Unter dem gelben Stern (1948)

Aus Frühe Texte der Holocaust- und Lagerliteratur 1933 bis 1949
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Angaben zum Werk

Titel Unter dem gelben Stern. Ein Tatsachenbericht aus der Zeit von 1933 bis 1945
Autor Hochhäuser, Abraham
Genre Bericht

Ausgaben des Werks

Ausgabe von 1948, Koblenz
Titel Unter dem gelben Stern. Ein Tatsachenbericht aus der Zeit von 1933 bis 1945

Erscheinungsort Koblenz
Erscheinungsjahr 1948

Verlegt von Humanitas Verlag
Gedruckt von Druckerei A. Daehler
Publiziert von Hochhäuser, Abraham

Umfang 55 Seiten

Bibliotheksnachweise DNB-icon.gif Deutsche Nationalbibliothek (Print-dnb-icon.gif gedruckte Ausgabe)
DNB-icon.gif Deutsche Nationalbibliothek (Online-dnb-icon.gif elektronische Ausgabe)

Zusammenfassung

Der kurze Bericht Abraham Hochhäusers schildert dessen Verfolgung als polnischer Jude sowie fünf Jahre Arbeitslager und Konzentrationslagerhaft zwischen 1940 und 1945. Er beginnt mit einer Vorladung ins Breslauer Polizeipräsidium am 16. Oktober 1934. Neun Wochen wird er im Gefängniskeller aufgrund einer Denunziation wegen „Beleidigung des Führers“ (S. 8) festgehalten, immer wieder verhört und misshandelt, aber schließlich am 22. Dezember 1934 wieder freigelassen. Weitestgehend chronologisch schildert der Autor in Vergangenheitsform seine persönliche Verfolgungs- und Leidensgeschichte, die neben der jahrelangen Lagerhaft auch den Verlust beinahe der gesamten Familie umfasst. Seine Frau, das gemeinsame Kind und die Mutter werden ermordet. Von den neun Geschwistern kommen drei Schwestern in der Gaskammer um, den Brüdern gelingt die Flucht ins Ausland.

Wichtig ist Hochhäuser eingangs zu betonen, dass er als polnischer Staatsbürger und Jude seit seiner frühesten Kindheit in Deutschland gelebt und Erinnerungen an ein ganz anderes Deutschland als das nationalsozialistische hat, an ein Deutschland, in dem Juden eine politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Rolle spielten und geschätzt wurde. Auch die Leistungen innerhalb der Künste und der Wissenschaften seien für immer Teil der deutschen Geistesgeschichte.

Nach seiner Entlassung aus der Haft in Breslau flieht Hochhäuser mit seiner Frau nach Danzig. Zunehmend sind sie jedoch auch in Danzig durch antisemitische Verfolgungsmaßnahmen und ‚Arisierungsmaßnahmen‘ bedroht, so dass sie nach Kattowitz gehen, wo inzwischen auch die Mutter, die zunächst in Deutschland geblieben waren, eingetroffen ist. Gesundheitlich angeschlagen muss Hochhäuser „die längste Zeit dieses Jahres in Polen im Bett verbringen“ (S. 13). Mit den geretteten Ersparnissen können sie mit knapper Not den Lebensunterhalt bestreiten. Mit Beginn des Krieges und dem Einmarsch der deutschen Armee in Polen flieht das Ehepaar mit dem inzwischen einjährigen Kind nach Brzesko. Hochhäuser kehrt noch einmal nach Sosnowitz zurück, um nach seiner Mutter zu sehen, die dort zurückgeblieben ist. Er kommt jedoch nur bis Krakau, wo er sich einem riesigen Trupp fliehender Menschen anschließt und 14 Tage „durch das von der Kriegsfurie heimgesuchte Land“ (S. 15) zieht. Als sie bei Lublin von den von vorrückenden Deutschen eingeholt werden, verliert er seinen Schwiegervater und den Schwager, die er zufällig auf dem Marsch getroffen hatte. Sein einziges Ziel ist es jedoch, zu seiner Frau und dem Kind zurückzukehren. Unterwegs trifft er überall auf vom Krieg zerstörtes Land, „aufgerissene Felder und Wiesen, durch granatenzerfetzte Wälder, an verbrannten Häusern und Dörfern vorbei, in denen Berge von Toten die einzigen Einwohner waren. Unterwegs begegnete man immer wieder neuen Leichengruppen; Tote, wohin man blickte“ (S. 15). Seine Frau und das Kind findet er wohlbehalten in einer Kellerruine eines ausgebrannten Hauses in Brzesko wieder und sie kehren nach Sosnowitz zurück, wo sie ein Jahr relativ unbehelligt leben. 1940 werden die Juden zu Arbeitseinsätzen herangezogen und im Oktober 1940 wird Hochhäuser auf einem der ersten Transporte, der arbeitsfähige Juden zu Transport nach Deutschland bestimmt, nach Schlesien gebracht. Die Angehörigen bleiben in Polen, wo sie in das neu eingerichtete Getto in Sosnowitz eingesperrt werden, bis sie im August 1943 nach Auschwitz deportiert werden.

Hochhäuser selbst befindet sich seit dem 24. Oktober 1940 in dem Lager Brande in Oberschlesien, wo er schwere Arbeit verrichten muss und ständigen Schikanen ausgesetzt ist. Für viele Häftlinge ist der einzige Ausweg aus der unerträglichen Situation der Selbstmord. Bei einem Heimaturlaub an Pfingsten 1941 kann Hochhäuser noch einmal seine Familie in Sosnowitz besuchen. Der Sohn ist inzwischen zwei Jahre alt und Hochhäuser ahnt beim Abschied, dass er ihn wohl zum letzten Mal sieht. Hin und wieder gelingt es ihm danach noch, Nachrichten aus dem Getto zu erhalten, die jedoch nur „traurige Botschaften“ (S. 32) enthalten und denen er entnimmt, „daß wir im Verhältnis zu ihrer Lage noch paradiesisch zu leben scheinen“ (S. 32).

Im Winter 1941 wird das Lager aufgelöst und er in das Zwangsarbeitslager Tarnowitz überstellt, das die Häftlinge jedoch erst selbst unter schwierigsten Bedingungen und großer Hoffnungslosigkeit errichten müssen. Hier kommen sie auch mit Häftlingen anderer Länder in Berührung. Bestrafungen und körperliche Misshandlungen durch das Wachpersonal, aber auch durch den jüdischen Lagerältesten, sind an der Tagesordnung.

Von Tarnowitz wird er schließlich in das Arbeitslager Markstädt, in der Nähe von Breslau gebracht. Auch hier erwarten sie schwere Arbeit und ungenügende Verpflegung und ständige Bestrafungen. Am 22. August 1943 geht der letzte Transport aus dem Sosnowitzer Getto nach Auschwitz ab, wo auch Hochhäusers Familie ermordet wird. „Damit war alle Hoffnung auf ein Wiedersehen mit den Meinen ausgelöscht. Das einzige, was einem zu tun blieb, war dem unerbittlichen Zwang zur Arbeit zu folgen“ (S. 35).

Vom Arbeitslager wird Hochhäuser im November 1943 nun bei einer Selektion mit den übrigen ‚Gesunden‘ zusammen ins Konzentrationslager Fünfteichen überstellt. Auf dem Appellplatz werden sie durch Kniebeugen und dem Befehl die Mütze auf- und abzusetzen schikaniert. Hochhäuser beschreibt den strikten und erbarmungslosen Häftlingsalltag, der aus Hunger, Enge, harter Arbeit, Krankheiten, Schikanen und dem Sterben der Häftlinge besteht, und den er ein Jahr und einen Monat dort übersteht. Am 20. Januar 1945 soll Fünfteichen geräumt werden. Kein Häftling soll in die Hände des Feindes fallen. Vor der Auflösung werden die Bestände des Lagers den Häftlingen freigegeben, es entstehen Tumulte und die Posten, die sich nicht mehr ins Lager trauen, schießen vom Turm in die Menge. Am Nachmittag marschieren die Häftlinge ab, die zurückgebliebenen Kranken werden erschossen.

Auf dem Marsch Richtung Westen durch den Schnee kommen tausende Häftlinge um. Schließlich erreichen sie nach vier Tagen das KZ Groß-Rosen, wo sie sechs Wochen verbringen bevor sie bereits völlig entkräftet weiter in das völlig überfüllte KZ Buchenwald getrieben werden. Für die „Bessergestellten“ (S. 59) habe Buchenwald sogar einen gewissen Komfort, so Hochhäuser, mit dem Häftlingsbordell und dem Krankenrevier, wo für politische Häftlinge von internationalem Rang Ärzte und Medikamente verfügbar waren, „für die große Masse aber eine Hölle auf Erden“ (S. 50). Nach Buchenwald geht es für Hochhäuser weiter in das KZ Büsingen in Hohenzollern, wo er erneut schwer arbeiten muss. Tägliche Bombardierungen kündigen an, dass die Alliierten immer näherkommen. Als das Lager evakuiert wird, wird Hochäuser nach Allach, einem Nebenlager von Dachau, gebracht. Hier muss er die Tausenden von Toten auf Rollwagen laden, damit sie ins Krematorium gebracht werden können. Kaum Aussicht sieht Hochhäuser, diese letzte Station zu überleben. Noch einmal werden sie verladen. Acht Tage ist der Zug unterwegs und steht die meiste Zeit still auf den Gleisen. Hochhäuser hat furchtbare Angst, dass sie noch in den letzten Minuten als Zeugen der schrecklichen Verbrechen der Deutschen umgebracht werden. Zudem sterben die Häftlinge massenweise an Hunger. Am 29. April 1945 werden sie schließlich durch das Rote Kreuz befreit. Der Autor schließt seinen Bericht mit der Hoffnung, dass „auf dem großen Massengrab der vielen unbekannten politischen Häftlinge, auf den Gräbern von Millionen von Frauen, Männern und Kindern […] die Liebe unter den Menschen zu neuem Leben erwachen [möge]“ (S. 54).

Im Vorwort, dass vom Sommer 1948 in Koblenz datiert, legt Abraham Hochhäuser dar, dass er drei Jahre gezögert habe, mit der Niederschrift dessen, was er in fünf Jahren Konzentrationslager erlebt habe, um seinen „Leidensweg leidenschaftslos und ohne Haß niederschreiben zu können“ (o.S.). Es habe kein Sensationsbericht daraus werden sollen, „sondern die unmittelbare Schilderung eines Mannes, der ganz tief drinnen gesteckt hat in der Masse der Totgeweihten, das persönliche Erlebnis eines Mannes aus dem Volke, der unter normalen Umständen vielleicht niemals in seinem Leben auf den Gedanken gekommen wäre, die Feder in die Hand zu nehmen und andern zu vermitteln, was er erlebt und gedacht hat“ (o.S.). Danken möchte er den Befreiern und in Ehrfurcht den toten Leidensgenossen gedenken sowie in Liebe seinen drei Schwestern und ihren Kindern, seiner Mutter, seiner Frau und seinem Kind, „von denen nichts geblieben ist als das Gedächtnis und die tiefe Liebe eines einsam Überlebenden“ (o.S.).

Auch im Nachwort betont er noch einmal, dass er seinen Bericht ohne Hass wiedergebe, weil es ihm ein Bedürfnis sei, „diese Tragödie allen ins Gewissen zu rufen, die nichts mehr davon zu wissen vorgeben und die nichts mehr davon hören möchten“ (S. 55). Er habe alles verloren, auch das teuerste, die Familie. Er habe unter dem gelben Stern gelitten, werde ihn jedoch immer tragen, „nicht in der Farbe, die sie uns aufgezwungen haben, sondern als Zeichen eines freiheitsliebenden Menschen und Juden“ (S. 55).

Dem Text ist ein Zitat von Heinrich Heine vorangestellt: „Denk ich an Deutschland in der Nacht, bin ich um meinen Schlaf gebracht!“ (o.S.)



Bearbeitet von: Charlotte Kitzinger