Leichenträger ans Tor (1946)

Aus Frühe Texte der Holocaust- und Lagerliteratur 1933 bis 1949
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Angaben zum Werk

Titel Leichenträger ans Tor
Autor Schifko-Pungartnik, Manfred
Genre Erinnerungsbericht

Ausgaben des Werks

Ausgabe von 1946, Graz
Titel Leichenträger ans Tor
Untertitel Bericht aus fünf Jahren Konzentrationslager

Erscheinungsort Graz
Erscheinungsjahr 1946
Auflage 1. – 3.

Verlegt von Ulrich Moser Verlag
Gedruckt von Universitätsdruckerei Steirerdruck
Publiziert von Schifko-Pungartnik, Manfred
Umschlaggestaltung von Rupert Walter

Umfang 47 Seiten

Lizenz Genehmigt vom Ausschuß zur Überprüfung des Presse- und Verlagswesens, Druckerlaubnis erteilt am 1.11.1945 und 15.1.1946

Bibliotheksnachweise UBGI-icon.gif UB Gießen (Print-dnb-icon.gif gedruckte Ausgabe)
DNB-icon.gif Deutsche Nationalbibliothek (Print-dnb-icon.gif gedruckte Ausgabe)


Zusammenfassung

In dem kurzen Erinnerungsbericht gibt der Autor seine eigenen Erlebnisse aus fünf Jahren Haft in den Konzentrationslagern Dachau, vor allem aber Mauthausen wieder. Er lädt den Leser ein, ihm zu folgen und sich in seine Geschichte einzufühlen: „So folge mir denn! Steige aus dem Trubel des Alltags, ich will Dir zeigen, wessen Menschen fähig sind, wenn man ihnen alles irdisch Bindende genommen hat. […] Lasse fünf Jahre meines Lebens die Deinen sein – sei nicht Du, lebe in mir und sage noch vom Guten im Menschen!“ (S. 6)

Den eigentlichen, durchgängig im Präsens geschilderten Bericht beginnt der Österreicher Schifko-Pungartnik mit seiner vorgeblichen Entlassung als politischer Häftling aus dem Gefängnis. Anstatt jedoch nach der Erledigung einiger belangloser Formalitäten nach Hause entlassen zu werden, wird er in das Konzentrationslager Dachau überstellt. Schnell wird den Neuankömmlingen klargemacht, was von ihnen erwartet wird: „Ihr habt hier nur zwei Aufgaben zu erfüllen. Erstens zu verrecken und zweitens bis Ihr krepiert seid zu arbeiten“ (S. 11). In Dachau durchläuft er verschiedene Arbeitskommandos, wie etwa die ‚Plantage‘, die Strafkompanie, das Kommando ‚Fuchsbau‘ oder die Kiesgrube und wird wiederholt misshandelt. Am 22. September 1939 wird er in das KZ Mauthausen überstellt. Schnell sehnt sich Schifko-Pungartnik nach Dachau zurück, da in Mauthausen die Bedingungen noch weitaus schlimmer sind. Die Häftlinge arbeiten bis zur Erschöpfung und unter schwersten Misshandlungen und Schikanen. Für die im Lager eintreffenden Juden ist die Situation am dramatischsten: „Kein Jude überlebt hier den dritten Tag. Alle gehen den gleichen Weg – den Todesweg – den Weg über die Postenkette“ (S. 21). Der Autor beschreibt einen eintreffenden Transport von 7.000 neuankommenden Juden, die angetrieben von dem jüdischen Mithäftling Isidor Schwarz, der mit einem vorher eingetroffenen Transport im Lager ankam, systematisch und in Windeseile in den Tod getrieben werden. Bereits nach einer Viertelstunde des Steineschleppens gibt es 101 Tote. Schon bald „endet der Totentanz mit 6999 Opfern“ (S. 23).

Im November und Dezember 1939 sinken die Temperaturen und die Versorgung mit Essen wird immer schlechter: „Jetzt reicht die Nahrung, die wir zu uns nehmen können, zum Sterben aus. Früher war es zum – Sterben zu viel – ein bißl zu viel“ (S. 24). Die Häftlinge sterben reihenweise, auch Schifko-Pungartnik wird immer schwächer und dünner. Schließlich erkrankt er an Typhus. Er magert zum Skelett ab und wird ohnmächtig, aber noch lebend in die Totenkammer – den Waschraum – ‚aussortiert‘: „Das ist die Totenkammer – und in mir ist noch Leben! Doch ich werde mich nicht bemerkbar machen können, unter mir, in wirrem Durcheinander, die starren, erkalteten Leiber der Toten! An meinem großen Zehen spüre ich das kleine Zettelchen – meinen Namenzettel – ich bin zum Abtransport ins Krematorium freigegeben!“ (S. 27) Gerettet wird er schließlich durch Dr. Stephan, der ihn auf dem inzwischen eingerichteten Krankenrevier gesundgepflegt.

Viel mehr als dem Überleben im KZ widmet sich der Autor den vielfältigen und nahezu unausweichlich erscheinenden Todesmöglichkeiten und Foltermethoden – wie etwas das ‚Baumhängen‘ oder den ‚Bock‘ –, deren sich die SS bedient. So macht er deutlich, dass der Tod jederzeit und auf vielfältige Weise eintreten kann: „Überall ist der Tod, überall kann er mich ereilen. Huscht er dort um die Ecke oder stößt er hier mit mir zusammen?“ (S. 33)

Eine der teuflischsten Erfindungen der SS ist für ihn die Errichtung des Lagerbordells, das durch die Verbreitung von Geschlechtskrankheiten ebenfalls zur Tötung der Häftlinge beitrage. Auch der Autor selbst lernt diese „Einrichtungen in Block 1 kennen“ (S. 38), da er Sehnsucht hat, mit einer Frau zu sprechen, „nichts weiter“ (ebd.). Die Frauen, die angelockt von dem Versprechen auf bessere Verpflegung und Behandlung in das Lager kommen und am Tag etwa 30 bis 60 Freier haben, werden ebenfalls binnen kurzer Zeit zugrunde gerichtet. Nach einem halben Jahr werden sie von einem zweiten Transport Frauen abgelöst.

Nachdem er die Nachricht vom Tode seines Vaters erhalten hat, wird Schifko-Pungartnik plötzlich unerwartet entlassen. Er schließt seinen Bericht mit einer Liste der Kameraden aus seinem engsten Kreis, die im Lager zu Tode gekommen sind, und einem Abdruck des Lagerlieds, in dem es heißt: „Oh Mauthausen, ich kann dich nicht vergessen, / Weil du mein Schicksal bist. / Der dich verläßt, der kann erst ermessen, / Wie wunderschön die Freiheit ist“ (S. 45). Ganz ans Ende gestellt sind außerdem eine Aufzählung der SS-Führer von Mauthausen und ein Auszug aus den „Kärtner Nachrichten“ vom 21. August 1945, in dem von der Erschießung des Kommandanten Franz Ziereis auf der Flucht vor den amerikanischen Truppen berichtet wird.

Im Vorwort des Textes vom 19. Juni 1945 wendet sich Schifko-Pungartnik an den Leser und legt dar, dass einige „zerknüllte, vollgekritzelte Heftseiten mit kurzen Aufzeichnungen, Redewendungen und kleinen Skizzen, stille Abende des Erinnerns, des Erzählens“ (Schifko- Pungartnik 1946, S. 5) die Urheber des Buches seien. Seine Absicht sei nicht gewesen, eine politische Hetzschrift zu verfassen, da es von „der Propaganda dienenden, tendenziösen Büchern“ (ebd.) in den letzten Jahren zu viele gegeben habe. Er wolle dagegen nur schildern, was er persönlich erlebt und beobachtet habe.


Biografie

Manfred Schifko-Pungartnik (geb. 22.10.1921 in Bleiburg/Kärnten oder St. Margareten) wurde am 18. September 1938 im Gefängnis in Graz inhaftiert. Einem anderen Dokument des ITS zufolge wurde er bereits im Juli 1938 in Leibnitz verhaftet und dann nah an Graz gebracht. Im Oktober 1939 wurde er in das Konzentrationslager Dachau überstellt, ab September 1940 war er unter der Häftlingsnummer 2407 im KZ Mauthausen festgesetzt. Von dort wurde er am 3. oder 4. November 1943 entlassen.

Quellen:

  • „Geldverwaltungskarte“, 1.1.6.2/10286615/ITS Digital Archive, Arolsen Archives.
  • „T/D-Akte“, 6.3.3.2/99151316/ITS Digital Archive, Arolsen Archives.





Bearbeitet von: Charlotte Kitzinger