Dachau (1946)

Aus Frühe Texte der Holocaust- und Lagerliteratur 1933 bis 1949
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Angaben zum Werk

Titel Dachau
Autor Schneider, Richard (1893-1987)
Genre Erinnerungsbericht

Ausgaben des Werks

Ausgabe von 1946, Mannheim
Titel Dachau
Untertitel Eine Antwort auf Fragen von Jedermann

Erscheinungsort Mannheim
Erscheinungsjahr 1946

Verlegt von Norbert Wohlgemuth Verlag

Publiziert von Schneider, Richard (1893-1987)

Umfang 20 Seiten

Lizenz Zulassung Nr. US-W-1013


Zusammenfassung

In dem kurzen Erinnerungsbericht stellt Pfarrer Richard Schneider seine Erfahrungen im Konzentrationslager Dachau vom 22. November 1940 bis zum 29. März 1945 dar. Im ersten Teil beantwortet Schneider die Frage „Ist es wahr, was man in der Oeffentlichkeit [über die KZ] berichtet?“ (S. 4) mit einem nachdrücklichen „Jawohl, es ist wahr!“. Anlass des Berichts sind die Nürnberger und Dachauer Prozesse, die über Radio und Zeitungen auch die Geschehnisse in den Konzentrationslagern an die breite Öffentlichkeit bringen. Die Einen könnten nicht glauben, dass so was überhaupt möglich sei, die Anderen wollten es nicht glauben, „weil sie damit von ihrer politischen und weltanschaulichen Einstellung abrücken müßten“ (S. 3), fasst Schneider die Reaktionen der Bevölkerung zusammen. Durch Flüsterpropaganda versuchte die noch existierende NSDAP im Untergrund die Glaubwürdigkeit der Veröffentlichungen zu untergraben. Dagegen stelle er sich als Augenzeuge: „Wer behauptet, die Veröffentlichungen über die Greuel der KZ. wären verlogen, der gehört dorthin gebracht, um umgeschult zu werden“ (S. 11). Schneider berichtet von den ‚Aktionshäftlingen‘, die nach dem 20. Juli 1944 in das KZ Dachau gebracht werden, und nennt einige Namen der Inhaftierten. Auch das Christentum solle vernichtet werden und Hunderte von Geistlichen seien in die KZ gekommen, berichtet Schneider. Er selbst sei wegen der „Verächtlichmachung der SS […] zum Schutz von Volk und Staat“ (S. 5) verhaftet worden, weil er einem Vater gesagt habe, dass er Sorge habe, dass dessen Sohn bei der SS dem katholischen Glauben nicht treu bleiben könne. Auch hier nennt er einige Namen und Schicksale von Geistlichen, die wie er verhaftet und inhaftiert werden. Diese seien eine besondere Zielgruppe für die SS-Wachen gewesen: „Die Geistlichen waren neben den Juden und Bibelforschern besonders gequält“ (S. 8). Schneider berichtet über das stundenlange Appellstehen der Häftlinge, über die medizinischen Experimente und Schikanen. Er schildert, wie ein österreichischer Kaplan gegeißelt wird und eine Stacheldrahtkrone aufgesetzt bekommt, und dass zwei Geistliche sich eine Stunde lang gegenseitig ohrfeigen müssen. Zahlreiche der SS-Peiniger nennt er namentlich. Er selbst entgeht am 24. Juni 1942 knapp dem „Himmelfahrtskommando“ (S. 9), bei dem Schwache, Kranke und Alte mit Motorgasen erstickt oder nach Auschwitz und Lublin geschickt werden, um dort in den Gaskammern ermordet zu werden.

Im zweiten Teil stellt Schneider die Frage „Warum wußte die Oeffentlichkeit nichts von diesem Grauen?“ (S. 13) Die Gräuel seien gut versteckt worden, führt er anschließend aus, und bei Besichtigungen habe man die Besucher „von all den Orten fern[gehalten], wo etwas zu sehen war, was das Auge eines Zivilisten beleidigt hätte“ (ebd.). Wer entlassen worden sei, sei zum Schweigen verpflichtet worden. Das Ausland sei jedoch über die Vorgänge in den KZ besser unterrichtet gewesen als die Menschen in Deutschland, da die Häftlinge Mittel und Wege gefunden hätten, Material aus dem Lager und über die Grenzen zu schmuggeln.

Die Frage, wie so etwas wie die KZ im 20. Jahrhundert möglich gewesen seien, sei nur zu beantworten, wenn man Gott und den Teufel mit in die Rechnung aufnehme, so Schneiders Überzeugung. Man spreche zwar noch von Gott, kümmere sich aber nicht um seine Ver- und Gebote. Den Teufel gebe es in der Neuzeit nur noch im Kasperletheater. Die nationalsozialistische Weltanschauung habe mit dem Glauben ganz gebrochen und habe an Stelle Gottes „die zur Gottheit erhobene nordische Rasse“ (S. 16) gepriesen. Hitler habe sich Heiland rufen lassen, die Verantwortlichen dieser Gräueltaten seien jedoch inkarnierte Teufel, so Schneider. Gott habe jedoch den Nationalsozialismus gerichtet, schließt er den Text. Ganz frei könnten die Deutschen jedoch erst werden, wenn sie wieder Christen geworden wären: „Aber nicht wie bisher Christen auf dem Papier und in den Registern der Personalkarteien, sondern Christen in Wort und Tat“ (S. 18).



Bearbeitet von: Charlotte Kitzinger