Berke, Hans (1906-?)

Aus Frühe Texte der Holocaust- und Lagerliteratur 1933 bis 1949
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Name Berke, Hanns
Namensvarianten Berke, Hans; Berkke, Hanns
Geschlecht männlich
Geburtsdatum 1. März 1906
Geburtsort Luckau

Biografie

Hans Paul Wilhelm Berke (geb. 1.3.1906 in Luckau/Niederlausitz) verbrachte seine Kindheit zunächst in der brandenburgischen Provinz, bevor seine Familie, bestehend aus seiner Mutter Franziska Heise (verwaiste Zimmer), seinen beiden Brüdern und seiner Schwester, nach Sachsen zog. Sein Vater, Willibald Berke, war noch im Jahr seiner Geburt im Alter von nur 31 Jahren an einem Herzinfarkt gestorben. Von 1912 bis 1916 besuchte Hans Berke die Volksschule und anschließend das Realgymnasium in Pirna.

Nach seinem Abschluss heiratete er Martha Mühlau, arbeitete als Kaufmann in Dresden und wurde Vater zweier Söhne. Nebenbei verkehrte er in „Tipsterkreisen“ (Selbstaussage vom 17.6.1937, ITS/DocID: 10823980) und erlangte auch einen gewissen Ruf in der Wettszene (vgl. ebd.). Diese Tätigkeit führte jedoch dazu, dass er vor seiner Inhaftierung in verschiedenen deutschen Konzentrationslagern insgesamt siebenmal zu Gefängnis-, Straf- und Geldstrafen sowie drei Jahren Verlust der Ehrenrechte verurteilt wurde. Zur Last gelegt wurden ihm diverse Delikte wie wiederholte „Privat-Urkunden-Fälschung“, mehrfacher „gemeinschaftliche[r] Betrug“, „Erregung öffentlichen Ärgernisses“ oder fortgesetzte „Vergehen[] gegen das Rennwettgesetz“ und das „Lotteriegesetz“ (alle Zitate „Abschrift der Strafliste des Hans Paul Wilhelm Berke“, ITS/DocID: 10823978). Er verbrachte zwischen 1929 und 1937 insgesamt rund eineinhalb Jahre im Zuchthaus, u. a. in Waldheim im sächsischen Chemnitz, und etwas mehr als ein halbes Jahr im Gefängnis.

Obgleich er die zu verbüßenden Haftstrafen bereits abgeleistet hatte, veranlasste die Staatliche Kriminalpolizei Dresden Anfang 1937 seine polizeiliche Vorbeugungshaft als „Berufsverbrecher“ ohne weiteren konkreten Tatvorwurf. Er wurde am 9. März 1937 in das frühe Konzentrationslager Sachsenburg verbracht und dort für etwa drei Monate interniert. Obwohl er nach kurzer Zeit beteuerte, „mit allen Tipsterkreisen gebrochen“ zu haben, um sich – so Berke – „endlich“ von „diesem Leben abzusagen“ (alle Zitate sind Selbstaussagen vom 17.6.1937, ITS/DocID: 10823980), wurde er am 12. Juli 1937, etwa einen Monat vor der Auflösung des Lagers Sachsenburg, in das Konzentrations- und SS-Schulungslager Sachsenhausen in Oranienburg verlegt. Der Kommandant des Lagers, Hans Helwig, erklärte auf Anfrage des Dresdener Polizeipräsidenten über Berkes Führung im Lager, er habe sich „schlecht der Lagerordnung“ gefügt und „freches undiszipliniertes Benehmen an den Tag“ gelegt (beide Zitate „F.E. für den Berufsverbrecher Hans Berke“ vom 26.7.1937, ITS/DocID: 10823983). Eine Entlassung käme deshalb nicht infrage, heißt es in dem knappen und bewusst vage gehaltenen Schreiben. Berke blieb bis zum 21. August 1937 im KZ Sachsenhausen inhaftiert.

Danach wurde er in das Konzentrationslager Buchenwald überstellt und erhielt die Häftlingsnummer 951. Dort war er u.a. im Arbeitskommando „Baumfäller“ eingesetzt, später in der Politischen Abteilung und als Blockältester. Ein weiteres Begutachtungsersuchen des Reichskriminalpolizeiamtes für Berkes Entlassung wurde Anfang Juli 1938 erneut abgelehnt, da seine „Führung und Arbeitsleistungen“ angeblich „nur unter ständiger Kontrolle zufriedenstellend“ gewesen seien und wohl weiterhin Zweifel bestanden hätten, „ob er mit seinem früheren Lebenswandel gebrochen hat“ (alle Zitate „F.B. für den Vorbeugungshäftling Hans Berke“ vom 12.7.1938, ITS/DocID: 10823987). Doch selbst als es sich für die SS-Wachmannschaften offenbar deutlicher abzeichnete, dass er sich von seinem Lebensstil distanziert hatte, wurde er dennoch weiter in Haft gehalten, um ihn – wie es heißt – „vor Rückfälligkeit zu bewahren“ („F.B. für den V.B. Häftling Hans Berke“ vom 14.1.1939; ITS/DocID: 10823991). Seine Haftzeit wurde daraufhin erneut verlängert.

Nach 20-monatiger Haft wurde Berke am 26. April 1939 in das KZ Flossenbürg gebracht, wo er unter der Häftlingsnummer 158 geführt wurde. Doch bereits einen Tag später wurde die polizeiliche Vorbeugungshaft aufgrund eines Gnadengesuches seiner Mutter an Martin Bormann, den ehemaligen Reichsleiter der NSDAP, durch das Reichskriminalpolizeiamt aufgehoben. Am 9. Mai 1939 wurde Berke nach einer Entlassungsuntersuchung schließlich nach Dresden zurückgeführt. Im Jahre 1940 wurde er erneut verhaftet (vgl. Kirsten/Kirsten 2018, S. 302). Über seinen weiteren Verbleib in der Nachkriegszeit ist bislang nichts bekannt.

Im Jahr 1946 erschienen seine Erinnerungen erstmals unter dem Titel „Buchenwald. Eine Erinnerung an Mörder“ im Salzburger Ried-Verlag. Dass er die tatsächlichen Hintergründe seiner Verfolgung darin nicht offenlegt, ist möglicherweise auf die Befürchtung einer erneuten Stigmatisierung zurückzuführen: Da die KZ-Haft der als „Berufsverbrecher“ Verfolgten lange Zeit nicht als nationalsozialistisches Unrecht angesehen wurde und sie als ‚vergessene Opfer‘ von allen Entschädigungsleistungen ausgeschlossen waren, sahen sie sich auch über die Zeit des NS-Regimes hinaus mit einer fortgesetzten Diskriminierung konfrontiert. Nicht wenige der als ‚polizeiliche Vorbeugungshäftlinge‘ Inhaftierten schwiegen mitunter aus diesem Grund nicht nur über die Farbe ihres Häftlingswinkels, sondern in einigen Fällen über ihre gesamte Lagerhaft. Erst 2020, 75 Jahre nach Kriegsende, wurden die Angehörigen dieser Häftlingsgruppe vom Deutschen Bundestag als Opfer des Nationalsozialismus anerkannt.

Quellen:

  • „Abschrift der Strafliste des Hans Paul Wilhelm Berke“, KZ Sachsenburg, 1.1.8.3/10823978/ITS Digital Archive, Arolsen Archives.
  • Akte von Berke, Hans, KZ Buchenwald, 1.1.5.3/5521611/ITS Digital Archive, Arolsen Archives.
  • Akte von Berke, Hans, KZ Flossenbürg, 1.1.8.3/10823969/ITS Digital Archive, Arolsen Archives.
  • „Auszug aus dem Strafregister“ vom 13.4.1937, Staatsanwaltschaft Cottbus, 1.1.8.3/108923979/ITS Digital Archive, Arolsen Archives.
  • „Entlassung aus der polizeilichen Vorbeugungshaft“ vom 27.4.1939, Reichskriminalpolizeiamt,1.1.8.3/10823992/ITS Digital Archive, Arolsen Archives.
  • „F.B. für den Berufsverbrecher Hans Berke“ vom 26.7.1937, KZ Sachsenhausen, 1.1.8.3/10823983/ITS Digital Archive, Arolsen Archives.
  • „F.B. für den Vorbeugungshäftling Hans Berke“ vom 12.7.1938, KZ Buchenwald, 13.7.1938, 1.1.8.3/10823987/ITS Digital Archive, Arolsen Archives.
  • „F.B. für den V.B. Häftling Hans Berke“ vom 14.1.1939, KZ Buchenwald, 14.1.1939, 1.1.8.3/10823991/ITS Digital Archive, Arolsen Archives.
  • „Fragebogen für Häftlinge“, KZ Sachsenburg, 1.1.8.3/10823971/ITS Digital Archive, Arolsen Archives.
  • Kirsten, Holm/Kirsten, Wulf: Stimmen aus Buchenwald. Ein Lesebuch, 4. Aufl., Göttingen 2018.
  • Selbstaussage vom 12.10.1938, KZ Sachsenhausen, 1.1.8.3/10823989/ITS Digital Archive, Arolsen Archives.
  • Selbstaussage vom 17.6.1937, KZ Sachsenburg, 1.1.8.3/10823980/ITS Digital Archive, Arolsen Archives.