Conrady, A.W. (1889-1960)

Aus Frühe Texte der Holocaust- und Lagerliteratur 1933 bis 1949
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Name Conrady, A.W.
Namensvarianten Stromenger, Conrad (alias)
Geschlecht männlich
Geburtsdatum 31. Juli 1889

Sterbedatum 24. Februar 1960

Tätigkeit Schriftsteller, Dozent, Angestellter
Externe Referenzen Deutsche Nationalbibliothek

Biografie

Das Leben Conrad Stromengers ist – je nach Quelle – höchst unterschiedlich verlaufen. Conrad Stromenger (geb. 31.07.1898 in Breslau als Conrad Wilhelm Albert Stromenger, gest. 24.02.1960 in Bamberg, Pseudonym A.W. Conrady) heiratete 1918 in Breslau seine Frau Klara, geb. Pohl, mit der er zwei Kinder hatte; die Ehe wurde geschieden. Dies sind bereits die belegbaren, übereinstimmenden Fakten zu seinem Leben. Darüber hinaus beginnen sich die erhaltenen Quellen und Stromengers Aussagen oft zu widersprechen.

Aus der Kurzbiografie, die seinem Roman „Amokläufer“ nachgestellt ist, geht hervor, dass er in Leipzig und Breslau ein Jurastudium mit Promotion abgeschlossen hatte, bevor er in die Schweiz zurückkehrte, um als Rechtsanwalt zu arbeiten. Bei seiner Aufnahme in Dachau – wo er, wie auch in vielen anderen Quellen, als Konrad Stromenger geführt wurde – gab er als Beruf jedoch Kaufmann an. Den Quellen aus dem Schweizerischen Bundesarchiv hingegen ist zu entnehmen, dass er in führender Position, unter anderem als zweiter Direktor, bei zwei Firmen in Zürich gearbeitet hat, von denen er mindestens eine selbst gegründet hatte.

Die Unterlagen, die sich wegen verschiedener Strafverfahren gegen Stromenger im Schweizerischen Bundesarchiv in Bern erhalten haben, zeichnen von ihm das Bild eines notorischen Betrügers und immer gut gekleideten, kulturbeflissenen Hochstaplers. Wegen schweren Scheckbetrugs wurde 1932 Haftbefehl gegen ihn erlassen und er wurde strafrechtlich von der Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau gesucht, da er mit einer gefälschten Unterschrift mehrere Zehntausend Franken und Reichsmark unrechtmäßig ausgezahlt bekommen hatte. Zu diesem Zeitpunkt wurde er von ermittelnden Behörden in München vermutet. Stromenger wurde als deutscher Staatsbürger nicht ausgeliefert, aber auch die Untersuchungen des Bayerischen Staatsministeriums verliefen im Leeren, da Stromenger nicht in München zu finden war: „Stromenger soll ständig in Frankreich, Belgien, Holland sowie in West- und Norddeutschland umherreisen“ (Schreiben vom 15. September 1932. In: Schweizerisches Bundesarchiv, E4264, o.S.), lautete die Einschätzung des Ministeriums. Auch den Doktortitel führte er offenbar unrechtmäßig; an den angegebenen Schweizer Universitäten war er nie eingeschrieben. In seinem Lebenslauf im Roman thematisierte Stromenger sowohl die gerichtlichen Verfahren als auch das 1930 gegen ihn verhängte Einreiseverbot in die Schweiz nicht. Auch eine Verhaftung von ihm und seiner Frau am 9. Dezember 1937 in Wien führte er nicht an. In den mehrmaligen Befragungen bezeichnete er die Unterstellungen als Verleumdungen, gab jedoch vieles nach vorherigem Leugnen später zu.

Auch die Aussagen von befragten Personen, wie seinem ehemaligen Chef und seiner geschiedenen Ehefrau, unterstreichen einen Charakter Stromengers, der sich nicht mit seinem Selbstbild deckt. So wird Direktor Würgel, Chef der „Cereal Compagnie“, in der Stromenger als zweiter Direktor arbeitete, zitiert: „Zum Schlusse erklärte mir Dir[ektor] Würgel, dass Stromenger leider keine seriöse Person sei […]. Seine ganze Tätigkeit sei auf Uebertreibung und Unwahrheit aufgebaut“ (Bericht über Stromenger, Konrad von Hans Demuth. In: Schweizerisches Bundesarchiv, E4320B, o.S.). Stromenger habe unter falschen Namen und mit unrichtigen Titeln gearbeitet und stände bei vielen Banken im Misskredit. Auch der später gegen ihn ermittelnde Polizei Amtmann hält fest: „Da der Beschuldigte sich vor dem hiesigen Ermittlungsrichter, sowie bei seiner polizeilichen Vernehmung in Widersprüche verwickelte, entsteht der Eindruck, daß es sich bei Str[omenger]. um einen gerissenen, internationalen Hochstapler gehandelt hat, der jetzt auf Grund seiner angeblichen 7 jährigen KZ-Haft alle möglichen Vorteile des politischen Häftlings genoß“ (Schreiben des Stadtpolizeiamts Bamberg vom 20. März 1948. In: ebd.). Seine Ehefrau führte die Unzurechnungsfähigkeit Stromengers – wie sie es nennt – auf eine Kopfverletzung im Ersten Weltkrieg zurück. Conrady engagierte sich – eigenen Aussagen nach – während des Nationalsozialismus im politischen Widerstand; auch sei er ein „erklärte[r] Gegner“ (Conrady 1947, S. 573) des NS-Regimes gewesen. In seiner Kurzbiografie im Roman und in Befragungen nach dem Krieg gibt er folgenden Haftgrund an: Er habe einen Protestbrief an Reinhard Heydrich, den Leiter der Gestapo, verfasst, woraufhin er als politischer Häftling zunächst im Gefängnis Stadelheim inhaftiert wurde. Die Quellen legen allerdings nahe, dass Stromenger ab Mitte der 1930er Jahre, spätestens aber ab 1937, für den Deutschen Nachrichten Dienst als Spitzel gearbeitet hat. In einem Schreiben wird „Spionage z[u] G[unsten] D[eutsch]lands“ (Bericht der Schweizerischen Bundesanwaltschaft vom 22. Dezember 1937. In: Schweizerisches Bundesarchiv, E4320B, o.S.) als Grund für die Verhaftung in Wien 1937 aufgeführt. Stromenger selbst gab dies bei einer Befragung durch das Stadtpolizeiamt Bamberg 1948 zu. Bei diesem Gespräch führte er als Begründung seiner Inhaftierung in Gefängnissen und Konzentrationslagern an, dass er mit der in seinen Augen zu geringen Bezahlung unzufrieden war und sich beschwert habe. Die Quellen legen nahe, dass Stromenger nach seiner Verhaftung in Wien wegen Spionage direkt nach Stadelheim überstellt worden ist.

Durch die erhaltenen Akten der KZ-Gedenkstätte Dachau ist einwandfrei belegt, dass Stromenger am 23. September 1939 in Dachau ankam, wo er als ‚Schutzhäftling‘ den roten Winkel und die Nummer 35833 erhielt. Vier Tage später, am 27. September 1939, wurde er nach Flossenbürg überführt, von wo er am 2. März 1940 nach Dachau zurückkehrte. Er erhielt daraufhin die neue Häftlingsnummer 557. Zwei weitere Male wurde er mit unbekanntem Ziel für wenige Tage überführt: Vom 15. März 1940 bis 23. März 1940 und vom 15. Mai 1940 bis 22. Mai 1940 war er nicht in Dachau. Am 27. November 1940 wird er noch einmal verlegt, wobei unklar ist, ob er entlassen oder in ein anderes Gefängnis beziehungsweise Konzentrationslager gebracht wurde. In dem Bericht des Bamberger Stadtpolizeiamts heißt es allerdings, dass Stromenger am 17. Februar 1943 erneut zu drei Jahren Gefängnis wegen Hochverrats verurteilt wurde und von 1943 bis zum 17. Februar 1945 in Landsberg am Lech einsaß. Nach seiner Entlassung war er demnach bei der Fahrbereitschaft in Bamberg eingestellt.

Nach dem Krieg verlaufen sich die Spuren von Stromenger zunächst: Zwar veröffentlichte er 1947 unter dem Pseudonym A. W. Conrady seinen Roman „Amokläufer“, jedoch suchten verschiedene Behörden, darunter auch das International Komitee vom Roten Kreuz in Genf, gezielt nach ihm. Am 17. März 1948 wurde er schließlich erneut in Bamberg verhaftet wegen „unb[e]rechtigter Führung des Doktortitels, Betrug u.a.“ (Schreiben des Stadtpolizeiamts Bamberg vom 20. März 1948. In: ebd.). Kurz vor seinem Tod stellte er 1959 noch den ersten Teil eines geplanten Romans mit dem Titel „Geheime Reichssache. Der Roman der Gestapo“ fertig, der jedoch nie veröffentlicht wurde.

Quellen:

  • „Conrad Wilhelm Albert Stromenger“. In: Literaturportal Bayern. Online: http://www.literaturportal-bayern.de/nachlaesse?task=lpbestate.default&id=1001 (Stand: 11.09.2019).
  • Conrady, A.W.: „Kurze Biographie des Autors“. In: Der Amokläufer. Aschaffenburg 1947, S. 573.
  • „Conrady (Wilhelm Albert Stromenger) Schriftsteller, Manuskript Teil 1 von 1959“. In: Stadtarchiv Bamberg, D 2055 + 1.
  • „Dossier: Stromenger, Konrad, 31.07.1889“. In: Schweizerisches Bundesarchiv BAR, Bestand: E4264.
  • „Dossier: Stromenger, Konrad, 1889“. In: Schweizerisches Bundesarchiv BAR, Bestand: E4320B.
  • Häftlingsdatenbank der KZ-Gedenkstätte Dachau.
  • „Paul Pattloch Verlag an das Internationale Informationsbüro des Lagers Dachau, betr.: KZ-Häftling Conrad W. Stromenger, 02.08.1946“, 1.1.6.2/10324289/ ITS Digital Archive, Arolsen Archive.
  • Schreiben an den Verlag Paul Pattloch, 12. August 1946, 1.1.6.2/10324290/ ITS Digital Archive, Arolsen Archive.