzelschicksal, sondern das Schicksal aller Häftlinge“ (o.S.) darstellen, legt er im Vorwort vom Dezember 1945 dar. Nur die bloßen Tatsachen sollen dargestellt werden und alle angegebenen Namen entsprächen der Wahrheit, erläutert er weiter. Als Kriegsfreiwilliger in Frankreich wird Altmann entgegen der Zusicherung der französischen Behörden eines Tages verhaftet und an die Deutschen ausgeliefert. Der Autor schildert die verschiedenen Stationen seiner Haftzeit von Drancy – ein „Lager inmitten von Paris“ (S. 13) – über ein Judenlager der Reichsautobahn in Ottmuth bis zur Überstellung nach Trzebinia, einem noch gänzlich unvorbereiteten Lager der Reichsbahn. Hier müssen die Häftlinge für verschiedene Baufirmen arbeiten: Altmann wird der Firma C. Kleinert zugeteilt und muss an der Bahnstrecke von Trzebinia nach Krenau Eisenbahnschwellen abladen. Misshandlungen und ungenügende Ernährung sind die Regel. Hoch willkommen sind daher die Pakete mit Lebensmitteln, die jüdische Frauen aus dem zu diesem Zeitpunkt noch existierenden Getto Krenau auf ihrem Weg zur Arbeit in einer Gummifabrik täglich für die männlichen Arbeiter hinauswerfen. Altmann selbst kann bei einigen wenigen Besuchen zur Entlausung und bei einer Beerdigung das Getto besuchen. Bei diesen Gelegenheiten werden ihnen von allen Seiten Lebensmittel zugesteckt, es wird sogar ein „Sonderdienst“ (S. 50) organsiert, der den Häftlingen von Trzebinia regelmäßig Nahrungsmittel übergibt. Die Juden von Krenau verdienen ein Denkmal, da sind sich die Häftlinge einig: „Nie habe ich so tief und erschütternd empfunden, was Solidarität, was Hilfe in der Not bedeutet. Diese Menschen aus Krenau haben ihr Letztes für uns hergegeben. Ihr Geld, ihre Lebensmittel, ihre Kleidung“ (S. 51). Schon bald jedoch wird das Getto liquidiert und die Menschen unter anderem nach Auschwitz ‚ausgesiedelt‘.

Altmann nennt zahlreiche Betriebsleiter und Aufseher namentlich und beschreibt ihre jeweils bevorzugte Art, die Häftlinge zu quälen. Den Lagerführer Bergmann sowie die Oberwachtmeister Luboeinski und Kutschka stellt er in jeweils eigenen Kapiteln vor. Bergmann, ein 62-jähriger Schlosser aus Bremen, ist der Ansicht, man dürfe die Juden nicht verwöhnen und es sei „ein besonderer Akt von Patriotismus […], wenn er das Ernährungsniveau unter die zugebilligten Rationen senken konnte“ (S. 30). Luboeinski, ein 35-jähriger Berufspolizist aus Oberschlesien, sei „ein Tier in Menschengestalt“ (S. 33), urteilt Altmann: „Lag jemand erst einmal auf der Erde, dann traten seine benagelten Schaftstiefel in Aktion, und das ging solange, bis sein Opfer tot war“ (S. 34). Seine Spezialität sei es, seine Opfer mit der Schaufel auf den Schädel zu schlagen und mit den schweren Stiefeln in die Geschlechtsteile zu treten. Kutschka hingegen sei ein Mensch und schon fast ein Kamerad gewesen, so Altmann.

Der Autor beschreibt zudem den Alltag im Lager; insbesondere dem Verhältnis der männlichen Häftlinge zu den Frauen im Lager widmet er sich. Die Verrohung der abgestumpften Häftlinge wird durch diese abgemildert: „Und dieses Zärtlichkeitsbedürfnis war durch die Gegenwart der Frauen neu erwacht und war die einzige wirkende Kraft gegen die durch unsere Lebensbedingungen hervorgerufene eigene Vertiertheit“ (S. 54). Altmann wird schließlich zum Chef der Frauenbaracke ernannt, bis er im November 1943 nach Auschwitz-Birkenau überstellt wird. Hier entgeht er der Selektion in die Gaskammer. Er bekommt die Nummer 159923 auf den Unterarm tätowiert und wird zunächst im Quarantäneblock 9 untergebracht.

Altmanns Schilderungen wechseln zwischen der Vergangenheits- und Gegenwartsform. Den Alltag voller Schikanen und Hunger in Birkenau beschreibt er beispielsweise im Präsens. Als er als Steinsetzer ins tschechische Familienlager umziehen kann, bessern sich die Bedingungen etwas, dennoch bleibt die Ernährungs- und Hygienesituation prekär: „Kann man überhaupt verstehen, was es bedeutet, einen Schnupfen zu haben, ohne ein Taschentuch, Durchfall, ohne ein Stück Papier zu besitzen?“ (S. 71) Ende November meldet sich Altmann als Mechaniker für einen Einsatz im Arbeitslager und wird dem Kommando Siemens im D-Lager unter dem gewalttätigen Blockältesten Emil Bednarek zugeordnet. Krankheiten, Unterernährung, die Schikanen Bednareks sowie Selektionen dezimieren die Zahl der Häftlinge täglich. An Neujahr 1944 wird ein großes Konzert im Lager veranstaltet, „um das gemütliche Leben der Häftlinge vortäuschen zu können“ (S. 81f.). Altmann kommentiert zynisch: „Das war unser Leben. Man hungert, man hofft, man stirbt. Und alles mit Musikbegleitung“ (S. 82).

In einem Außenkommando muss Altmann bis Mai 1944 eine Fabrik neu aufbauen und wird danach in das Lager Bobrek überstellt, wo er als Koch der SS eingesetzt wird. Die dortigen Bedingungen sind viel besser als in Birkenau, die Arbeitszeit wird eingehalten, Kranke werden gepflegt und die Häftlinge nicht geschlagen. Im Januar 1945 werden sie beim Herannahen der russischen Streitkräfte auf einen Fußmarsch nach Buna geschickt, wo bereits Vorbereitungen getroffen werden, das Lager aufzulösen: Papiere werden verbrannt und die Häftlinge verlassen nach und nach zu Fuß das Lager. Dialogisch beschreibt Altmann in Gesprächen zwischen den Häftlingen ihren Hunger, ihre Erschöpfung und Ungewissheit auf dem langen qualvollen Fußmarsch. Schließlich werden sie in Güterwaggons verladen und in einer fünf Tage andauernden Fahrt nach Buchenwald gebracht. Nahezu ohne Lebensmittel und auf engstem Raum eingesperrt sterben die Häftlinge reihenweise. Auch in Buchenwald sind die Verhältnisse katastrophal: „Ein Schauer durchrinnt mich noch heute, wenn ich den Namen höre. Ein Begriff des Schreckens für alle Menschen, die deutsche Verhältnisse kennen“ (S. 125). Ohne normalen Schlaf, ohne reguläres Essen und die Möglichkeit, sich richtig zu waschen vegetieren die Häftlinge vor sich hin. Jeden Tag kommen neue Transporte an, oft stehen die Züge tagelang im Bahnhof in Weimar: „Gespensterzüge, voll mit verzweifelten Menschen und Toten!“ (S. 134) Altmann lobt dennoch die Solidarität in Buchenwald, vor allem die der französischen Häftlinge, die sich der Neuankommenden annehmen.

Im Februar 1945 kann der Autor Buchenwald verlassen. Er wird einem Arbeitskommando in der Siemensstadt Berlin zugeteilt. Auf der Reise dorthin bietet sich ihm und den Mithäftlingen ein Anblick von Trümmerhaufen, Ruinen und heimatlosen Menschen. Altmann erfährt, dass die Flüchtlinge aus dem zerstörten Dresden kommen: „Die Nachricht erfüllte uns mit einiger Genugtuung. Unter diesen Verhältnissen kann der Widerstand nicht mehr sehr lange anhalten, und unsere Rettung ist nahe“ (S. 138). In Berlin ist Altmann zunächst bei einem Holzkommando im Wald, danach im Kohlenausladekommando in einem Kabelwerk tätig, bis das Lager nach einem Bombenangriff abbrennt. Altmann wird dabei verletzt, kann sich jedoch retten.

Schon bald sollen die Siemens-Häftlinge weiter nach Hof in Bayern ‚evakuiert‘ werden. Viele Tage lang fährt der Zug durch Deutschland, aber immer wieder steht er still. Schließlich bringt der Zug die Häftlinge nach Sachsenhausen, wo „bereits ein völliges Durcheinander“ (S. 153) herrscht. Am 22. April wird das Lager geräumt. Altmann beschreibt die Szenen und seine Beobachtungen in knappen, sachlichen und teilweise stakkatohaften Sätzen: „Wir marschieren in Fünferreihen. Der Himmel ist glutrot. Die Stadt Oranienburg brennt. Wir marschieren in einem unheimlichen Tempo. Die SS kennt kein Pardon. Jeden Augenblick ertönen Schüsse. Am Strassenrand liegen viele Tote, alle auf dem Bauch. Schuss in den Hinterkopf!“ (S. 155f.) Altmann entkommt am 2. Mai 1945 mit einigen Kameraden bei Schwerin, indem sie sich im Gebüsch verstecken. Sie haben erfahren, dass die Amerikaner nur sechs Kilometer weit entfernt sind. Schon sehr bald fahren tatsächlich die ersten amerikanischen Panzer vorbei: „Der zweite hält bereits an. Ein Soldat springt herunter. Wir umarmen ihn. Er verteilt uns Zigaretten, und wir stehen und weinen. Weinen vor Freude, weinen vor Glück, dass es uns gegönnt ist, diese Stunde erleben zu dürfen. Jetzt spüren wir es,   w i r   s i n d   f r e i  !“ (S. 164, Hervorhebung im Original)



Bearbeitet von: Charlotte Kitzinger