Aichinger, Ilse (1921-2016)

Aus Frühe Texte der Holocaust- und Lagerliteratur 1933 bis 1949
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Name Aichinger, Ilse

Geschlecht weiblich
Geburtsdatum 1. November 1921
Geburtsort Wien
Sterbedatum 11. November 2016
Sterbeort Wien
Tätigkeit Schriftstellerin, Hörspielautorin
Externe Referenzen Deutsche Nationalbibliothek Virtual International Authority File Deutsche Biographie Wikidata

Biografie

Ilse Aichinger (geb. 01.11.1921 in Wien, gest. 11.11.2016 in Wien) und ihre Zwillingsschwester wurden als Töchter eines Lehrers und einer jüdischen Ärztin in Wien geboren. Die Familie lebte in Linz, bis der Vater die Scheidung einreichte, da er seine berufliche Karriere nicht durch die Ehe mit einer Jüdin gefährden wollte. Die Mutter zog mit den Kindern zurück nach Wien, wo Aichinger bei ihrer jüdischen Großmutter und in Klosterschulen lebte. Der Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich bedeutete für die Familie Verfolgung und Lebensgefahr. Die Schwester konnte am 4. Juli 1939 mit einem Kindertransport nach Großbritannien entkommen. Ilse Aichinger blieb bei ihrer Mutter, um sie durch ihren besseren Status als ‚Halbjüdin‘ vor der Deportation zu bewahren. Ein Studienplatz wurde Aichinger verweigert. Mit ihrer Mutter wurde sie in den Kriegsjahren dienstverpflichtet. Als Aichinger volljährig wurde und damit der Schutz der Mutter aufgrund ihrer Sorgepflicht für ein minderjähriges Kind erlosch, versteckte sie diese in einem ihr zugewiesenen Zimmer direkt gegenüber dem Gestapo-Hauptquartier im ehemaligen Hotel Metropol am Morzinplatz. 1942 wurden die Großmutter und die jüngeren Geschwister der Mutter verschleppt und kamen im Vernichtungslager Maly Trostinez in der Nähe von Minsk um.

Nach Kriegsende begann Aichinger 1945 Medizin zu studieren, brach das Studium jedoch nach fünf Semestern ab, um ihren Roman „Die grössere Hoffnung“ zu schreiben. Bereits 1945 schrieb sie auch einen Text über die Konzentrationslager mit dem Titel „Das vierte Tor“. 1949/50 arbeitete Ilse Aichinger als Verlagslektorin für den S. Fischer Verlag und 1950/51 war sie Assistentin von Inge Aicher-Scholl an der Hochschule für Gestaltung in Ulm. 1951 wurde sie erstmals zur Gruppe 47 eingeladen und lernte hier Günter Eich kennen, den sie 1953 heiratete. 1952 gewann sie mit ihrer „Spiegelgeschichte“ den Preis der Gruppe. Im selben Jahr erschien ihre vielbeachtete „Rede unter dem Galgen“. Aichinger engagierte sich in den folgenden Jahren politisch, etwa im Komitee gegen Atomrüstung e.V. 1960 unterzeichnete sie eine Boykott-Erklärung gegen das von Konrad Adenauer geplante Staatsfernsehen mit. Aichinger gehörte 1996 außerdem zu den über 100 Unterzeichnern der „Frankfurter Erklärung“ gegen die geplante Rechtschreibreform und untersagte 1997, ihre Texte in Schulbüchern den neuen Regeln anzupassen.

Aichinger bekam zwei Kinder und lebte mit ihrer Familie zunächst in Lenggries, dann in Breitbrunn am Chiemsee und ab 1963 in Großgmain im Bundesland Salzburg. 1972 starb Günter Eich. 1981 zog Ilse Aichinger nach Frankfurt am Main und 1988 nach Wien. 2001 erschien nach 14-jähriger Schreibpause ihre Autobiografie „Film und Verhängnis. Blitzlichter auf ein Leben“ und 2005 das Buch „Unglaubwürdige Reisen. Es folgten noch zwei Bände, die Texte für die Tageszeitung „Die Presse“ versammelten.

Ilse Aichinger wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, etwa 1971 mit dem Nelly-Sachs-Preis, 1982 mit dem Petrarca-Preis sowie 1983 mit dem Franz-Kafka-Preis. 1995 erhielt sie für ihr Lebenswerk den Großen Österreichischen Staatspreis für Literatur und 2000 den Joseph-Breitbach-Preis. Zu ihrem 70. Geburtstag 1991 erschien Aichingers Gesamtwerk in acht Bänden. Ab 1977 war sie Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt. Außerdem war sie ordentliches Mitglied der Bayerischen Akademie der Schönen Künste und gehörte nach der Fusion seit 1993 der Akademie der Künste Berlin an. Seit 1957 war sie Mitglied in der internationalen Schriftstellervereinigung PEN.

Quellen: