Nie wieder! (1946)

Aus Frühe Texte der Holocaust- und Lagerliteratur 1933 bis 1949
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Angaben zum Werk

Titel Nie wieder!

Genre Sonstige

Ausgaben des Werks

Ausgabe von (1946)
Titel Nie wieder!

Erscheinungsort
Erscheinungsjahr (1946)
Auflage 1
Auflagen insgesamt 1

Umfang 16 Seiten
Abbildungen 1 Zeichnung, 4 Fotografien, 1 Landkarte


Zusammenfassung

Als Begleitband zur Züricher Ausstellung 1947 „Nie wieder!“, die über das Schicksal ehemaliger KZ-Häftlinge während und nach dem Krieg informieren soll, werden Hilfsaufrufe, Bittschriften sowie ein literarischer Bericht eines Überlebenden auch als Broschüre veröffentlicht. Das Heft, welches auch im Vergleich zum Text großformatige Fotografien von toten und stark abgemagerten Häftlingen nach der Befreiung sowie Zeichnungen und Kartenmaterial enthält, soll die Menschen über den Holocaust und die Arbeit des Bundes ehemaliger KZ-Häftlinge aufklären und um Unterstützung werben.

Nach der Vorstellung der „Ziele und Aufgaben“ (S. 4) der Vereinigung werden unter der Überschrift „Solchen Menschen wollen wir helfen!“ (S. 5) Bittbriefe ehemaliger Häftlinge abgedruckt. Die Verfasser werden als unschuldige Opfer des NS-Regimes dargestellt, die demütig um kleine Spenden wie abgelegte Kleidung oder Werkzeuge bitten, um wieder ein selbstbestimmtes und geregeltes Leben aufnehmen zu können. Die Hilfesuchenden schildern in ihren Briefen dabei auch ihre Erlebnisse während des Holocaust. Nach diesen individuellen Schicksalen wird dem Leser das gesamte Ausmaß der Verfolgung und Vernichtung anhand einer Karte vor Augen geführt, in der „791 Konzentrationslager und Gestapo-Gefängnisse“ (S. 7) in Deutschland, der Schweiz, Österreich, Polen und Tschechien verzeichnet sind. Am Ende der schmalen Broschüre sind die Erinnerungen des Häftlings Leo Rute abgedruckt, der darin atmosphärisch beschreibt, wie Häftlinge eine Nacht in einem Konzentrationslager erleben. Da ihnen nachts der Zugang zu den Latrinen verboten ist, stiehlt sich der Autor voller Angst vor den Wachen aus der Baracke: „Grauen überläuft mich, als ich furchtsam, auf nackten Füßen schleichend, die Barackentür öffne und zur Latrine schleiche. Eine kalte Hand greift mir ans Herz, als ich mich jetzt an der Baracke entlang bewege“ (S. 10). In kurzen, gehetzten Sätzen versucht er dem Leser seine Angst und Unruhe zu vermitteln, während er beschreibt, dass er zu schwach ist, zurück in das Bett zu kriechen. Eine Vielzahl von rhetorischen Fragen binden den Leser in das Geschilderte ein und vermitteln die Unsicherheit, in der sich auch der Häftling befindet, als eine brutale Razzia in der Baracke durchgeführt wird. Die Schmerzen werden rein aus der Perspektive des Erlebenden geschildert, so macht er deutlich, wie sehr das eigene Schicksal im Mittelpunkt aller Handlungen steht: „Sind wir noch Menschen? Nein, bestimmt nicht. Keiner achtet auf den anderen. Jeder versucht, dem Tode zu entrinnen. Einer stürzt, der andere steigt über ihn hinweg, um das Freie zu gewinnen. Auf Köpfen, Füßen, Händen und Beinen wird herumgetreten. Keiner sieht es, keiner hört das Geschrei seines Leidensgefährten. Keiner achtet auf den Schlag, der den andern trifft“ (S. 14). Erst der Schlaf nach dem Exzess kann dem Ich-Erzähler die ersehnte Entlastung bringen.

Die Publikation wurde mit dem klaren Ziel zusammengestellt, diejenigen Menschen zu informieren, die Gefahr laufen, der Thematik gegenüber abzustumpfen: „Wir hören davon in Vorträgen, wir lesen Zeitungsberichte und Briefe, deren Inhalt uns zutiefst erschüttern müßte, aber sie bereiten uns kaum mehr eine schlaflose Nacht. Und was viel schlimmer ist, sie reißen uns nicht heraus aus unserem geruhsamen Leben und verpflichten uns nicht zu neuen Anstrengungen“ (S. 1). Gertrud Kurz, die sich bereits während des Zweiten Weltkriegs in der Flüchtlingshilfe in Bern engagierte, spricht in ihrem Vorwort weiter von einer „Dankesschuld“ (ebd.), welche die „Verschonten“ (ebd.) – also diejenigen, die nicht verfolgt wurden – den Überlebenden der Konzentrationslager gegenüber zu erbringen hätten: „Wir wollen ihre Stimmen nicht überhören, sondern ihre Bestrebungen unterstützen, auf daß ihr erlittenes Leid nicht umsonst gewesen sei“ (ebd.). In einem weiteren Vorwort beschreibt Benno Schachter, Präsident des Zentralvorstands des Bundes ehemaliger KZ-Häftlinge, die Arbeit der Vereinigung und ruft ebenfalls zu einem entschiedenen Auftreten gegen NS-Gedankengut auf, um „eine Wiederkehr von Unmenschlichkeit und Unrecht [zu] verhindern“ (S. 2).

Autorbiografie

Der Bund ehemaliger KZ-Häftlinge wurde nach dem Krieg in Zürich gegründet. In der Broschüre geht der Präsident des Zentralvorstands des Bundes, Benno Schachter, auf die Ziele der Vereinigung ein: Diese wolle alles „tun, was eine Wiederkehr von Unmenschlichkeit und Unrecht verhindern kann“ (S. 2). Die faktische Hilfe erstreckte sich dabei sowohl auf die finanzielle und materielle Unterstützung von Holocaustüberlebenden, als auch auf die Aufklärung der Öffentlichkeit über das NS-Regime im Allgemeinen in Form von Broschüren oder Ausstellungen. Gerade die „[g]eistige Hilfe in Form von Büchersendungen demokratischen und menschlich wertvollen Inhaltes“ (S. 3, Hervorhebung im Original) wird in der Broschüre betont. Daneben wurden auch Sachspenden an Überlebende und die finanzielle Unterstützung von Kuraufenthalten gewährt. Dabei arbeitete die Schweizer Vereinigung mit der Fédération des internés et déportés de la résistance in Paris und dem Österreichischen KZ-Verband zusammen.

Quelle:

  • Bund ehemaliger KZ-Häftlinge in Zürich (Hg.): Nie wieder! Zürich o.J.

Werkgeschichte

1947 zeigte der Bund ehemaliger KZ-Häftlinge die vom französischen Informationsministerium gestaltete Ausstellung „Nie wieder!“ in verschiedenen Schweizer Städten, um auf das Schicksal von Holocaustüberlebenden aufmerksam zu machen. Dazu gaben sie die gleichnamige Broschüre heraus, durch deren Verkauf weitere Ziele des Vereins finanziell realisiert werden sollten. Der Gewinn sollte „der Unterstützung in besonderen Notfällen von Lebensmitteln, Kleidungsstücken und Arzthilfe dienen“ (S. 3).

Quellen:

  • Bund ehemaliger KZ-Häftlinge in Zürich (Hg.): Nie wieder! Zürich o.J.
  • Knoch, Habbo: Die Tat als Bild. Fotografien des Holocaust in der deutschen Erinnerungskultur. Hamburg 2001, hier besonders S. 249-252.



Bearbeitet von: Christiane Weber