Das war Buchenwald (1946)

Aus Frühe Texte der Holocaust- und Lagerliteratur 1933 bis 1949
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Angaben zum Werk

Titel Das war Buchenwald
Autor Eiden, Hans (1901-1950)
Genre Erinnerungsbericht

Ausgaben des Werks

Ausgabe von 1946, Trier
Titel Das war Buchenwald
Untertitel Tatsachenbericht

Erscheinungsort Trier
Erscheinungsjahr 1946

Verlegt von Werkstatt-Verlag
Gedruckt von Grafische Werkstatt Trier
Publiziert von Eiden, Hans (1901-1950)

Umfang 46 Seiten

Lizenz Autorisation de Mr. l’Administrateur Général Laffon par lettre No 1398 D.G.A.A / I.N.F du 12. I. 46.


Zusammenfassung

Der Tatsachenbericht des kommunistischen Häftlings Hans Eiden über das Konzentrationslager Buchenwald hat einen stark aufklärerischen Charakter. In jeweils kurzen Abschnitten behandelt er verschiedene Aspekte und Themen des Lagerlebens, vor allem den kommunistischen Widerstand im Lager. Eidens eigene führende Rolle innerhalb des Widerstands im Internationalen Lagerkomitee sowie ab 1944 als Lagerführer I wird so gut wie gar nicht thematisiert. Nur vereinzelt finden sich persönliche Schilderungen zu seiner Haftzeit in Buchenwald von September 1939 bis zur Befreiung im April 1945.

Die Schilderungen beginnen mit der Wahl des Ortes für die Errichtung des Lagers im Sommer 1937 in der Mitte des Buchenwalds, einem „Lieblingsaufenthalt Goethes“ (S. 7). Der Ort sei daher „eine Herausforderung der gesitteten Welt“ (ebd.). Im berichtenden und sachlichen Ton klärt er den Leser über die Aufnahmeprozedur im Lager und über die verschiedenen Abteilungen und Bereiche des Lagers auf. So beschreibt er etwa die verschiedenen Arbeitskommandos oder das Krematorium. Ebenso widmet er sich in kurzen Abschnitten einzelnen Häftlingsgruppen, wie etwa den Kindern, Frauen und französischen Patrioten. Er folgt dabei keiner zeitlichen Chronologie.

Ausführlich thematisiert Eiden auch den Terror, von dem „das ganze Leben in Buchenwald durchdrungen und beherrscht“ (S. 20) ist. Den Prügel- und Bunkerstrafen, dem Baumhängen oder den Kollektivstrafen widmet er sich in jeweils kurzen Abschnitten, ebenso wie den medizinischen Experimenten mit Fleckfieber oder Giftinjektionen und Hauttätowierungen. So habe der Lagerkommandant Koch „sich aus besonders ausgewählten Stücken nicht tätowierter Menschenhaut einen Lampenschirm für sein Arbeitszimmer anfertigen“ (S. 28) lassen. Den Massenmord an 7.200 russischen Kriegsgefangenen oder die Unterbringung von 2.500 polnischen Staatsangehörigen unter katastrophalen Bedingungen im sogenannten Rosengarten in Buchenwald thematisiert er ebenso wie die sogenannten Judenaktionen im November 1938, bei denen 10.000 jüdische Bürger im Lager grausam zu Tode kommen.

Eiden benennt die „schlimmsten Mordbanditen und Folterknechte“ (S. 11) im Lager namentlich – nicht immer werden die Namen jedoch korrekt wiedergegeben. So erwähnt er vor allem den Lagerkommandanten Koch sowie weitere SS-Führer, wie etwa Hans Schmidt, Hermann Hackmann, ‚Biester‘ (gemeint ist wohl der Lagerkommandant Hermann Pister), Rödel (gemeint ist wohl der Schutzhaftlagerführer Arthur Rödl) und viele andere. Die als Berufsverbrecher inhaftierten Häftlinge sieht er als „Gehilfen und Spießgesellen der SS“ (S. 13) an. Sie seien von der SS mit der inneren Verwaltung des Lagers beauftragt worden, damit sie „zu Verrätern an ihren Mithäftlingen wurden und damit sie sich an den Verbrechen der SS, Totschlag und Mord beteiligten“ (ebd.).

Großen Raum nimmt die Schilderung des antifaschistischen Kampfes ein – vor allem im Zusammenhang mit der Befreiung Buchenwalds. Die ab Sommer 1942 im Lager aktive internationale, antifaschistische Kampforganisation sorgt unter anderem dafür, dass gefährdete Kameraden mit den Nummern verstorbener Häftlinge versehen und einem Außenkommando zugeteilt werden. Die Organisation beschafft auch Waffen und sammelt Radiogeräte. Ein wesentlicher Aspekt ist dabei der Kampf der politischen Häftlinge, die „Aera der Berufsverbrecher“ (S. 31) zu beenden und die innere Lagerverwaltung zu übernehmen. Dies gelingt ihnen auch – zumindest vorübergehend – als der politische Häftling Paul Mohr Lagerältester I wird. Erst 1943 erringen die Antifaschisten jedoch endgültig den Sieg um die interne Lagerverwaltung, beschreibt Eiden. Ziel sei es gewesen, die Unterbringung ausländischer Antifaschisten auf diversen Posten der Lagerverwaltung zu bewirken. Er selbst sei zu diesem Zweck an die Seite des Lagerältesten Erich Reschke gestellt worden. Seine Aufgabe sei es gewesen, der SS diese Personalvorschläge „schmackhaft“ (S. 34) zu machen.

Die Bemühungen der Antifaschisten führen letztlich auch dazu, dass Buchenwald das „einzige deutsche Konzentrationslager [war], dessen Insassen sich selbst befreit“ (S. 40) haben, so Eiden. Ausführlich widmet er sich den letzten Tagen bis zur Befreiung. Bereits in den ersten Apriltagen 1945 erwägt die Organisation das Losschlagen gegen die SS. Obwohl die Evakuierung des größten Teils der Juden nicht verhindert werden kann, gelingt es doch, zumindest den Abtransport der französischen und polnischen Häftlinge zu verhindern. Stattdessen werden die Berufsverbrecher aus dem Lager gebracht.

Am 11. April schließlich, als die amerikanischen Truppen unaufhaltsam auf das Lager zumarschieren, wird der Befehl der Widerstandsorganisation zum Sturm auf die SS erteilt: „Gruppen bewaffneter Antifaschisten begaben sich in die Umgebung des Lagers, so in die SS-Siedlung und säuberten sie von SS-Leuten. Insgesamt 220 SS-Leute wurden gefangengenommen und später den Amerikanern übergeben“ (S. 42), die einen Tag danach das Lager erreichen. Am gleichen Tag hält das internationale Lagerkomitte eine Ansprache im Lager. Anderen Berichten zufolge ist es Eiden selbst, der diese Ansprache hält. Dies erwähnt er jedoch in seinem Bericht nicht. Eiden sieht sich als Teil der gesamten antifaschistischen Bewegung im Lager und ordnet seine eigene Rolle darin unter.

Ganz zu Beginn seines Berichts befasst sich Eiden auch mit den Motiven der Nationalsozialisten dafür, ihre internen und äußeren Gegner auszuschalten und zu diesem Zweck KZ zu errichten. Ihm ist es wichtig zu betonen, dass das deutsche Volk „in seiner Gesamtheit“ (S. 5) die Verantwortung für die Verbrechen in den KZ trägt: „Es hat Hitler an die Macht kommen lassen; es ist ihm in den Krieg gefolgt, es hat keinen entscheidenden wichtigen Beitrag zu seinem Sturz geleistet, als die Armeen der Alliierten im Kampf gegen Hitlers Machtapparat schon in Deutschland selber standen“ (ebd.). Auch, so betont er, haben die Deutschen von den Vorgängen im KZ gewusst, wenn auch nicht jeder gleich viel und von den gleichen Dingen Kenntnisse gehabt habe, wie er einschränkt: „Und die vielen anderen, die heute mit keuschem Augenaufschlag versichern, daß ihnen von all dem nichts bekannt war. Sie belügen sich selbst und andere“ (S. 8). Dennoch seien gerade die deutschen Antifaschisten ein Beweis dafür, dass es auch im deutschen Volk gute Kräfte gebe. So seien sie etwa dafür verantwortlich, dass in der Weltpresse die Erfahrungen von politisch Deportierten aus anderen Ländern erschienen seien.

Der Bericht endet mit dem Hinweis darauf, dass die alliierten Besatzungsbehörden der Welt das Grauen im Lager sichtbar gemacht haben. Diese ordnen an, dass die Bewohner der Stadt Weimar in das Lager kommen müssen, um sich alles mit eigenen Augen anzusehen. Das Merkblatt, das in diesem Zusammenhang an die Besucher Buchenwalds ausgehändigt wird, ist dem Bericht ebenso beigefügt wie die Ansprache des US-Platzkommandanten Major Schmuhl sowie der Appell des Internationalen Lagerkomitees.


Biografie

Hans Eiden (geb. 24.11.1901 in Trier, gest. 06.12.1950 in Trier) wurde unter dem Namen Johann Eiden als Sohn eines Eisenbahnarbeiters geboren. Nach seiner Ausbildung zum Dreher war er von 1929 bis 1936 zunächst arbeitslos und hielt sich mit Gelegenheitsarbeiten über Wasser. 1929 trat er der KPD bei und übernahm dort kleine Organisationsaufgaben. Zeitweise war er Mitglied des Erwerbslosenauschusses und Leiter des Stützpunkts Trier-Nord des „Kampfbundes gegen den Faschismus“. Bis zur Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde er zweimal von der Partei ausgeschlossen, die Gründe dafür sind unklar. Vom 1. März 1933 bis zum 17. Mai 1933 saß er in Schutzhaft im Gestapo-Gefängnis Trier-West. Am 26. April 1936 wurde er erneut verhaftet und wegen ‚Vorbereitung zum Hochverrat‘ vor dem Oberlandesgericht Hamm angeklagt und am 21. Dezember 1936 zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt. Nach Ende der Haftstrafe im Zuchthaus Siegburg im Mai 1939 wurde er im September 1939 erneut in Schutzhaft genommen und in die Strafanstalt Wittlich überstellt. Von hier gelangte er am 16. September 1939 in das Konzentrationslager Buchenwald, wo er die Häftlingsnummer 6222 erhielt und dem Block 34 zugewiesen wurde.

Eiden, der in der kommunistischen Partei bis zu diesem Zeitpunkt keine führende Funktion innehatte und nicht zur Parteiprominenz gehörte, trat auch während seiner Haftzeit zunächst nur wenig hervor. Seit 1940 war er in der Häftlingsbekleidungskammer tätig, schließlich wurde er Blockältester. In Folge einer Provokation musste er im März 1942 für drei Monate in eine Strafkompanie. Im Juni 1943, spätestens jedoch im November 1943, wurde er Lagerältester II. Im November 1944 wurde er schließlich zum Lagerältesten I ernannt, nachdem er diese Funktion einige Zeit provisorisch ausgeführt hatte. Reden oder Auftritte von ihm sind nicht überliefert. Klar scheint jedoch, dass er eine feste kommunistische Überzeugung hatte und sich nicht scheute, sich für diese persönlich in Gefahr zu begeben und Entscheidungen zu treffen. Mit seiner Ernennung zum Lagerältesten I zeichnete er sich durch Entschlusskraft und Mut aus und trat auch immer wieder der SS selbstbewusste gegenüber. All dies geht jedoch aus seinem eigenen Erinnerungsbericht nicht hervor, wo er selbst als Person sehr in den Hintergrund tritt und alle Leistungen dem Internationalen Lagerkomitee als Ganzem zuschreibt.

So bemühte er sich etwa um die Errichtung von Barracken für die aus anderen KZ evakuierten Neuankömmlinge, die aufgrund der Überfüllung des Lagers in Zelten oder unter freiem Himmel ausharren mussten. Im April 1945 stellte er sich auch gegen die Evakuierung des Lagers, da die kranken Häftlinge nicht hätten marschieren können. Ebenso ist es – nach Angaben ehemaliger Mithäftlinge – ihm zu verdanken, dass sich die inhaftierten Juden am 4. April 1945 dem Befehl widersetzten, sich auf dem Appellplatz einzufinden. Das Internationale Lagerkomitee versteckte die Menschen in Blocks für Nichtjuden. Durch diesen Beschluss konnten etwa 3.000 Juden gerettet werden. Auch am 5. April, als die SS einen letzten Versuch unternahm, die illegale Widerstandsorganisation im Lager zu zerschlagen, indem sie 47 Häftlinge – die als Kern der Organisation galten, darunter beispielsweise Eugen Kogon – aus dem Lager bringen wollte, spielte er offenbar eine entscheidende Rolle. Die Häftlinge wurden im Lager versteckt oder aus diesem heraus geschmuggelt, so dass am Ende nur einer der Häftlinge auf dem Appellplatz erschien.

Eiden versuchte zudem dem Lagerkommandanten klarzumachen, dass dieser von den Amerikanern weniger zu befürchten hätte, wenn er sich den Häftlingen gegenüber besser verhielt. Am 11. April – als die amerikanischen Einheiten unmittelbar vor Buchenwald standen – übergab der Lagerkommandant Pister das Lager an Hans Eiden. Der Großteil der SS erhielt den Befehl das Lager zu verlassen, und das Internationale Lagerkomitee gab den Befehl zum Sturm auf die Wachtürme und den Lagerzaun. Nun besetzte Eiden mit einer Gruppe Häftlinge das Lagertor und hisste die weiße Fahne. Schließlich war es auch Eiden, der um 15.15 Uhr die Befreiung Buchenwalds und erste Verlautbarungen der Buchenwalder Kapos über Lautsprecher verkündete. Am 12. April wurde er zum Mitglied der Leitung der KPD im befreiten KZ Buchenwald gewählt. Der eingetroffene amerikanische Lagerkommandant bestätigte ihn in seiner Funktion als Lagerältesten. Außerdem wurde er in das Volksfrontkomitee des befreiten KZ Buchenwald gewählt.

Nach der Befreiung geriet der Anteil Eidens an den Ereignissen in Buchenwald in den Hintergrund. Er kehrte im Mai 1945 in seine Heimatstadt zurück, wo er im Juni zum Ersten Sekretär des KPD-Kreisvorstandes gewählt wurde und bis September 1946 als kommunaler Beirat für die KPD arbeitete. Durch Erlass der französischen Militärverwaltung wurde er im Oktober 1945 zum kommunalen Beirat für die KPD in Trier ernannt. Er war auch leitender Funktionär der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) in Trier.

Als Abgeordneter zog er 1947 in den Rheinland-Pfälzischen Landtag ein, wo er vor allem für soziale Belange eintrat und den Petitionsausschuss leitete. Die französische Militärregierung ermittelte im September 1948 gegen ihn sowie gegen andere ehemalige Genossen des KZ Buchenwald. Geplant waren öffentliche Prozesse gegen kommunistische Funktionäre in Buchenwald.

Eiden starb schließlich im Alter von 49 Jahren an den Spätfolgen der langjährigen Haft. Im Dezember 1995 würdigte die Stadt Trier Eiden mit einem Gedenkstein vor seinem Geburtshaus. In Weimar war bis zur Wende 1989 zudem eine Schule nach ihm benannt. 1995 erschien außerdem das Buch „Eh‘ die Sonne lacht – Hans Eiden, Kommunist und Lagerältester in Buchenwald“, in dem Dokumente, Erinnerungen von Zeitzeugen sowie Eidens eigene Aufzeichnungen zu einer Biographie verarbeitet worden sind.

Quellen:

  • Dorfey, Beate: „Zur Problematik des kommunistischen Widerstandes im Konzentrationslager“. In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft (1995), Nr. 43, S. 515-534.
  • „Hans Eiden“. In: Mahnmal Trier. Online: http://www.mahnmal-trier.de/Personen/eiden.html (Stand: 14.03.2017).
  • „Häftlingspersonalkarte Hans Eiden“, Buchenwald, 1.1.5.3/5812225/ITS Digital Archive, Arolsen Archive.
  • Niethammer, Lutz (Hg.): Der ‚gesäuberte‘ Antifaschismus. Die SED und die roten Kapos von Buchenwald. Berlin 1994.


Werkgeschichte

Nach Auskunft des Trieres Willi Torgau schrieb Hans Eiden seinen Bericht nicht selbst, sondern ließ ihn von einem kommunistischen Journalisten verfassen, dem er diesen diktierte. Ein von Druckfehlern bereinigter sowie mit faksimilierten Dokumenten und Fußnoten versehener Originaltext der Schrift von 1946 erschien außerdem in der Veröffentlichung von Horst Gobrecht zu Hans Eiden, die 1995 unter dem Titel „Eh‘ die Sonne lacht. Hans Eiden – Kommunist und Lagerältester im KZ Buchenwald“ im Bonner Pahl-Rugenstein Verlag publiziert wurde. Darin wird darauf hingewiesen, dass der Tatsachenbericht „Das war Buchenwald“ vom September/Oktober 1946 Ungenauigkeiten und Unkorrektheiten aufweise, etwa was die Schreibweise der Namen und Ränge der SS-Offiziere sowie einiger Daten angeht. Die Zeit zum Schreiben sei für Eiden zwischen 1945 und 1946 sehr knapp gewesen, er habe zudem alles aus dem Gedächtnis schreiben müssen, da er nicht auf die vom amerikanischen Militär sichergestellten Dokumente habe zurückgreifen können.

Quelle:

  • Dorfey, Beate: „Zur Problematik des kommunistischen Widerstandes im Konzentrationslager“. In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft (1995), Nr. 43, S. 515-534.
  • Gobrecht, Horst: Eh‘ die Sonne lacht. Hans Eiden – Kommunist und Lagerältester im KZ Buchenwald. Bonn 1995.



Bearbeitet von: Charlotte Kitzinger