...damit du weiterlebst (1949)

Aus Frühe Texte der Holocaust- und Lagerliteratur 1933 bis 1949
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Angaben zum Werk

Titel ...damit du weiterlebst
Autor Brüning, Elfriede (1910-2014)
Genre Roman

Ausgaben des Werks

Ausgabe von 1949, Berlin
Titel ...damit du weiterlebst

Erscheinungsort Berlin
Erscheinungsjahr 1949

Verlegt von Verlag Neues Leben
Gedruckt von Universalverlag GmbH
Publiziert von Brüning, Elfriede (1910-2014)

Umfang 248 Seiten

Lizenz Lizenz Nr. 391 der SMAD-Gen. Nr. 4849/49-6294/49

Bibliotheksnachweise UBGI-icon.gif UB Gießen (Print-dnb-icon.gif gedruckte Ausgabe)

Zusammenfassung

Der Roman erzählt, basierend auf Tatsachenmaterial und den Berichten Beteiligter, das Schicksal einiger Mitglieder einer deutschen Widerstandsgruppe gegen die Nationalsozialisten ab dem 23. August 1942. Im besonderen Maße kreist der Roman um die Schicksale der Frauen und Mütter dieser Gruppe sowie das Trauma der Kinder. Im Mittelpunkt steht neben dem Ehepaar Steffen, deren Sohn im Gefängnis geboren wird, und die beide schließlich hingerichtet werden, auch die Jüdin Lotte Burckhardt. Brüning stellt im Nachwort des Textes klar, dass die „Hauptträger der Handlung [...] wirklich gelebt und die geschilderten Leiden [haben] erdulden müssen, bis zum bitteren Ende“ (S. 245). Von den wenigen, die am Leben geblieben seien, habe sie den Stoff für das Buch erzählt bekommen. Reale Vorbilder für das Paar Hilde und Hans Steffen sind die Widerstandskämpfer Hilde und Hans Coppi. Sie waren Mitglieder der ‚Schulze-Boysen-Gruppe‘, die von der Gestapo auch als ‚Rote Kapelle‘ bezeichnet wurde. Der Roman, der Hans Coppi gewidmet ist, basiert unter anderem auf den Briefen von Hans und Hilde. Reales Vorbild für Lotte Burchkardt, die Hauptfigur der Parallelgeschichte, ist Charlotte Paech-Holzer, die der Widerstandsgruppe von Herbert Baum angehörte. Im Roman arbeiten die beiden Gruppen zusammen.

Der Roman beginnt mit der Aushebung der einzelnen Mitglieder der Widerstandsgruppe. Während der Leser einerseits die verzweifelten Bemühungen der Mitglieder verfolgt, die Organisation und sich selbst zu retten, erfährt er andererseits durch den Erzähler, wie vergeblich die Hoffnungen und Handlungen der Figuren sind: „An diesem 21. August 1942, als Herbert Busch, im legalen Leben Ingenieur der Patentabteilung von Siemens, illegal der geistige Urheber eines Geheimsenders, überraschend an seinem Arbeitsplatz verhaftet wurde, nahm das Verhängnis, das über der Widerstandsgruppe lag, bereits schicksalhaft seinen Lauf“ (S. 33). Der auktoriale Erzähler springt immer wieder zwischen den Ereignissen und verschiedenen Handlungssträngen. Er wechselt die Perspektive zwischen den verschiedenen Figuren, verlässt sie an bestimmten Punkten der Erzählung – häufig an entscheidenden Momenten –, um später zu ihnen zurückzukehren, und stellt so Spannungsbögen her. Vorausgriffe und Andeutungen auf späteres – meist unheilvolles – Geschehen dienen ebenfalls der Spannungserzeugung.

Den Bestrebungen der Widerstandskämpfer gegenübergestellt sind die beiden Gestapobeamten Unterscharführer Dietrich Scharnke und Möller. Durch diese wird deutlich, wie sich das Netz um die Gruppe unweigerlich immer dichter zieht. Immer mehr nähern sich Scharnke und Möller den einzelnen Mitgliedern des Widerstandskreises an, einer nach dem anderen wird enttarnt und festgenommen. Scharnke, der auf jede verfügbare Papierfläche Fischgestalten in allen erdenklichen Formen malt, erklärt diese Manie seinen spottenden Kollegen so: „‘Was wollt ihr?‘ fragte er grinsend. ‚Das sind alles Fische, die mir früher oder später ins Netz gehen‘“ (S. 51). Er weist ausgeprägte sadistische Neigungen auf. Dabei sind Juden seine „Spezialität“ (S. 53), nichts versetzt ihn so in Ekstase und lässt ihn „schöpferisch“ (S. 54.) werden, wie der Blick eines gequälten Juden. Mit Genuß denkt er an die „Dinge“ (S. 53), die er sich in Polen und während des Vormarsches im Western „mit den Judenweibern geleistet“ (S. 53) hat: „Es überkam ihn jetzt noch angenehm, wenn er daran dachte. Aber solche Erlebnisse behielt man natürlich für sich, man ergötzte sich daran noch in der Erinnerung und richtete sich im Bewußtsein seines unter Beweis gestellten Herrenmenschentums daran auf“ (ebd.). Die Aufgabe von Hans und Hilde ist das Abhören der ausländischen Sender. Dabei notieren sie die Adressen von Soldaten, die sich in Kriegsgefangenschaft befinden, und informieren die Angehörigen. Außerdem entwerfen sie Flugblätter, die vor allem die deutschen Frauen aus ihrer Passivität aufrütteln und ihnen die Augen über die Gräueltaten der Nationalsozialisten öffnen sollen. In einer dramatischen und bis in Einzelheiten spannend geschilderten Beschattungsaktion wird die schwangere Hilde von Möller bei der illegalen Arbeit beobachtet und im September 1942 festgenommen. Auch Hans, der kurz zuvor seinen Frontbefehl erhalten hat und bereits in der Kaserne ist, wird verhaftet. Gleichzeitig ist Scharnke Lotte auf der Spur, die von einem Versteck ins nächste wandert, und verhaftet sie.

Lotte und Hilde begegnen sich schließlich in der Frauenabteilung der Haftstätte. Beide vereint die Sorge um ihre Kinder. Als Lotte einen Selbstmordversuch unternimmt, schlägt Hilde Alarm, um sie davon abzuhalten: „Unser Weg ist hart, aber wir müssen ihn zu Ende gehen. Schon um unserer Kinder willen“ (S. 164). Sie hofft, dass wenigstens Lotte überleben wird: „Und denke an Eva! Einer von uns muß ihr später erzählen können, wie alles war. Sie werden uns nachher brauchen – die Jungen“ (S. 168).

Hilde macht sich wenig Illusionen über ihr eigenes Schicksal. Sie weiß, dass sie nur solange am Leben bleiben wird, bis ihr Kind geboren und abgestillt ist: „Hildes einzige Sorge war, daß die Gestapo das Kind nicht herausgeben würde, daß sie es in ein Lager steckte, daß sie – das war der schlimmste Gedanke – das Kind zweier Landesverräter nicht für wert hielt, am Leben zu bleiben“ (S. 176f.). Mit Hans, der auf seine Verurteilung zum Tode wartet, tauscht sie liebevolle und von der Freude über das gemeinsame Kind getragene Briefe aus. Beide hoffen, dass es Hans gelingen wird, sein Kind wenigstens ein einziges Mal zu sehen. Am 19. November kommt der Sohn schließlich zur Welt; Hilde nennt ihn nach dem Vater. Hans ist außer sich vor Freude und auch sein Gesuch, seinen Sohn sehen zu dürfen, wird Anfang Dezember bewilligt.

Kurz vor Weihnachten wird Hans schließlich in Plötzensee hingerichtet. Seine Mutter Frieda, die in alle Aktivitäten von Hans und Hilde tief involviert ist und diese aktiv unterstützt, erfährt die Nachricht von seinem Tod beim Abhören der ausländischen Sender. Hilde darf noch einige Monate lang den Sohn stillen. Der Gedanke an die Trennung lässt sie fast verzweifeln, wie sie in einem Brief an die Schwiegermutter bekennt: „Ich glaube, für eine Mutter kann es keine größere Strafe geben, als sie von ihrem Kind zu trennen“ (S. 218). Im August 1943 wird auch Hilde hingerichtet. Der Abschiedsbrief an ihre Mutter und Schwiegermutter ist getragen von der Liebe zu ihrem kleinen Sohn und der Hoffnung auf ein gutes Leben für ihn. Der kleine Hans lebt nun bei seiner Großmutter Frieda. Sie ist jedoch eine gebrochene Frau. Entgegen den nahezu fröhlichen Berichten, die sie ihrer Schwiegertochter bis zuletzt in die Haft schreibt, steht sie nahezu mittellos dar, nachdem ihr Eigentum beschlagnahmt wurde. Sie verschweigt Hilde auch, dass ihre Mutter verstorben ist. An ihrem Enkelkind kann sie sich nicht richtig freuen: „Der Junge – das war die Verkörperung alles dessen, was nur noch schmerzliche Erinnerung war. Wenn Frieda ihn ansah, dann brachen alle Wunden erneut in ihr auf, und sie war manchmal außerstande, die geringste Handreichung für ihn zu tun“ (S. 222).

Inzwischen ist Lotte, die im September 1942 schwer an Scharlach erkrankt, in ein Krankenhaus gebracht werden muss, vom Volksgerichtshof in Abwesenheit wegen Landesverrats und Verrats militärischer Geheimnisse zum Tode verurteilt worden. Das Urteil wird bis zu ihrer Genesung ausgesetzt. Im Oktober wird sie jedoch nach Moabit überführt und – nachdem bei einem Luftangriff auf das Polizeigefängnis ihre Akten vernichtet werden – dort einfach vergessen. Schließlich wird sie in das Judenlager Schulstraße abgeschoben, das inzwischen von Scharnke geleitet wird.

Scharnke, der an schweren Nierenkoliken leidet, verlangt eines Tages nach einer Krankenschwester, um sich eine Morphiumspritze geben zu lassen. Lotte, die von Beruf Krankenschwester ist, wird gerufen. Sie ringt ihm das Versprechen ab, ihr als Gegenleistung für ihre Hilfe einen Besuch ihrer Tochter Eva zu gestatten. Scharnke hält sich an das Versprechen, nutzt den Besuch jedoch dafür, Eva zu quälen und zu foltern. Er beschimpft sie als dreckigen Judenbastard und zwingt sie unter Schlägen zuzugeben, dass sie ein Judenschwein sei. Sie muss Sätze wiederholen wie: '„Meine Mutter ist eine dreckige Jüdin'“ (S. 200), „Man soll sie aufhängen'“ (S. 201) oder „'Meine Liebe gehört dem Führer'“ (S. 201). Zum Abschied zwingt er sie, den Besuch fortan zweimal wöchentlich zu wiederholen: „Er würde das kleine Kindergesicht kneten und formen, um es mehr und mehr dem seinen ähnlich zu machen. Vielleicht würde er es sogar zertreten müssen“ (S. 201).Die Handlung endet im Herbst 1945. Lotte, der im August 1944 die Flucht aus dem Lager Schulstraße gelungen ist, ist geschwächt und krank. Von einem Versteck ins nächste gehetzt, hatte sie schließlich als Arbeiterin in einer Gruppe französischer Fremdarbeiter überlebt.

Auch das Wiedersehen mit Eva nach Kriegsende ist alles andere als geglückt. Die inzwischen dreizehnjährige Eva zieht zwar zu ihrer Mutter zurück, doch etwas ist unwiederbringlich zerstört: „Das Eis konnte sie schmelzen, mit Liebe und Geduld – doch dem verzerrten Spiegelbild einer Erwachsenenwelt, das sich dem Kindergemüt eingeprägt hatte […], stand sie hilflos gegenüber“ (S. 232). Eva lügt und weigert sich, zur Schule zu gehen. In ihrer Not wendet sich Lotte an Karl Röttgers, der eine Schule nach dem Muster der früheren Freien Schulgemeinde aufbauen will. Er ist der Einzige aus der Widerstandsgruppe, der unbehelligt geblieben ist und er nimmt Eva auf. Er hat Verständnis für die traumatisierten Kinder und erklärt Lotte: „Eva trägt viel schwerer an ihren Erlebnissen als wir – weil sie noch in der Entwicklung ist. Sie hat ja noch kein Weltbild, das ihr über alle Schwierigkeiten hinweghelfen könnte“ (S. 238). Auch der kleine Hans wird schließlich in das Kinderkollektiv aufgenommen, da die Großmutter Frieda der Meinung ist, ein Kind müsse unter jungen Menschen aufwachsen.

Im besonderen Maße kreist der Roman um die Schicksale der Frauen und Mütter, aber auch um den Mut und die Opferbereitschaft, die Mütter aufzubringen bereit sind, um für ihre Kinder eine bessere Zukunft zu erkämpfen. An den Figuren Hilde und Lotte wird deutlich, welche besonderen Risiken und Opfer Mütter in ihrem Kampf gegen den faschistischen Terror in Kauf nehmen. Aber auch die Konsequenzen für die Kinder der Verfolgten und Widerstandskämpfer sowie ihre Traumatisierungen bis weit über das Kriegsende hinaus werden aufgezeigt. Detailliert werden etwa die Gedanken, Sorgen und Ängste der zunächst zehnjährigen Eva geschildert, die in ihrer kindlichen Vorstellungswelt bis ins Phantastische reichen. Nach der plötzlichen Flucht ihrer Mutter und einem durch den lieblosen Vater vereitelten Selbstmordversuch mit Gas gelangt sie nach der Verhaftung des Vaters zur ‚arischen‘ Großmutter väterlicherseits. Ähnlich wie der Vater und Alkoholiker Rudolf hat diese jedoch keinerlei Interesse an ihrer Enkelin. Die mitleidslose und hartherzige Frau hat sich bis dahin nie um die ‚halbjüdische‘ Enkelin gekümmert. Sie sagt dem Kind barsch, die Mutter sei ein Teufel gewesen und nun tot. Sie verlangt von Eva, den Namen der Mutter nie mehr zu erwähnen. Den Judenstern entfernt sie von ihrer Kleidung und gibt sie fortan als ‚arische‘ entfernte Verwandte an, die ausgebombt worden sei. Von der Mutter verlassen, vom Vater ungeliebt und von der Großmutter mit Kälte und Abweisung behandelt, verschließt sich Eva in sich selbst. Zuwendung und Anerkennung erfährt sie von der Großmutter erst, als sie Zuneigung für den verhafteten Vater vorgibt. Sie hat eine Lektion gelernt: „Das Rezept war ganz einfach. Die Wahrheit war, daß sie die Mutter liebte, und daß ihr der Vater gleichgültig war. Diese Wahrheit mußte sie indessen in ihr Gegenteil umbiegen. Man muss lügen wie die Erwachsenen, dachte das Kind“ (S. 84). Dieses Verhalten wird fortan zu ihrer Überlebensstrategie.

Dennoch steht am Ende des Romans die Hoffnung auf Heilung und einen Neuanfang für die Überlebenden. Einen Tag vor Lottes Schilddrüsenoperation kommt es zu einem ersten offenen Gespräch zwischen Mutter und Tochter. Eva hat den ergreifenden Abschiedsbrief von Hilde vor ihrer Hinrichtung gelesen, den Maria, die Freundin von Karl Röttgers, vervielfältigt und verteilt hat. Eva ist beeindruckt und möchte mehr über das Paar erfahren. Sie fragt ihre Mutter, ob sie das auch alles erlebt habe. Lotte spürt neue Hoffnung und Zuversicht: „Und plötzlich erschien es ihr nicht mehr völlig sinnlos, daß Hans und Hilde gestorben waren“ (S. 243). Sie verspricht Eva mehr von den beiden zu erzählen, wenn sie aus dem Krankenhaus wiederkommt und schließt mit den Worten: „Sie waren wirkliche Helden – aber sie wußten es nicht“ (S. 244).


Biografie

Elfriede Brüning (geb. am 08.11.1910 in Berlin, gest. 05.08.2014 in Berlin) verbrachte ihre Kindheit in Berlin-Prenzlauer Berg. Sie und ihre Familie entstammten dem proletarischen Arbeitermilieu. Ihre Mutter Elisabeth, geborene Lorenz, kam aus Prenzlau und hatte fünfzehn Geschwister, von denen nur die vier ältesten am Leben blieben. Mit vierzehn Jahren musste ihre Mutter ‚in Stellung‘ gehen und verdiente sich schließlich in Berlin als Näherin ihren Lebensunterhalt. Dort lernte sie auch den Vater Elfriede Brünings kennen.

Gustav Brüning hatte acht Geschwister und stammte aus dem Dorf Göritz an der Oder und war auf der ‚Walze‘ nach Berlin gekommen. 1918 war er selbstständiger Tischler geworden, musste aber während der Weltwirtschaftskrise sein Gewerbe abmelden und war in der Folge arbeitslos. Die Mutter betrieb nach dem Konkurs eine Leihbücherei. Beide Eltern gehörten der SPD an. 1915 wurde der Bruder Wolfgang geboren, der später, durch Leni Riefenstahl protegiert, als Cutter beim Film arbeitete. Von 1916 bis 1926 besuchte Elfriede Brüning die Schule und erhielt am Königsstädtischen Oberlyzeum die Obersekundareife. Um Geld zu verdienen, musste sie jedoch nach dem ‚Einjährigen‘ abgehen. Sie arbeitete unter anderem als Büroangestellte, als Kontoristin und schließlich als Redaktionssekretärin bei der „Filmtechnik und Filmkunst“, einer Filmzeitschrift der Gewerkschaft der Filmleute. 1926, also mit 16 Jahren, hatte sie bereits begonnen, für Berliner Zeitungen erste kurze Berlinreportagen, Kurzgeschichten und Feuilletons zu schreiben, 1930 schrieb sie auch für große liberale Tageszeitungen, wie das „Berliner Tageblatt“, die „Frankfurter Zeitung“ und die „Vossische Zeitung“. Einige dieser Feuilletons und Reportagen aus sieben Jahrzehnten erschienen wieder 2003 in ihrem Buch „Zeitbesichtigungen“. 1930 wurde sie – politisiert durch die Weltwirtschaftskrise, die Armut in ihrer Familie und ihrer Berliner Umgebung – Mitglied der KPD. 1932 trat sie dem „Bund proletarisch-revolutionärer Schriftsteller“ (BPRS) bei, den Johannes R. Becher leitete und zu dem auch Anna Seghers gehörte.

In ihrem ersten Roman beschrieb sie literarisch das schwierige Alltagsleben und den Existenzkampf ihrer Eltern und das Leben ihres jüngeren Bruders sowie ihr eigenes. Der Roman konnte wegen der Machtübernahme Hitlers nicht mehr erscheinen und wurde erst 1970 unter dem Titel „Kleine Leute“ veröffentlicht. Sie schrieb vor allem in den von dem kommunistischen Publizisten Willi Münzenberg herausgegebenen Zeitschriften wie in der „Roten Post“, „Berlin am Morgen“, „Welt am Abend“ und der „Neuen Montagszeitung“. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde der „Bund proletarisch-revolutionärer Schriftsteller“ sofort verboten. Die prominenten Mitglieder emigrierten. Brüning blieb in Deutschland und schrieb Beiträge unter anderem für die in Prag erscheinenden „Neuen Deutschen Blätter“ – unter dem Pseudonym Elke Klent – und arbeitete dafür auch als Kurierin zwischen Berlin und Prag.

Auf Anraten des Schriftstellers Johannes R. Becher, der sie vom Ausland aus anleitete, sollten die in Deutschland Zurückgebliebenen versuchen, neben den illegalen Texten ‚unpolitische Bücher‘ bei Verlagen und Zeitschriften zu publizieren, die nicht faschistisch ausgerichtet waren. 1934 veröffentlichte Brüning so erstmals einen Roman über eine Liebesgeschichte mit dem Titel „Und außerdem ist Sommer“. 1935 wurde sie denunziert und wegen Verdachts auf Hochverrat verhaftet. Zusammen mit anderen Mitgliedern des inzwischen illegalen BPRS hatte sie die in Prag gegründete Exilzeitschrift „Neue Deutsche Blätter“ mit Informationen über die Nationalsozialisten versorgt. Sie saß etwa ein halbes Jahr in ‚Schutzhaft‘, ihre ‚Kurierfahrten‘ blieben jedoch unentdeckt. Der 1937 stattfindende Prozess endete mit einem Freispruch. In der Haft schrieb sie, um ihre ‚Harmlosigkeit‘ zu beweisen, erneut einen Liebesroman mit dem Titel „Junges Herz muss wandern“. Im Mittelpunkt steht eine junge Frau, die heiraten will und gegenüber ihrem künftigen Mann darauf besteht, weiter berufstätig zu bleiben. Diese Thematik widersprach dem von den Nazis verbreiteten Frauenbild.

1937 heiratete Brüning den Lektor und Schriftsteller Joachim Barkhausen, der für die Veröffentlichung ihres im Gefängnis entstandenen Buchs im Schützenverlag sorgte. Zusammen mit ihm erstellte sie Gutachten für eine Filmfirma, in der sich auch andere nichtfaschistische Autoren ihren Lebensunterhalt sicherten. Sie lebte bis zum Ende des Krieges auf dem Gut ihrer Schwiegereltern in der Magdeburger Börde. Dort wurde 1942 ihre Tochter Christiane geboren.

1945 kehrte sie zunächst allein zurück nach Berlin. Sie arbeitete als Redakteurin für die neu gegründete Kulturbundzeitung „Sonntag“ sowie als Reporterin für die „Neue Gesellschaft“, die „Neue Heimat“ und das Wochenblatt „Deutschlands Stimme“. Sie veröffentlichte dort viele Reportagen, die das Leben im Nachkriegsdeutschland behandelten, unter anderem schrieb sie auch über zahlreiche Probleme der Flüchtlinge.

Bereits 1945 gründeten die aus der inneren Emigration hervortretenden alten Mitglieder des „Bundes proletarisch-revolutionärer Schriftsteller“ einen „Verein Sozialistischer Schriftsteller“, der im Kulturbund und später im Schriftstellerverband der DDR aufging. Die Spannungen zwischen den Schriftstellern der sogenannten ‚äußeren‘ und der ‚inneren Emigration‘, die in Briefen dieser Zeit zum Ausdruck kommen, sind in dem 2008 erschienenen Korrespondenzband „Ich musste einfach schreiben unbedingt“ abgedruckt.

Im Zuge der Vereinigung von KPD und SPD wurde Brüning 1946 Mitglied der SED. Sie hoffte, am Aufbau eines antifaschistischen und sozialistischen Deutschlands mitwirken zu können. In der DDR erhoffte sie sich die Erfüllung ihrer Vorstellungen von einer neuen Gesellschaft. In einigen späteren Büchern, die in den folgenden Jahrzehnten in der SBZ, der DDR und nach 1989 im vereinigten Deutschland erschienen sind, hat sich jedoch die Enttäuschung über das Scheitern dieser Vorstellungen deutlich niedergeschlagen.

1947 wurde ihre Ehe geschieden. Lange noch musste sie um das Sorgerecht für die Tochter Christiane bangen. Joachim Barkhausen lebte in Westberlin und hatte dort juristische Möglichkeiten, das Sorgerecht zu erstreiten, weil die Tochter bei ihm aus wirtschaftlichen und politischen Gründen angeblich besser aufgehoben sei. Erst durch die Gründung der DDR und ihrer Familiengesetzgebung erhielt sie endlich das ausschließliche Sorgerecht.

1949 erschienen ihre Nachkriegsnovellen „Die Umkehr. Das ist Agnes“ sowie der später vielfach wieder aufgelegter Erfolgsroman „… damit du weiterlebst“. Ab 1950 begann sie ein freiberufliches Leben als Schriftstellerin. In hoher Auflage erschien ihr Roman „Ein Kind für mich allein“. Realisiert wurde auch ein Film, an dessen Drehbuch sie noch zusammen mit Barkhausen in der Kriegszeit mitgearbeitet hatte, das aber von Goebbels abgelehnt worden war. Der DEFA-Film „Semmelweis – Retter der Mütter“ wurde vielfach im späteren DDR-Fernsehen gesendet.

1953 wurde sie Mitglied des Schriftstellerverbandes. In den folgenden Jahren erschienen zahlreiche Romane und Erzählungen, etwa 1955 „ Regine Haberkorn“, 1956 „Gabriele – ein Tagebuch“ und 1958 „Rom, hauptpostlagernd“, das als Fernsehspiel unter dem Titel „Rom, Via Margutta“ 1962 erstmals gesendet wurde, sowie 1960 „Wege und Schicksale. Literarische Frauenporträts“. 1964 wurde die Enkeltochter Jasmina geboren, die Brüning jahrelang mit betreute.

Das Ende der DDR markierte für Brüning eine tiefe Zäsur. Dennoch publizierte sie immer weiter, etwa 1990 mit „Lästige Zeugen“ Tonbandprotokolle von Gesprächen mit Opfern Stalinscher Lager oder etwa 1994 ihre Autobiographie „Und außerdem war es mein Leben“. 2009 veröffentlichte sie ausgewählte Briefe aus dem Zeitraum zwischen 1930 und 2007 unter dem Titel „Ich musste einfach schreiben, unbedingt…“.

Insgesamt hat Brüning nach eigenen Angaben etwa dreißig Bücher mit einer Auflage von 1,5 Millionen Auflage publiziert, in denen sie immer wieder auf Frauenschicksale und Probleme von Kindern zurückkommt.

Quellen:

  • Biografie Elfriede Brüning: Online: http://www.glotzi-verlag.de/BioBruening.htm (Stand: 19.02.2019).
  • Kebir, Sabine: Frauen ohne Männer. Selbstverwirklichung im Alltag. Elfriede Brüning (1910-2014). Leben und Werk. Bielefeld 2016.
  • o.A.:"Brüning, Elfriede". In: Diersen, Inge et al: Lexikon sozialistischer Schriftsteller deutscher Literatur. Bibliographisches Institut. Leipzig 1964, S. 128f.
  • Reinhold, Ursula: „Alltag und Zeitenwandel. Leben und Schreiben von Elfriede Brüning. Zum 100. Geburtstag“. In: Argonautenschiff (2011), Nr. 20, S. 218-221.


Werkgeschichte

Auf den Stoff des Romans war Brüning schon 1946 bei einer Reportage für den „Sonntag“ gestoßen, sie sollte einen Beitrag zur Erinnerung an die Opfer des Faschismus liefern. Sie bekam Kontakt zur Mutter von Hans Coppi, der der Widerstandsgruppe Schulze-Boysen/Harnack angehört hatte und am 22. Dezember 1942 hingerichtet wurde. Frieda Coppi gab ihr die Briefe zu lesen, die Hans Coppi mit seiner ebenfalls inhaftierten Frau Hilde Copp, geb. Rake, wechselte. Das Ehepaar wurde am 12. September 1942 verhaftet. Am 27. November 1942 brachte Hilde ihren Sohn Hans in Berlin im Gefängnis zur Welt. Einmal durfte der Vater das Kind sehen, bevor er am 22. Dezember 1942 hingerichtet wurde. Im folgenden Jahr wurde auch Hilde Coppi zum Tode verurteilt. Ein Gnadengesuch wurde von Adolf Hitler abgelehnt; die Hinrichtung durch das Fallbeil wurde nur bis zum 5. August 1943 aufgeschoben. Ihr Abschiedsbrief wurde noch während des Krieges in Hunderten von Exemplaren illegal vertrieben. Der Leser finde die Briefe wörtlich, mit nur geringen Kürzungen im Buch abgedruckt, so legt Brüning dar. Die Genehmigung dafür habe sie von Frau Coppi erhalten. Auch andere Beteiligte habe sie getroffen, fährt sie fort: „Wesentliche Einzelheiten verdanke ich Frau Dr. Elfriede Paul, die in denselben Prozeß verwickelt war, deren bereits über sie verhängtes Todesurteil jedoch in letzter Stunde in lang währende Haft gemildert wurde“ (S. 247f.). Nur Eva Burckhardt habe sie nie gesehen: „Aber auch sie existiert, und ihre Geschichte ist wahr“ (S. 248). Auch den damals vierjährigen Sohn, der bei der Großmutter aufwuchs, habe sie bei Frau Coppi getroffen. Die Briefe seiner Eltern sollten eines Tages ihm gehören, „als das einzige, was ihm von seinen Eltern geblieben ist“ (S. 247).

Im Nachwort des Romans, das Brüning im Mai 1949 in Birkenwerder bei Berlin schrieb, stellt sie daher klar, dass die Hauptträger der Handlung wirklich gelebt haben und die geschilderten Leiden erdulden mussten. Daher sei sie sich nicht sicher, ob es sich bei dem Buch wirklich um einen Roman handele. Aus dem Mosaik der verschiedenen Schilderungen habe sie das Bild von Hans und Hilde zusammengesetzt. Ob es einem Porträt der wirklichen Coppis entspräche, könne sie nicht entscheiden, es erscheine ihr jedoch auch nicht wichtig: „Wesentlich erschien mir dagegen, in den Gestalten von Hans und Hilde Menschen darzustellen, die für viele stehen; für alle diejenigen nämlich, die infolge ihres unermüdlichen Kampfes gegen die Naziherrschaft ihr persönliches Glück eingebüßt hatten, die aber dennoch voller Zuversicht auf eine bessere Zukunft das Schafott bestiegen“ (S. 248).

Das Buch fand zunächst jedoch wenig Beachtung in der antifaschistischen Literatur, die in der sowjetischen Besatzungszone (SBZ) erschien. Dennoch erschien es 1950 in Übersetzungen in der Tschechoslowakei und in Polen, dort wurde es von Marcel Reich-Ranicki herausgegeben. Obgleich der teilweise fiktionalisierten und historisch nicht ganz richtigen Darstellungen um die beiden Widerstandsgruppen sowie den nur als Versatzstücken übernommenen Briefen von Hans und Hilde Coppi, wurde der Roman vielfach als vollkommen authentischer Bericht angesehen und die Romanfiguren vorbehaltlos mit den historischen Personen identifiziert. So hatte etwa - ander als im Roman dargestellt - die Schulze-Boysen/Harnack-Gruppe in der Realität keinen Kontakt zur Widerstandsgruppe von Herbert Baum.

Der Roman zählte in der Folge zu den Klassikern antifaschistischer Nachkriegsliteratur in der DDR, erfuhr viele Neuauflagen und wurde im Schulunterricht behandelt.

Quelle:

  • Kebir, Sabine: Frauen ohne Männer. Selbstverwirklichung im Alltag. Elfriede Brüning (1910-2014). Leben und Werk. Bielefeld 2016, S. 298-307.



Bearbeitet von: Charlotte Kitzinger