Mützen ab …. (1948)

Aus Frühe Texte der Holocaust- und Lagerliteratur 1933 bis 1949
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Angaben zum Werk

Titel Mützen ab …. Eine Reportage aus der Strafkompanie des KZ. Auschwitz
Autor Rozanski, Zenon
Genre Bericht

Ausgaben des Werks

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Ausgabe von 1948, Hannover
Titel Mützen ab …. Eine Reportage aus der Strafkompanie des KZ. Auschwitz

Erscheinungsort Hannover
Erscheinungsjahr 1948
Auflage 1

Verlegt von Verlag „Das andere Deutschland“
Gedruckt von Albert Limbach, Braunschweig
Publiziert von Rozanski, Zenon

Umfang 96 Seiten

Bibliotheksnachweise UBGI-icon.gif UB Gießen (Print-dnb-icon.gif gedruckte Ausgabe)
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Zusammenfassung

Zenon Rozanski schildert in seinem persönlichen Bericht seine Zeit in der Strafkompanie des Konzentrationslagers Auschwitz. Im Vorwort, datiert 1947 in Hannover, bezeichnet er ihn als „eine Sammlung wahrer Ereignisse“ (o. S.). Er betont weiterhin, dass er sich beim Niederschreiben der Tatsachen auf „treue photographische Wiedergabe“ (o. S.) beschränkt habe und aus der großen Fülle der Erlebnisse diejenigen herausgegriffen habe, die für ihn die Wirklichkeit des Lagerlebens nahebrächten. Obgleich der Verfasser „mit der sogenannten ‚Literatur‘“ (o. S.) nichts gemeinsam haben will, weist sein Bericht, den er aus der Ich-Perspektive verfasst, dennoch ein hohes Maß an literarischer Gestaltung auf. Neben der Schilderung seiner Erlebnisse in der Strafkompanie in Auschwitz, die meist in der Vergangenheitsform, vielfach jedoch auch dialogisch vermittelt werden, bemüht sich der Autor, auch seine inneren Empfindungen und seinen psychischen Zustand – häufig dabei ins Präsens wechselnd – anschaulich und detailliert zu vermitteln.

Der Bericht beginnt mit der Meldung des Häftlings 8214 zum Strafrapport. Ein halbes Jahr ist der Autor im Lager, als er wegen des Diebstahls von Abfällen aus der SS-Küche zu fünfundzwanzig Stockhieben und der Abkommandierung zum SK, der gefürchteten Strafkompanie, verurteilt wird. In der Strafkompanie ist das oberste Überlebensgebot, so wird Rozanski gleich zu Beginn mitgeteilt, nicht aufzufallen, keine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Dennoch ist er – wie auch schon vorher – unmittelbar heftigen Schlägen ausgesetzt. Der Autor versucht dabei, sowohl den äußeren als auch den inneren Prozess der Folter gleichermaßen zu beschreiben. Er schildert etwa eindrücklich, wie sich die Zeit zwischen jedem Stockschlag zu dehnen scheint, wie die Gedanken durcheinanderwirbeln und wie der Schmerz sich im ganzen Körper bis in die Fingerspitzen und in der Haut auf dem kahlrasierten Kopf ausbreitet.

Jeden Morgen muss die Strafkompanie einen mühsamen Apell über sich ergehen lassen, bei dem auch das Kommando „Mützen ab!“ (S. 16), das für den Bericht titelgebend ist, erteilt wird. Während der anschließenden körperlich sehr schweren Arbeit sind die Häftlinge ständigen lebensgefährlichen Schikanen und Übergriffen durch die Aufseher ausgesetzt. Nur durch die mehrfache, unerwartete Hilfe durch befreundete und ihm bekannte Funktionshäftlinge gelingt es dem Verfasser, mehreren lebensbedrohlichen Situationen zu entkommen. Nach dem Fluchtversuch eines Mithäftlings wird der Rest der Gruppe zum Tode verurteilt und bis zur Vollstreckung des Urteils in den Bunker gesperrt. Ohne Wasser und Nahrung verdursten und verhungern die Häftlinge langsam elendig. Der Autor beschreibt die verschiedenen Stufen dieses Prozesses: „Ich fühle, wie trocken meine Kehle ist, wie heiß meine Lippen sind und wie mein Speichel immer dickflüssiger wird. Von Zeit zu Zeit schlucke ich hinunter. Mit dem Speichel muß ich sparsam umgehen. Wenn ich alles hinunterschlucke, ach, das ist ja alles Unsinn!“ (S. 24) Nach und nach sterben die Häftlinge, einige begehen auf grausame Weise Selbstmord, indem sie Blechlöffel oder Lederstücke auseinanderbrechen und essen. Auch der Verfasser verliert zunehmend das Bewusstsein: „Es wird mir übel … Ich fühle einen merkwürdigen Krampf in der Kehle, eine warme Feuchtigkeit unter den Augenlidern … Denn auch ich …“ (S. 25). Wie durch ein Wunder werden er und die noch lebenden Mithäftlinge in letzter Minute durch eine Intervention Himmlers ‚gerettet‘. Wenig später wird er Zeuge der Hinrichtungen der Familienangehörigen des Geflohenen, darunter auch die beiden kleinen Kinder.

An einem Septembertag wird die Strafkompanie zu einer „Vertrauensarbeit“ (S. 41) abkommandiert. Sie sollen dafür mit zusätzlichem Essen entschädigt werden. Es stellt sich heraus, dass sie die Leichen der allerersten Vergasung in Auschwitz beseitigen sollen, überwiegend Soldaten der Roten Armee und einige Kranke aus dem Krankenbau, die der Autor zusammengedrängt, „irgendwie unheimlich verdreht, mit furchtbar hervorstehenden Augen, zerkratzt, mit Blut besudelt, unbeweglich …“ (S. 43) im Bunker vorfindet.

Mit Beginn des Herbstes und Winters werden die Bedingungen für die Häftlinge immer schlechter. Die Kälte, völlig unzureichende Kleidung und die mangelnde Ernährung setzen dem Autor so zu, dass er schließlich in den Krankenbau aufgenommen wird. Auch hier findet er nur ungeheures Elend und Leid vor. Die Häftlinge werden so gut wie nicht versorgt und regelmäßig finden Tötungen mit Phenolspritzen statt. Für ihn selbst wird der Aufenthalt im Krankenbau jedoch zu „einem langandauernden ‚Urlaub‘“ (S. 53). Über den Winter hindurch muss er auf diese Weise nicht zurück ins Strafkommando. Als er im Februar an Typhus erkrankt und diesen nur knapp überlebt, verlängert sich der Aufenthalt weiter. Um Haaresbreite entgeht er einer Selektion der Typhuskranken, die anschließend ermordet werden.

Schließlich muss er jedoch in das Strafkommando zurückkehren und wird mit diesem nach Birkenau überstellt. Birkenau ist im Vergleich zu Auschwitz noch primitiver. Die Baracken stehen auf morastigem Grund, es gibt keine Wege, kein Wasser und keine Toiletten. Die Schikane und Brutalität ist die gleiche. Bald kommen etwa 380 Häftlinge mit ‚alten Nummern‘ aus Auschwitz zur Strafkompanie dazu. Schnell wird klar, dass diese alle nach und nach getötet werden sollen. Am 10. Juni 1942 planen einige dieser zum Tode verurteilten Häftlinge daher einen Fluchtversuch. Rozanski willigt ein, sich den Männern anzuschließen, vor allem, weil er die Rache der SS an den übrigen Häftlingen des SK fürchtet. Ausführlich schildert er, wie sich die Stunden bis zu dem geplanten Ausbruch hinziehen, wie er den Moment gleichzeitig fürchtet und herbeisehnt, da es alles andere als unwahrscheinlich ist, dass er dabei erschossen oder gefangengenommen und zu Tode gefoltert wird. Kurz bevor es jedoch zu dem Ausbruch kommen soll, verhindert ein Gewitter die Ausführung des Plans. Einige Männer versuchen dennoch zu entkommen, den SS-Posten gelingt es jedoch schnell, die Flucht zu vereiteln. Kommandoführer Moll lässt anschließend nach und nach etwa zwanzig Häftlinge erschießen, um zu bewirken, dass die Urheber des Fluchtversuchs bekannt gegeben werden. Er droht schließlich damit, das gesamte Strafkommando zu erschießen, sollten die Namen nicht genannt werden. Fünf Männer opfern sich schließlich freiwillig und sagen aus, die Urheber der Flucht gewesen zu sein.

Aus Angst vor dem Kapo Karl, der den Ruf hat, „Häftlinge zu erledigen“ (S. 74) und Rozanski ins Visier genommen hat, wird dieser mit Hilfe einer einflussreicher Mithäftlinge unter dem Vorwand, an Typhus erkrankt zu sein, aus der Strafkompanie geholt. Erneut kommt er in den Krankenblock. Auch in Birkenau gibt es weder medizinische Versorgung noch Waschräume oder Toiletten. „Das, was ich auf Block 7 sah, übertraf alles, was ich überhaupt bisher im Lager gesehen hatte“ (S. 79), so der Autor. Die Kranken liegen unbedeckt auf dem Lehmboden, manche ohne Kleidung. Die Häftlinge verunreinigen sich, überall ist das Stöhnen von Sterbenden zu hören, die Luft ist voll vom Geruch von Eiter; Blut, Exkrementen, Wundbrand und Tod. Ständig finden Selektionen zur Vergasung statt. Rozanski, der ja eigentlich gesund ist, erlebt mit, wie Kranke durch Phenolspritzen getötet werden. Eines Tages, als kein Phenol verfügbar ist, verwenden die Pfleger stattdessen Lysol, das jedoch zu schwach ist, um Menschen zu töten. Die Kranken „begannen unmenschlich zu schreien. Sie fielen unter furchtbaren Schmerzen zu Boden, aus dem Munde brach ein schaumiges Blut hervor“ (S. 87).

Mit in die Erlebnisschilderung des Autors integriert ist der kurze Bericht über Smyek Rosenthal, einen kleinen Handwerker aus Cichenau. Er wird mit seiner Familie aus einem Getto nach Auschwitz deportiert und dort sofort von den Angehörigen getrennt. Anschließend wird er einem Block zugeteilt, der von den anderen abgetrennt ist. Auf den Kojen liegen Decken, Bekleidung und Lebensmittel in Mengen, darunter Weißbrot und Butter. Der Blockälteste sagt den Neuankömmlingen, dass sie das alles als ihr Eigentum betrachten dürfen. Am nächsten Tag werden sie in ein abgelegenes Waldstück gebracht, in dem ein mit Stacheldraht umgebenes, seltsames Häuschen steht, das zudem stark von bewaffneten SS-Posten bewacht ist. Statt Fenstern hat das Häuschen große Klappen, die wie Fensterläden aussehen und mit eisernen Schrauben zu schließen sind. Im einem Raum, der als ‚Warteraum‘ gekennzeichnet ist, – eine andere Tür trägt die Inschrift ‚Baderaum‘ – findet er Koffer und Kleidung vor. Darunter ist auch die Jacke seines Vaters, die dieser noch am Abend vorher getragen hat. Auf Befehl der SS müssen die Häftlinge diese Kleidung und Inhalte der Gepäckstücke nun sortieren und in entsprechende Kisten werfen. Symek findet fast alle Sachen seines Vaters. Ein anderer Häftling entdeckt Dinge, die seinem Sohn gehörten. Schließlich wird die Tür des Baderaumes geöffnet. Die Häftlinge wundern sich nun nicht mehr darüber, dass dort auf dem Fußboden Leichen liegen. „Nackt, furchtbar verkrampft, eine auf der anderen. Aus den toten gläsernen Augen starrte Schrecken und Schmerz … (S. 93). Auch seinen Vater findet Smyek unter den Toten.

Das Geheimnis der Lebensmittel und Gegenstände im Block lüftet sich wenig später: sie gehörten dem vorhergehenden ‚Sonderkommando‘, welches eines Tages auf dem Hofe des Krematoriums von Auschwitz erschossen wurde. Langsam und erst nach und nach – in dem Maße, wie es sich wohl auch Smyek selbst erschlossen haben mag – entwickelt Rozanski die Erlebnisse Smyeks. Dieser erkrankt eines Tages an Typhus und wird auf dem Krankenblock 7 eingeliefert, wo auch Rozanski sich zu diesem Zeitpunkt befindet. Sein weiteres Schicksal bleibt unklar. Der Bericht endet mit der Entlassung Rozanskis aus dem Strafkommando nach 15 Monaten wegen guter Führung.

Dem Text ist ein Geleitwort vom Gerhard Grande, Geschäftsführer des Hauptausschusses ehemaliger politischer Häftlinge des Landes Niedersachsen, vorangestellt, datiert 1947 in Hannover. Grande verbürgt sich für die „Wahrheit dieser gemachten Aufzeichnungen“ (o. S.), da er als ehemaliger Häftlingsschreiber im Konzentrationslager Auschwitz die geschilderten „Vorkommnisse“ (o. S.) nur zu genau kenne. Die Schilderungen des Kammeraden Zenon Rozanski seien so tief erschütternd, dass es nicht möglich sei, alles bis ins Kleinste wiederzugeben, da „der normale Menschenverstand diese Schilderungen als unwahr anzweifeln würde“ (o. S.).

Gewidmet ist das Buch der „‚alten Garde‘ von Auschwitz“ (o.S.), denjenigen, die befreit wurden und denjenigen, die „vor der schwarzen Wand des Hinrichtungsblocks Nr. 11 gefallen sind“ (o.S.).



Bearbeitet von: Charlotte Kitzinger