Der Kampf um ein Buch (1934)

Aus Frühe Texte der Holocaust- und Lagerliteratur 1933 bis 1949
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Angaben zum Werk

Titel Der Kampf um ein Buch

Genre Sonstige

Ausgaben des Werks

Ausgabe von 1934, Paris
Titel Der Kampf um ein Buch
Untertitel Wie im Dritten Reich gegen das Braunbuch gekämpft und gelogen wurde

Erscheinungsort Paris
Erscheinungsjahr 1934

Verlegt von Editions du Carrefour
Gedruckt von Buch- und Kunstdruckerei Coopérative Etoile

Herausgegeben von Anonym
Umfang 25 Seiten plus 6 Seiten Werbeanzeigen und Leseprobe
Abbildungen 1 (Zeitungsartikel aus dem Generalanzeiger, Dortmund)

Bibliotheksnachweise UBGI-icon.gif UB Gießen (Print-dnb-icon.gif gedruckte Ausgabe)
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DNB-icon.gif Deutsche Nationalbibliothek (Online-dnb-icon.gif elektronische Ausgabe)


Zusammenfassung

Die nationalsozialistische Propaganda schlug hohe Wellen, nachdem 1933 das „Braunbuch über Reichstagsbrand und Hitlerterror“ publiziert worden war. Darin wird die Täterschaft Marius van der Lubbes hinterfragt und stattdessen der Brand als geplante Aktion führender Nationalsozialisten dargestellt, welche die Verhaftungswelle gegen Kommunisten und Sozialdemokraten rechtfertigen sollte. Die anonym herausgegebene Broschüre „Der Kampf um ein Buch“ greift ein Jahr nach der Veröffentlichung des Braunbuchs die nationalsozialistischen Gegenargumente auf. Durch deren Widerlegung werden die Aussagen des Braunbuchs noch einmal bekräftigt.

Die in der Broschüre dargestellten Reaktionen auf das Braunbuch können in drei Bereiche unterteilt werden: die Meinung der Weltpresse, die Rolle des Braunbuchs im Leipziger Reichstagsbrandprozess und die Äußerungen der nationalsozialistischen Führung. Die Ansichten der Weltpresse sind einhellig und durch eine Vielzahl von in Übersetzung abgedruckten Zitaten aus britischen, amerikanischen, französischen, niederländischen und polnischen Zeitungen belegt. So wird etwa die polnische Zeitung „Opinia“ zitiert: „Wenn der Leipziger Prozess vor der ganzen Welt jetzt eine derartige Niederlage des Hitlertums ist, so hat den allergrössten Anteil daran das Braunbuch“ (S. 4). In dem sogenannten Reichstagsbrandprozess in Leipzig gegen die Kommunisten Georgi Dimitroff, Ernst Torgler, Blagoi Popoff und Wassil Taneff sowie gegen „das Provokationswerkzeug der Faschisten“ (S. 3), Marinus van der Lubbe, wurde das Braunbuch zum „sechsten Angeklagten“ (S. 4) und zur „wirkliche[n] Anklageschrift“ (ebd., Hervorhebung im Original). Immer wieder nutzen beide Seiten – also auch die nationalsozialistischen Richter und Anwälte – das Braunbuch als Quelle oder nehmen darauf Bezug. So werden beispielsweise Zeugen gezielt eingeladen, um Aussagen des Braunbuchs zu widerlegen. Dennoch konnte „das Reichsgericht in seinen monatelangen Verhandlungen das Braunbuch in keinem Teil abschwächen, geschweige denn widerlegen“ (S. 5, Hervorhebung im Original), so der anonyme Autor. Die Broschüre stellt ebenfalls dar, wie die führenden Nationalsozialisten Hitler, Göring oder Goebbels, die das Braunbuch „gehasst und gefürchtet“ (S. 12) haben, reagieren: Zunächst verbieten sie das Braunbuch in Deutschland, in Österreich werden Buchhändler bedroht, in Danzig gibt es Razzien und die Autoren werden verfolgt. In einem nächsten Schritt versuchen sie die Aussagen des Braunbuchs propagandistisch zu widerlegen. Das Braunbuch sei, so der Tenor der NS-Presse, kaum beachtet worden, sei eine Sammlung von Lügen, die nur eine finanzielle Bereicherung für den Herausgeber darstellen solle, und würde den Frieden in Europa gefährden. An dieser Stelle nimmt der anonyme Autor die Gegenargumente der Nationalsozialisten auf und entkräftet sie systematisch und mit Bezug auf Aussagen in dem Reichstagsbrandprozess in Leipzig sowie dem vorhergehenden ‚Gegenprozess‘ in London. So habe die nationalsozialistische Propaganda gezielt das Braunbuch falsch zitiert, um diese gefälschten Aussagen als kommunistische Lügen zu deklarieren: „Bei dieser Fälschung des ‚Völkischen Beobachters‘ handelt es sich darum, den deutschen Lesern das Braunbuch als ein ‚landesverräterisches‘ Buch hinzustellen“ (S. 23, Hervorhebung im Original). Das Buch schließt mit dem Verweis auf das geplante „Braunbuch II. Dimitroff contra Goering. Enthüllungen über den Reichstagsbrand und die wahren Brandstifter“ und appelliert voller Pathos an die „heldenhaften antifaschistischen Kämpfer“ (S. 24).

Die Aussagen über das Braunbuch werden von dem Autor der Broschüre sehr strukturiert dargestellt und durch Zitate belegt. So entsteht eine schlüssige Argumentationskette, die dem Leser auch ohne größeres Vorwissen verständlich ist, da selbst grundsätzliche Punkte wie der Inhalt und die Aussage des Braunbuchs nicht vorausgesetzt, sondern erklärt werden. Den Herausgebern scheint die schnelle Veröffentlichung der Broschüre wichtig gewesen zu sein, worauf die Vielzahl von Druckfehlern hinweist. Offenbar wurde das Buch unter Zeitdruck fertig gestellt, denn es fehlen ganze Satzteile oder gar Absätze.

Werkgeschichte

Das Buch wurde in einer einmaligen Auflage 1934 als Reaktion auf die Veröffentlichung des 1933 von Willi Münzenberg herausgegebenen „Braunbuch[s] über Reichstagsbrand und Hitlerterror“ verlegt. Der Pariser Verlag Edition du Carrefour wirbt in der Broschüre, dass „[a]lle unsere Bücher […] gleichzeitig in deutscher, französischer, englischer, holländischer und amerikanischer Ausgabe“ (S. [30]) erscheinen, jedoch konnten Übersetzungen von „Der Kampf um ein Buch“ nicht ausfindig gemacht werden.



Bearbeitet von: Christiane Weber