KZ Buchenwald (1946)

Aus Frühe Texte der Holocaust- und Lagerliteratur 1933 bis 1949
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Angaben zum Werk

Titel KZ Buchenwald
Autor Zahnwetzer, Moritz (1884-1951)
Genre Erinnerungsbericht

Ausgaben des Werks

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Ausgabe von 1946, Kassel
Titel KZ Buchenwald

Erscheinungsort Kassel
Erscheinungsjahr 1946

Verlegt von Selbstverlag

Publiziert von Zahnwetzer, Moritz (1884-1951)
Umschlaggestaltung von Rupert Walter

Umfang 38 Seiten

Lizenz License US-W-1022
Preise 0,90 DM
Bibliotheksnachweise UBGI-icon.gif UB Gießen (Print-dnb-icon.gif gedruckte Ausgabe)
UBGI-icon.gif UB Gießen (Online-dnb-icon.gif elektronische Ausgabe)
DNB-icon.gif Deutsche Nationalbibliothek (Print-dnb-icon.gif gedruckte Ausgabe)

Zusammenfassung

In seinem kurzen Bericht über das Konzentrationslager Buchenwald schildert Moritz Zahnwetzer seine dortige Haftzeit als politischer Häftling ab Januar 1938. Er berichtet im Präsens und erhöht so die Unmittelbarkeit des Geschilderten. Sein Pflichtgefühl fordere es zu berichten, stellt Zahnwetzer zu Beginn fest: „Immer wieder habe ich die Feder aus der Hand gelegt, wenn ich mich an die Arbeit heranwagte, und doch muß ich einmal damit beginnen, denn das Gebot der Pflicht gegenüber der ganzen Menschheit, gegenüber meinem deutschen Vaterlande, gegenüber den unzähligen Opfern, gegenüber meinen lieben Freunden und Kameraden, welche dort ihr Leben aushauchten, verlangt kategorisch, daß ich endlich diese Arbeit beginne“ (S. 3). Es fällt ihm jedoch schwer, eine Sprache für das Erlebte zu finden: „Es müßte erst wieder ein Dante geboren werden, der allein nur das Können besaß, die Worte zu finden, um zum Ausdruck zu bringen, was an Entsetzlichem Menschen erdulden“ (ebd.).

Den Bericht beginnt Zahnwetzer nach Beendigung seiner Gefängnisstrafe. Wegen Vorbereitung zum Hochverrat wird er im Januar 1938 von Berlin in das neu entstandene KZ Buchenwald transportiert und erhält die Häftlingsnummer 1407. Er wird der Steinträgerkolonne zugeteilt und später in den Steinbruch abkommandiert, „der ständigen Mordstätte des Konzentrationslagers Buchenwald“ (S. 9).

Neben dem Kampf der politischen Häftlinge gegen die sogenannten Berufsverbrecher oder Kriminellen im Lager erklärt er auch die verschiedenen Foltermethoden, wie etwa das ‚Baumbinden‘. Er nennt nicht nur die zahlreichen SS-Männer namentlich und schildert ihre Grausamkeiten, sondern ebenso viele seiner Mithäftlinge, so etwa den Schriftsteller Ernst Wiechert oder Fritz Nowak, der die Bunkerhaft überlebt. Er berichtet ebenfalls über die Flucht der beiden Häftlinge Bargatzki und Forster am 13. Mai 1938 und ihre öffentliche Hinrichtung im Lager nach deren Ergreifung. Ebenso erinnert er an den Pfarrer Paul Schneider, der gegen die sinnlosen Schikanen im Lager aufbegehrt, dafür mit sechzehn Monaten Bunkerarrest bestraft wird und schließlich stirbt.

Ab Juni 1938 treffen die ersten Juden im Lager ein. Der Druck auf die politischen Häftlinge lässt etwas nach, stellt Zahnwetzer fest, da sich das Interesse der SS nun in erster Linie auf die Juden konzentriert. Im November 1938 bringt die „Judenaktion im Reiche“ (S. 23) so viele Juden ins Lager, dass eine „geordnete Unterbringung von vornherein ausgeschlossen ist“ (ebd.). Neue Baracken werden aufgestellt, in denen die Menschen zusammengepfercht werden. Die Häftlinge leiden Hunger und Durst, die Menschen sterben unaufhörlich. Noch dramatischer wird die Situation im Winter 1938/39: „So hält der Sensenmann reiche Ernte“ (S. 27), stellt Zahnwetzer fest.

Mit Kriegsbeginn verschärft sich die Situation ein weiteres Mal, da Polen ins Lager gebracht werden. Wegen der katastrophalen Bedingungen in Buchenwald sterben sie in rasendem Tempo: „Was kann man im Zusammenhang solcher Umstände sagen, wenn in dem seitlichen Schatten der Scheinwerfer zwei Häftlinge einen Toten zwischen sich führen, um also zu dritt an dem Schalter der Brotausgabe drei Portionen Brot zu bekommen“ (S. 32). Er wünscht sich „die Augen verschließen zu können, um nicht noch mal die Bilder zu sehen, welche in der Erinnerung auftauchen“ (S. 29).

Einen Lichtblick im Häftlingsalltag bedeutet für Zahnwetzer sein Geburtstag. Über diesen Tag berichtet er über sich in der dritten Person: „Heute ist der 14. April, der Geburtstag des Häftlings Nr. 1407“ (S. 37). Die Häftlinge und Kameraden haben seinen Arbeitstisch mit Blumen, Kuchen und Glückwünschen, Gedichten und Kunstwerken geschmückt. Die Lagerkapelle spielt ihm ein Geburtstagsständchen.

Am 20. Juni 1940 wird Zahnwetzer nach insgesamt fünfjähriger Haft unter der Auflage entlassen, nicht über das Konzentrationslager zu sprechen. Auf der Reise nach Hause wird ihm die veränderte Sichtweise, die er durch das Lager bekommen hat, beim Anblick von Kindern deutlich: „Fünf Jahre lang habe ich keine Kinder gesehen. Sahen die kleinen Kinder immer so aus, so zart, ihre Köpfe so feinschnittig? Ich glaube, sie müßten anders ausgesehen haben vor meiner Verhaftung, vor fünf Jahren“ (S. 38).


Biografie

Moritz Zahnwetzer (geb. 1884, gest. 31.07.1951 auf Sylt) war Druckereibesitzer aus Sandershausen und Kommunalpolitiker. Als politischer Häftling verbrachte er fünf Jahre in Haft, zunächst im Gefängnis und von Januar 1938 bis zum 20. Juni 1940 im Konzentrationslager Buchenwald. Nach Kriegsende wurde Zahnwetzer vorübergehend zum kommissarischen Bürgermeister in Sandershausen ernannt. Bei der ersten Kommunalwahl in Hessen 1946 kandidierte er als Zweiter auf der Liste der SPD und auf der Liste für den Kreistag. Dem Kreistag gehörte er bis zum 31. Mai 1948 an. Zahnwetzer wurde zum Ersten Beigeordneten der Gemeinde Sandershausen gewählt. Dieses Amt behielt er bis zum seinem Tod im Jahre 1951. Daneben übernahm er zahlreiche weitere politische Ämter. Er starb während eines Ferienaufenthalts auf Sylt beim Baden im Meer an einem Herzschlag.

Quelle:

  • Peitsch, Helmut: Deutschlands Gedächtnis an seine dunkelste Zeit. Zur Funktion der Autobiographik in den Westzonen Deutschlands und den Westsektoren von Berlin 1945 bis 1949. Berlin: Edition Sigmar Bohn 1990, S. 477.
  • „Moritz Zahnwetzer“. In: Regio Wiki. Online: http://regiowiki.hna.de/Moritz_Zahnwetzer (Stand: 18.09.2019).




Bearbeitet von: Charlotte Kitzinger