Todeslager Sachsenhausen (1948)

Aus Frühe Texte der Holocaust- und Lagerliteratur 1933 bis 1949
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Angaben zum Werk

Titel Todeslager Sachsenhausen
Autor Sigl, Fritz
Genre Dokumentation

Ausgaben des Werks

Digitalisat in DIGISAM öffnen
Ausgabe von 1948, Berlin
Titel Todeslager Sachsenhausen
Untertitel Ein Dokumentarbericht vom Sachsenhausen-Prozeß

Erscheinungsort Berlin
Erscheinungsjahr 1948

Verlegt von SWA-Verlag
Gedruckt von Breitkopf & Härtel
Publiziert von Sigl, Fritz

Umfang 215 Seiten

Bibliotheksnachweise UBGI-icon.gif UB Gießen (Print-dnb-icon.gif gedruckte Ausgabe)
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Zusammenfassung

Der Dokumentarbericht von Fritz Sigl fasst die Ereignisse des Sachsenhausen-Prozesses aus dem Jahr 1947 in der sowjetischen Besatzungszone zusammen. Zur Anklage stehen 16 Angehörige der Lagerführung und des -personals. Der Prozess zieht sich über acht Verhandlungstage und ist laut Sigl von einer außerordentlichen Wichtigkeit, da „[b]islang […] das umfassende Geständnis der Henker und Massenmörder selbst [fehlte]“ (S. 6). Der Bericht teilt sich in sieben Kapitel auf. Dabei werden die einzelnen Prozessabläufe chronologisch aufgeführt. Für Sigl ist der Prozess ein wichtiger Meilenstein, der im Zuge der Nürnberger Prozesse zu schnell in Vergessenheit geraten ist. Zum Prozess waren ebenfalls 26 Überlebende des KZ als Zeugen geladen. Fokus des Dokumentarberichts bilden jedoch die Täter. Auffällig ist dabei, dass die Angeklagten immer wieder als Bestien, Kreaturen oder Ungeheuer bezeichnet werden. Der Aufbau des Prozesses spiegelt sich im Bericht wieder, so gibt es zahleiche Wiederholungen, wie etwa kurze Angaben zu den Angeklagten und ihrer spezifischen Verbrechen.

Bereits im Vorwort werden die Arten der Vernichtung im Konzentrationslager Sachsenhausen aufgeführt. Dazu zählen etwa medizinische Experimente, Vernichtung durch Arbeit, Erschießungen, Tod durch Erhängen sowie durch Vergasung. Das Vorwort beschäftigt sich zudem mit der Entstehung des KZ Sachsenhausen und listet die größten Häftlingsgruppen auf. Der Prozess zeige, dass sich jeder schuldig gemacht habe, heißt es: „Der Sachsenhausen-Prozeß hat die Biedermannsmaske von den Drahtziehern des großen Naziverbrechens gerissen und seine Hintermänner bloßgestellt“ (S.15). Das Lager Sachsenhausen haben von 1939 bis 1945 insgesamt 200.000 Häftlinge durchlaufen. Immer wieder wird der Verstoß gegen die Genfer Konvention und die massenhafte Vernichtung von sowjetischen Kriegsgefangenen thematisiert. Beim Näherrücken der Front erhielt die Lagerführung den Befehl, alle übriggebliebenen Häftlinge im Meer zu ertränken, dies wurde jedoch nicht umgesetzt. Auch dieses Ereignis findet im Verlauf des Berichts immer wieder Erwähnung.

In der Anklageformel wird den 16 Angeklagten in acht Punkten verlesen, wessen sie sich schuldig gemacht haben. Im Anschluss werden die Angeklagten kurz vorgestellt. Datiert wird die Anklageschrift auf den 18. Oktober 1947.

Das Kapitel „Die Geständnisse“ umfasst einen kurzen Einleitungstext und beinhaltet Auszüge aus den Vernehmungen der Angeklagten. „Diese Auszüge sind in einigen Fällen, in denen die genaue Vernehmung einen zu breiten Raum einnehmen würde, weniger nach der Wichtigkeit des Geständnisses im Hinblick auf die Anklageschrift ausgewählt, als vielmehr mit der Absicht, das Charakteristische des Verlaufs der Vernehmungen und der Mentalität jedes einzelnen Angeklagten aufzuzeigen“ (S. 63). Der ehemalige Lagerkommandant Anton Kaindl wird etwa als Spießer dargestellt. Man könne ihm die Grausamkeit kaum ansehen und er spreche in einem neutralen Tonfall, „als gäbe er Auskunft über ganz alltägliche Dinge“ (S.64). Er war an zahlreichen Massenerschießungen beteiligt, wie er zugibt, und berichtet über die Einrichtung der Gaskammern in Sachsenhausen, die er „für die Massenvernichtung für zweckmäßig und auch für humaner“ (S. 66) hält. August Höhn, der zweite Lagerführer, wird als jemand beschrieben, der seine „Minderwertigkeitsgefühle“ (S. 70) durch Befehlsgewalt kompensiert. Er berichtet etwa von den üblichen Bestrafungen im KZ. Heinz Baumkötter, der ehemalige Chefarzt des Lagers, gibt Auskunft über die medizinischen Experimente. Ernst Brennscheidt hat eine „eigenartige Sonderstellung“ (S.92) inne, da er kein Mitglied der SS oder NSDAP war. Er war Leiter des Kommandos der Schuhprüfstelle und zwang Gefangene dazu, Wehrmachtsstiefel auszuprobieren und bei jeder Witterung elf Stunden zu laufen.

Im Kapitel „Die Anklagerede“ werden nochmals die Anklagepunkte zusammengefasst. Die Angeklagten sollen zu lebenslänglichem Freiheitsentzug in Verbindung mit Zwangsarbeit verurteilt werden. Das Kapitel „Die Verteidigung“ enthält die Reden von fünf Moskauer Rechtsanwälten, die die 16 Angeklagten vertreten. In diesen nehmen die Verteidiger immer wieder Bezug zu den politischen, sozialen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Nationalsozialismus. So wird immer wieder auf die Erziehung zur Gefühlskälte und die Verrohung der Menschen hingewiesen. Dabei sollen jedoch die Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht verharmlost werden, betonen sie. Als strafmildernder Aspekt wird weiter aufgeführt, dass die Angeklagten nahezu vollständig geständig sind. Immer wieder wird betont, wie wichtig dieser Prozess ist und dass dessen Ausgang für die Bevölkerung und auch für die Geschichte von großer Bedeutung sein wird.



Bearbeitet von: Sandra Binnert