Und Gott lacht… (1946)

Aus Frühe Texte der Holocaust- und Lagerliteratur 1933 bis 1949
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Angaben zum Werk

Titel Und Gott lacht…
Autor Hertog, Willem-Eicke den (1913-2008)
Genre Predigt

Ausgaben des Werks

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Ausgabe von 1946, München
Titel Und Gott lacht…
Untertitel Predigt eines holländischen Pfarrers gehalten am Ostermontag im Konzentrations-Lager Dachau

Erscheinungsort München
Erscheinungsjahr 1946
Auflage 1

Verlegt von Neubau-Verlag
Gedruckt von E. Mühlthaler’s Buch- und Kunstdruckerei GmbH
Publiziert von Hertog, Willem-Eicke den (1913-2008)

Herausgegeben von Gross, Karl Adolf (1892-1955)
Umfang 15 Seiten

Lizenz Veröffentlicht unter der Zulassung Nr. US-E-110 der Nachrichtenkontrolle der Militärregierung
Preise 50 Pfennig
Bibliotheksnachweise UBGI-icon.gif UB Gießen (Print-dnb-icon.gif gedruckte Ausgabe)
DNB-icon.gif Deutsche Nationalbibliothek (Print-dnb-icon.gif gedruckte Ausgabe)


Zusammenfassung

Basierend auf der Bibelstelle Johannes 20, 11-18, in der Maria Magdalena von Jesus Christus ausgesandt wird, die Botschaft seiner Auferstehung zu verkünden, entwickelt der im Konzentrationslager Dachau inhaftierte niederländische Pfarrer Willem Eicke den Hertog eine Predigt, die den am Ostermontag 1944 anwesenden Gottesdienstbesuchern Hoffnung geben soll. Dabei ist das Lachen Gottes, das einem gläubigen Christen auch im Konzentrationslager Zuversicht verspricht, ein zentrales Motiv.

Nach dem Tod Jesu Christi, so schildert es das der Predigt vorangestellte Bibelzitat, waren die Jünger verzweifelt; Maria Magdalena, die ihn noch einmal waschen wollte, war voll tiefer Traurigkeit. Die Situation der absoluten Hoffnungslosigkeit setzt den Hertog mit dem Leben im KZ gleich: „Selbst hier, mitten im Totenreich Dachau. […] Wir hoffen wie Maria vergebens“ (S. 7). Doch die scheinbar ausweglose und vom Tod bestimmte Situation wird am Ostermorgen durch die Auferstehung Jesu aufgebrochen: „Morgen des Lachens! Gottes Lachen über seine Feinde, Gottes Lachen über unsere grauenhafte Welt, Gottes Lachen über Tod und Todesschrecken“ (S. 8). Dabei, so betont den Hertog, lacht Gott nicht über den Menschen, sondern er lacht mit dem Einzelnen vor Freude über die Rettung. So wie Magdalena befreiend lachen konnte, nachdem sie den auferstandenen Jesus getroffen hat, so sollen der Glaube und das Lachen auch den im KZ Inhaftierten helfen, ihre Zuversicht zu behalten. Das Leid löst sich zwar nicht auf, aber es erscheint „in neuem Lichte“ (S. 11). Selbst wenn alles zum Weinen erscheint „in dieser tödlichen Welt im K.Z., ja gerade im K.Z.“ (S. 15), bringt Gott an Ostern das Lachen zurück, so den Hertog. Seinen Zuhörern versichert er die Anwesenheit Gottes auch im Konzentrationslager: „Spüren wir es nicht, wie Er selbst hier in Dachau, in der traurigen Wirklichkeit unseres jetzigen Schattendaseins, in der düsteren Kameradschaft des Todes, uns ruft zu seiner Osterfreude?“ (S. 13) Erst der Glaube und die Zuversicht machen ein Überleben im Leid des KZ möglich. Daher ist es die Pflicht eines jeden Zuhörers, in das Lachen miteinzustimmen und es weiterzutragen. Den Hertog schließt seine Predigt voller Hoffnung: „Tod, Sünde, Welt und mein böses Fleisch, ich lache euer. […] Denn das wird alles vorübergehen. Nur Gottes Lachen wird bleiben“ (S. 15).

Den Hertog wählt eine Sprache, welche typisch für Predigten ist: Auffallend sind die Vielzahl von mit Ausrufezeichen gekennzeichneten kurzen Sätze, die Verwendung von ‚wir‘ bzw. ‚unser‘ als einigendes Signal an die Gemeinde – zum Beispiel „[u]nser K.Z.“ (S. 5) –, die direkte Anrede des Zuhörers/Lesers und die Nennung von biblischen Figuren, Orten wie Golgatha und die Betonung von christlichen Leitmetaphern wie Glaube, Liebe und Hoffnung.

Der Predigt ist ein Vorwort vorangestellt, das die Besonderheit der Predigt den Hertogs im Konzentrationslager thematisiert. Dieses ist mit „Der Herausgeber“ (S. 3) unterschrieben; dahinter steht vermutlich der Pfarrer und ehemalige Dachau-Häftling Karl Adolf Gross.


Biografie

Willem Eicke den Hertog (geb. 13.11.1913 in Schoonhoven, gest. Dezember 2008 in Loosduinen) war als niederländischer Pfarrer, der sich in einem Osterbrief an seine Gemeinde gegen die Nationalsozialisten aussprach, von der Gestapo verhaftet und am 7. August 1942 in Dachau inhaftiert worden. Dort verblieb der nun als ‚Staatsfeind‘ geltende den Hertog bis zur Befreiung durch die Amerikaner im Pfarrerblock des Lagers. Karl Adolf Gross, ein Mitgefangener den Hertogs, berichtet in seinem nach dem Krieg veröffentlichten Tagebuch von der Heimkehr des „treue[n]“ den Hertogs in die Niederlande am Pfingstmontag 1945 (Gross o.J., S. 278). Den Hertogs Tochter erzählte später, dass „das Lager […] ihn zu einem Mann mit einer Mission“ (Goossensen 2009, o.S.) gewandelt habe. Nach seiner Rückkehr wirkte den Hertog bis 1968 als reformierter Pfarrer in Loosduinen und engagierte sich später in den Vorständen mehrerer christlicher Schulen. Nach einer Zeit in Den Haag und Oud-Beijerland verbrachte er seinen Lebensabens wieder in Loosduinen.

Quellen:

  • Gross, Karl Adolf: Fünf Minuten vor Zwölf. Des ersten Jahrtausends letzte Tage unter Herrenmenschen und Herdenmenschen. Dachauer Tagebücher des Häftlings Nr. 16921. München o.J.
  • Gross, Karl Adolf (Hg.): Das aufgebrochene Tor. Predigten und Andachten gefangener Pfarrer im Konzentrationslager Dachau. München 1946.


Werkgeschichte

Die Predigt wurde von Willem Eicke den Hertog am Ostermontag 1944 abends im Pfarrerblock des KZ Dachau gehalten. In den Vorbemerkungen heißt es dazu: „Der Ort, an dem sie gehalten wurde, war die sogenannte Kapelle des Blockes 26. Seit Ende des Jahres 1940 diente die erste Stube des Pfarrerblockes unter dieser euphemistischen Bezeichnung als Gottesdienstraum für die gefangenen Geistlichen beider Konfessionen“ (S. 3). Die Wirkung der Worte beschreibt K. A. Gross, ebenfalls ein gefangener Pfarrer in Dachau – und später Herausgeber der Schrift den Hertogs –, in seinem Tagebucheintrag vom 11. April 1944: „Abends besuchte ich mit dem Knaben Hiob heimlich die Osterpredigt, die uns ein holländischer Geistlicher hielt namens den Hertog. Sie war so gewaltig, daß mein Begleiter meinte, so ein Kaliber habe er seiner Lebtag noch nicht schießen hören auf einer Kanzel, und dazu müsse man ins KZ kommen! Sie schloß erschütternd mit dem Rufe: Amen! Jesus Christus! Hallelujah! in welchen Fanfarenstoß der junge Geistliche noch einmal den ganzen Osterernst und Osterjubel hineinlegte, der die Predigt durchklungen hatte“ (Gross o.J., S. 198). Neben der Einzelpublikation von den Hertogs Predigt erschien sie – im identischen Wortlaut – in der ebenfalls von K. A. Gross 1946 herausgegebenen Schrift „Das aufgebrochene Tor. Predigten und Andachten gefangener Pfarrer im Konzentrationslager Dachau“ im Neubau Verlag, der sich auf christliche Texte spezialisiert hatte. Spätere Publikationen sind nicht bekannt, allerdings sind den Hertogs Ausführungen bis heute ein oft genutzter kirchlicher Predigttext zum Thema ‚Osterlachen‘.

Quellen:

  • Gross, Karl Adolf: 2000 Tage Dachau. Erlebnisse eines Christenmenschen unter Herrenmenschen und Herdenmenschen. Berichte und Tagebücher des Häftlings Nr. 16921. München o.J.
  • Gross, Karl Adolf: Das aufgebrochene Tor. Predigten und Andachten gefangener Pfarrer im Konzentrationslager Dachau. München 1946, S. 88-105.



Bearbeitet von: Christiane Weber