Widerstand in Auschwitz (1949)

Aus Frühe Texte der Holocaust- und Lagerliteratur 1933 bis 1949
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Angaben zum Werk

Titel Widerstand in Auschwitz
Autor Baum, Bruno (1910-1971)
Genre Erinnerungsbericht

Ausgaben des Werks

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Ausgabe von 1949, Berlin
Titel Widerstand in Auschwitz
Untertitel Bericht der internationalen antifaschistischen Lagerleitung

Erscheinungsort Berlin
Erscheinungsjahr 1949

Verlegt von VVN-Verlag

Publiziert von Baum, Bruno (1910-1971)

Umfang 55 Seiten

Bibliotheksnachweise UBGI-icon.gif UB Gießen (Print-dnb-icon.gif gedruckte Ausgabe)
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Zusammenfassung

Bruno Baum beschreibt in seinem Bericht den illegalen Widerstandskampf der internationalen Häftlinge – überwiegend Kommunisten und Sozialisten – im Konzentrationslager Auschwitz von 1943 bis Januar 1945, den er als Kommunist und politischer Häftling selbst mitanführt. Baum beginnt seine Schilderungen mit dem Aufbau und der Einrichtung des Lagers 1940 und dem Ausbau der verschiedenen Lager Auschwitz I, II und III, sowie weiterer Nebenlager. Knapp stellt er die Selektionen und Massenvergasungen dar, denen, bis auf einen geringen Prozentsatz, der ausgewählt wurde, „um als Arbeitsvieh ausgenutzt zu werden“ (S. 11), die meisten Häftlinge zum Opfer fallen.

Schon lange vor dem Aufbau der Widerstandsorganisation habe eine große Anzahl von Kommunisten und Sozialisten, wie etwa Ludwig Wörl, Hermann Langbein oder Jόzef Cyrankiewicz, im Widerstand zusammengearbeitet, führt Baum aus. Langbein sei es gelungen, als Schreiber beim Standortarzt Wirths Hunderte von polnischen Kämpfern vor der Vergasung zu retten. Angesichts dieser Hölle sei es vielen politischen Gefangenen ein Anliegen gewesen, „den Menschen wieder Lebensmut zu geben und ihnen zu zeigen, daß es einen Ausweg aus dieser Not gibt“ (S. 12). Nach der Schlacht von Stalingrad Anfang 1943 und den zunehmenden Kämpfen polnischer Partisanengruppen in der Nähe des Lagers beschließen österreichische und deutsche Kommunisten und Sozialisten, aber auch Juden, gemeinsam mit anderen Nationen eine Widerstandsgruppe aufzubauen. Sie einigen sich darauf, dass die Polen ihre Organisation allein und alle anderen Nationen eine gemeinsame aufbauen, wobei die beiden Spitzen jedoch zusammenarbeiten wollen. Sie schaffen eine militärische Leitung, die aus je einem französischen, polnischen und österreichischen Kameraden besteht. Baum, der ab Sommer 1944 zur Leitung der illegalen Widerstandsorganisation gehört, beschreibt den Aufbau und die Zusammensetzung der Leitung der Widerstandsorganisation und nennt dabei auch einige Namen. Er selbst ist als Elektriker in der Wäscherei beschäftigt, wo er „erhebliche Bewegungsfreiheit“ (S. 24) hat, was seiner illegalen Arbeit zugute kommt. Die Mitglieder beginnen, Nachrichten aus Presse und Rundfunk zu sammeln und Häftlinge, die außerhalb des Lagers arbeiten, aufzufordern, Lebensmittel zu stehlen. Auch fälschen die zur Organisation gehörenden Blockältesten und Blockschreiber 1944 die Karteien, um die bei Selektionen stark gefährdeten über 50-Jährigen zu retten. Die Frauen beschaffen aus der Pulverkammer einer Werkhalle Sprengstoff, den sie im Brot verstecken. Sogar ein Flugzeug können sie organisieren, das 20 Kilogramm Sprengstoff außerhalb des Lagers mit einem Fallschirm abwirft. Partisanen bringen diesen nach und nach in kleinen Mengen ins Lager.

Im Sommer 1944 warnt die Organisation die Häftlinge des sogenannten Sonderkommandos, die bei der Ermordung der Juden mithelfen müssen, davor, dass diese als Mitwisser selbst vergast werden sollen. Sie schlagen ihnen, „die sowieso zum Tode verurteilt waren, vor, sofort mit einem bewaffneten Akt loszuschlagen und auszubrechen“ (S. 21). Das Sonderkommando beschafft nun in monatelanger Vorbereitung Waffen – auch Maschinenpistolen – und als erneut Vergasungen aus ihren Reihen geplant sind, wird das Krematorium in Brand gesteckt und 600 Häftlinge beginnen den Aufstand. Schnell gelingt es, die Postenkette des Lagers zu durchbrechen. Erst etwa sechs Kilometer vom Lager entfernt werden sie von größeren SS-Verbänden gestellt und hingerichtet. Dennoch, so Baum, habe dieser Vorfall das Selbstwertgefühl, auch der Juden, im Lager stark gehoben: „So wurde das Blutopfer des Sonderkommandos ein starkes Band, das die internationale Lagersolidarität festigte“ (S. 22).

Baum lobt besonders auch die Frauen der Widerstandsorganisation, die Nachrichten zwischen den Männern vermitteln, Aufklärungsarbeit leisten und Sprengpulver beiseiteschaffen. Die größte Aufgabe der Organisation ist es gewesen, Briefe und Berichte aus dem Lager zu schmuggeln, um über die Vergasungen und Tötungsarten zu informieren, da diese selbst von denjenigen, die „lange Jahre in der Illegalität gegen Hitler gekämpft hatten und die unendlichen Grausamkeiten der Nazis kannten, nicht geglaubt“ (S. 32) werden.

Mitte 1944 beginnen diese Veröffentlichungen im großen Stil. Eine Redaktionskommission bestehend aus den Österreichern Albert Haas und Otto Heller sammelt Material und schreibt Reden sowie Aufsätze. In der Wäscherei, wo Baum arbeitet, werden sie weitertransportiert. Mindestens zwei Mal pro Woche sei etwas abgeschickt worden, so Baum: „Ich glaube, es ist keine Übertreibung, wenn ich sage, daß der größte Teil der Auschwitzpropaganda, die um diese Zeit in der Welt verbreitet wurde, von uns im Lager selbst geschrieben worden ist“ (S. 34). In Krakau erscheint zudem die im Lager verfasste Zeitung „Auschwitzer Echo“, die die Öffentlichtkeit mobilisieren soll.

Als die Front immer näher rückt und das Lager liquidiert werden soll, beschließt die Organisation, den bewaffneten Aufstand vorzubereiten. Die Pläne sehen im Wesentlichen einen Massenausbruch vor, so wird eine Reihenfolge festgelegt, in der die Ausbrüche unternommen werden sollen. Baum selbst soll jedoch mit Heinz Dürmayer zunächst zurückbleiben, um die Widerstandsarbeit im Lager nicht zu gefährden. Am 29. Oktober 1944 startet die Flucht der ersten Gruppe, da der Plan jedoch durch einen SS-Fahrer verraten wird, gelingt diese nicht. Die betroffenen Häftlinge nehmen Gift, um die Aktion nicht unter Folter zu verraten, einige überleben jedoch und die Gruppe fürchtet die vollständige Aufdeckung.

Am 18. Januar 1945 setzt die Evakuierung des Lagers ein. Auch Baum wird mit einem Teil der Widerstandsorganisation in das KZ Mauthausen verbracht. Er schließt seinen Bericht mit dem Appell, dass alle, die der „Hölle von Auschwitz“ (S. 55) entronnen seien, nicht ruhen sollen, „bis diese Gewaltigen ihrer gerechten Strafe zugeführt und ihre Unternehmen in die öffentliche Hand übergeführt sind“ (ebd.). Nur so sei ein neues Auschwitz zu verhindern.

Dem Bericht ist ein Zitat von Jόsef Cyrankiewicz vorangestellt, der Ministerpräsident in Polen von 1947 bis 1952 und von 1954 bis 1970 sowie ehemaliger Häftling der KZ Auschwitz und Mauthausen war. Er gehörte dem illegalen internationalen Kommitee der politischen Gefangenen des KZ Mauthausen an. Er fordert einen „gemeinsamen solidarischen Kampf [...] gegen die neuerstehende faschistische Reaktion und gegen die Kriegshetzer, für die Erringung der inneren und äußeren Freiheit jedes Landes, für den Völkerfrieden“ (o.S.).


Biografie

Bruno Baum (geb. 03.02.1910 in Berlin, gest. 13.12.1971 in Potsdam) wurde in eine jüdische Familie geboren, der Vater war Schneider und Bügler. Von 1916 bis 1924 besuchte Baum die jüdische Knabenschule in Berlin, von 1924 bis 1928 absolvierte er eine Ausbildung zum Elektriker und arbeitete danach bis 1930 in diesem Beruf.

Ab 1926 war er Mitglied des Deutschen Metallarbeiter-Verbandes (DMV), des Kommunistischen Jugendverbands Deutschland (KJVD) sowie der Roten Jungfront, dem Jugendverband des Roten Frontkämpferbunds (RFB), der paramilitärischen Kampforganisation der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) in der Weimarer Republik. 1927 trat er der KPD bei und 1928 aus der Jüdischen Gemeinde aus. Er besuchte die KJVD-Verbandsschule in Dresden und wurde 1929 Mitglied des RFB und Unterbezirksleiter sowie Gauführer der Roten Jungfront Berlin-Brandenburg.

Mehrmals war er kurzzeitig inhaftiert: 1931 etwa verbrachte er einen Monat im Gefängnis wegen der Weiterführung des verbotenen Roten Frontkämpferbundes. 1933/34 war er Leiter des KJVD-UB Berlin-Friedrichshain und Instrukteur bei der Siemens AG. 1934/35 besuchte er unter dem Decknamen Fritz Anders die Internationale Lenin-Schule in Moskau und arbeitete ab 1935 unter den Decknamen Fritz Anders und Walter Schwarz als politischer Leiter und Sekretär der KJVD in Berlin zusammen mit Erich Honecker, Gerhard Rolack und Kurt Hager. Im Dezember 1935 wurde er zusammen mit Erich Honecker und Edwin Lautenbach verhaftet. Er verbrachte 18 Monate in Untersuchungshaft; wegen ‚Vorbereitung zum Hochverrat‘ wurde er 1937 zu einer 13-jährigen Haftstrafe verurteilt. Von 1937 bis 1943 war Baum im Zuchthaus Brandenburg-Görden inhaftiert und wurde 1943 ins Konzentrationslager Auschwitz überstellt. Dort war er im Stammlager als Elektriker tätig, was ihm seine Mitgliedschaft in der illegalen internationalen Lagerleitung erleichterte. Am 18. Januar 1945 wurde Baum ins KZ Mauthausen verbracht, wo er das Internationale Komitee des Krankenlagers leitete, bis er am 5. Mai 1945 durch die amerikanischen Truppen befreit wurde.

Nach Kriegsende heiratete Baum. Er war von 1945 bis 1949 Sekretär für Kultur und Erziehung der KPD-Bezirksleitung. Ab 1948 gehörte er der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) an. Von 1949 bis 1951 war er Stadtrat für Wirtschaft beim Magistrat Groß-Berlin und von 1951 bis 1959 Sekretär der SED-Bezirksleitung Groß-Berlin, wo er von 1953 bis 1959 für den Bereich Berlin West zuständig war. Ab 1958 war Baum Mitglied des Zentral-Komitees der SED und wurde 1959/60 Bereichsleiter im Ministerium für Außenhandel und Innerdeutschen Handel (MAI). Ab 1960 war er Mitglied der SED-Bereichsleitung Potsdam, wo er als Sekretär für Wirtschaft und Leiter des Büros für Industrie und Bauwesen eingesetzt war. Bis 1963 absolvierte er außerdem ein Fernstudium zum Elektroingenieur an der Ingenieurhochschule für Starkstromtechnik Velten-Hohenschöpping. 1964 wurde er Mitglied des reorganisierten Komitees der Antifa. 1955, 1960 und 1970 wurde Baum mit dem Vaterländischen Verdienstorden ausgezeichnet. 1960 erhielt er das Banner der Arbeit und 1964 den Karl-Marx-Orden. Nach ihm wurden zudem zahlreiche Straßen in der DDR benannt.

Quelle:


Werkgeschichte

Bruno Baums Bericht über Auschwitz wurde nach der Erstausgabe 1949 im VVN-Verlag auch 1957 und 1962 im Berliner Kongress Verlag herausgegeben. Die Ausgaben unterscheiden sich jeweils etwas voneinander. So fügte Baum bei den weiteren Ausgaben Namen hinzu und ließ andere dafür weg. Es wurde offenbar teilweise kritisiert, dass einige Häftlinge aus dem Lagerwiderstand, die in der ersten Ausgabe 1949 genannt waren, in der Ausgabe 1962 nicht mehr erwähnt werden. Wiederum erschienen in der Auflage von 1962 Personen, die in der Erstausgabe 1949 noch nicht vorkamen. Auch der ehemalige österreichische Auschwitzhäftling Hermann Langbein, der der Kampfgruppe Auschwitz angehörte, sah Baums Ausführungen kritisch. Geschichtsrevisionisten und Holocaustleugner nutzten Baums Text teilweise, um die Schilderungen der Haft in Auschwitz als ‚kommunistische Propaganda‘ zu diffamieren.

Quellen:

  • Baum, Bruno: Widerstand in Auschwitz. Bericht der internationalen antifaschistischen Lagerleitung. 1. Aufl.: VVN-Verlag, Potsdam 1949.
  • Baum, Bruno: Widerstand in Auschwitz. Bericht der internationalen antifaschistischen Lagerleitung. Erw. Neuausgabe, Berlin: Kongress Verlag, Berlin 1957, 2. bearb. Aufl. ebd. 1962.



Bearbeitet von: Charlotte Kitzinger