Todeslager Emsland im Moor (1947)

Aus Frühe Texte der Holocaust- und Lagerliteratur 1933 bis 1949
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Angaben zum Werk

Titel Todeslager Emsland im Moor
Autor Komleitner, Erwin A. (1908-?)
Genre Erinnerungsbericht

Ausgaben des Werks

Ausgabe von 1947, Wien
Titel Todeslager Emsland im Moor
Untertitel Der Teufelsberg ruft! Ein Erlebnisbericht aus dem deutschen Internierungslager im Moor

Erscheinungsort Wien
Erscheinungsjahr 1947

Verlegt von Selbstverlag der Österreichischen Gesellschaft Nächstenhilfe
Gedruckt von Buchdruckerei R. Kögl
Publiziert von Komleitner, Erwin A. (1908-?)

Umfang 31 Seiten
Abbildungen 2 Zeichnungen

Bibliotheksnachweise DNB-icon.gif Deutsche Nationalbibliothek (Print-dnb-icon.gif gedruckte Ausgabe)


Zusammenfassung

Der kurze Bericht des Österreichers Erwin A. Komleitner thematisiert die sogenannten Emslandlager, die aus einer Gruppe von Konzentrations-, Straf- und Kriegsgefangenenlagern bestehen, die sich anfänglich aus „einzelnen, weit auseinanderliegenden, auf mehrere Ortschaften verteilten Baracken“ (S. 3) zusammensetzen. Dazu gehören etwa das Lager Börgermoor sowie das Lager Aschendorfermoor, in denen auch Komleitner inhaftiert ist, als einer „der wenigen Oesterreicher aus diesem Lager, der bis zum Ende des tausendjährigen Reiches dort interniert war“ (S. 26). Er thematisiert seine eigene Person und sein eigenes Schicksal jedoch kaum, auch die Gründe, warum er inhaftiert wird, nennt er nicht. Lediglich die letzten Tage vor der Befreiung schildert er persönlicher und aus der Ich-Perspektive.

Komleitner stellt zunächst die Entwicklung der Emslandlager dar. In den Anfängen dienen diese dem Reichsarbeitsdienst zur „Ertüchtigung der Jugend“ (S. 3), werden aber schon bald auch für deutsche Häftlinge zur Zwangsarbeit genutzt. Im November 1938 kommen auch vermehrt Juden und ab 1939 tschechische und polnische Zwangsarbeiter hinzu. Ab 1940 steigt die Zahl der Häftlinge: „Es waren ‚Politische‘, Fahnenfluchtverdächtige, angeklagt wegen Hochverrat, Vorbereitung zum Hochverrat, Beihilfe zur Vorbereitung zum Hoch- oder Landesverrat, Zersetzung der Wehrkraft, Nichtausführung von militärischen Befehlen, Abhören von Auslandssendern, Verbreitung von ausländischer sogenannter ‚Lügenpropaganda‘ usf.“ (S. 5). Nun beginnt „die große Zeit für das nunmehr als ‚Konzentrationslager Emsland im Moor später unrühmlich bekannt gewordene Internierungsgebiet‘“ (S. 4).

Komleitner beschreibt vor allem den militärischen Drill in den Lagern: „In letzter Zeit, nach dem Zusammenbruch des Nazisystems, ist mehrfach der Versuch gemacht worden, die Nazigreuel von allem Militärischem zu distanzieren. Es wollen jetzt weite Kreise, insbesondere Militärs, von allen diesen Dingen, die sich in den KZ’s ereignet haben, nichts gewußt haben. Nun wird jeder, der beim deutschen Heer gedient hat, oder zur Hitlerwehrmacht eingezogen wurde, viele Dinge in dem nachstehenden Tatsachenbericht wiederfinden, die eigentlich nichts anderes sind, als eine verbrecherische Wiederholung deutschen militärischen Drills“ (S. 6). In der Folge zählt er Beispiele für den militärischen Charakter der Lager auf, etwa das Aufstellen der Häftlinge beim Appell, den Laufschritt auf dem Weg zur Arbeit, das ‚Bettenmachen‘ in den Baracken oder das Strafstehen. Darüber hinaus schildert er den zermürbenden Häftlingsalltag, die harte Arbeit, etwa beim Torfstechen und die unwürdigen Lebensbedingungen der inhaftierten Menschen sowie die Situation der kranken Häftlinge. Ausführlich stellt er den beglückenden, aber gleichzeitig erschütternden Besuch der Angehörigen dar, der etwa alle vier Monate für circa 20 Minuten bei der Lagerleitung beantragt werden konnte.

Die letzten Tage des Lagers im April 1945 schildert Komleitner detailliert. Eine unheimliche Ruhe und etwas Unheilvolles liegen über dem Lager. Ein Scharführer kündigt an, dass alle Häftlinge nun erschossen werden sollen: „Alle fühlen es, daß der Höhepunkt der Tragik jedes einzelnen Schicksals gekommen ist, fühlen, daß der Tag ganz nahe, der entscheiden soll über Freiheit und Tod“ (S. 26). Einige Häftlinge werden grausam ermordet. Auch Komleitners Kamerad Gerd Romberg wird mit einem Gummiknüppel erschlagen.

Als das Lager durch alliierte Bombenabwürfe schwer getroffen wird, sterben viele Häftlinge: „Aber all denen, die da leben bleiben durften, öffneten die gefallenen Bomben den Weg in die Freiheit, den Weg ins Moor. Mehrmals war der Draht zerrissen und in dem furchtbaren Chaos, das da nun herrschte, ergriff ich mit einem Kameraden die Flucht“ (S. 30). Nach einer Nacht im Moor werden sie jedoch wieder zusammengetrieben und sollen getötet werden. Komleitner beschließt im dichten Neben erneut zu fliehen, was ihm gelingt. Kurze Zeit später sieht er die Befreier auf der anderen Seite des Kanals: „Ueber die zerschossene Brücke eilte ich ihnen entgegen und wurde in einer Weise empfangen, die mich vergessen ließ, all die schweren Stunden und Tage, die ich nun hinter mir hatte“ (S. 31).

Komleitner schließt den Bericht mit dem Blick auf eine friedvolle Zukunft. Er endet mit der Hoffnung, dass das Schwere und Furchtbare nun ein Ende gefunden habe: „Wir werden marschieren, der Sonne und dem Licht entgegen, wir werden die Zukunft aufbauen, die wir alle so heiß ersehnt“ (S. 31).

Der Bericht enthält ein von Georg Wittek im Emsland im Januar 1945 verfasstes Gedicht mit dem Titel „Ein Wienerlied“, das er den „lieben Kameraden“ (S. 22) zur Erinnerung an ihre eigene Mutter und ihre Kinderzeit widmet. Er beinhaltet außerdem einen Situationsplan des Lagers Börgermoor sowie eine Zeichnung von Moorarbeiten im Herbst.


Biografie

Erwin A. Komleitner (geb. 21.08.1908 in Wien) arbeitete ab 1929 bei der Polizei, ab 1932 als Kriminalbeamter. Nach dem Anschluss Österreichs an Deutschland 1938 wurde Komleitner – da offenbar ‚politisch unerwünscht‘ – aus dem Polizeidienst entlassen und er arbeitete als selbstständiger Vertreter im Buchhandel. Er meldete sich nach Kriegsbeginn freiwillig zur Wehrmacht und wurde im Januar 1940 eingezogen. 1941/42 gehörte er der Frontleitstelle 87 in Bukarest an, wo er Uhren aufkaufte, die er nach seiner Versetzung nach Dnjepropetrowsk im Winter 1942/43 mit erheblichem Gewinn an sowjetische Zivilisten verkaufte. Dafür wurde er wegen fortgesetzten Ungehorsams und Sachwuchers zu einem Jahr Gefängnis, einer Geldstrafe sowie dem Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte für zwei Jahre verurteilt. Am 25. Juli 1943 traf Komleitner im Strafgefangenenlager II Aschendorfermoor ein. Schon wenige Tage später wurde er bei einem ‚Gesundheitsappell‘ wegen ‚Unsauberkeit‘ mit fünf Tagen einfachem Arrest bestraft. Am 7. September 1943 wurde er ins Strafgefangenenlager I Börgermoor verlegt. Von dort wurde er am 18. November 1943 auf Transport nach Wien geschickt. Hier klagte ihn das Landgericht Wien wegen zweier Hilfeversuche für Juden im Juli 1938 an, als er noch Polizeibeamter war. Er hatte versucht, für einen jüdischen Ingenieur ein sogenanntes Arier-Visum für Italien bei einem Beamten eines italienischen Reisebüros zu kaufen. Der Beamte erstattete jedoch Anzeige gegen Komleitner. Außerdem hatte er ohne Berechtigung einen Meldezettel für eine Passverlängerung für eine jüdische Frau – wahrscheinlich die Ehefrau des jüdischen Ingenieurs – ausgestellt. Dafür wurde er am 23. Dezember 1943 zu weiteren acht Monaten Gefängnis verurteilt. Von der Untersuchungshaftanstalt Wien wurde er zurück nach Börgermoor gebracht, wo er am 15. März 1944 nach einem Monat Transport eintraf.

Drei Monate später wurde er bis zum 3. Oktober 1944 auf ein Außenkommando geschickt, das in Preußisch Oldendorf bei einem großen Luftwaffen-Tanklager arbeitete. Insgesamt dreimal fragte die Vollstreckungsbehörde im Verlauf seiner Inhaftierung nach, ob Komleitner für den Wehrdienst in einer Feldstrafgefangenenabteilung tauglich sei. Dies wurde jedoch wegen des Prozesses in Wien erst im August 1944 positiv beschieden. Der Kommandoführer im Lager Preußisch Oldendorf, wo sich Komleitner zu diesem Zeitpunkt befand, erstellte einen militärischen Tauglichkeitsbefund. Dem schloss sich auch der Börgermoorer Lagervorsteher an und gab an, dass er gegen eine weitere Strafverbüßung in einer Feldstrafabteilung keine Bedenken mehr habe. Am 15. November 1944 verließ Erwin Komleitner offenbar das Emsland in Richtung Brünn zum Infanterie-Ausbildungs- und Ersatzbataillon 500.

Quelle:

  • Bührmann-Peters, Frank: Ziviler Strafvollzug für die Wehrmacht. Militärgerichtlich Verurteilte in den Emslandlagern 1939 – 1945. Dissertation: Osnabrück. Online: 969779429/34 (Stand: 16.09.2019).





Bearbeitet von: Charlotte Kitzinger