Der Pogrom (1939)

Aus Frühe Texte der Holocaust- und Lagerliteratur 1933 bis 1949
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Angaben zum Werk

Titel Der Pogrom
Autor Heiden, Konrad (1901-1966)
Genre Dokumentensammlung

Ausgaben des Werks

Ausgabe von 1939, Paris,Zürich
Titel Der Pogrom

Erscheinungsort Paris,Zürich
Erscheinungsjahr 1939

Verlegt von Verlag für soziale Literatur
Gedruckt von Impremerie Coopérative Etoile
Publiziert von Heiden, Konrad (1901-1966)

Umfang 221 Seiten, Vorwort S. III-XV
Abbildungen 14 Facsimilés von Presseartikeln und anderen Dokumenten, 9 Fotografien

Bibliotheksnachweise DNB-icon.gif Deutsche Nationalbibliothek (Print-dnb-icon.gif gedruckte Ausgabe)
DNB-icon.gif Deutsche Nationalbibliothek (Online-dnb-icon.gif elektronische Ausgabe)


Zusammenfassung

Mit der anonym herausgegebenen Dokumentensammlung möchte der Journalist und Publizist Konrad Heiden im Pariser Exil über den Pogrom gegen die Juden im NS-Regime im November 1938 aufklären. In zwei großen Abschnitten versammelt er Dokumente über Vorgeschichte und Verlauf der antijüdischen Ausschreitungen in Deutschland einerseits und über die weltweiten Reaktionen darauf andererseits. Heiden stützt sich dabei in erster Linie auf Berichte in der NS-Presse sowie in ausländischen Zeitungen.

Mit Hilfe einer Vielzahl von Berichten dokumentiert Heiden den umfassenden Charakter der antijüdischen Gewalt im NS-Herrschaftsbereich, die Morde, Plünderungen sowie die Haltung der Bevölkerung und legt den inszenierten Charakter der Ereignisse offen. Überdies ordnet er den Novemberpogrom in die ihm vorangegangene Serie antisemitischer Verordnungen und Maßnahmen ein. In einleitenden Bemerkungen bettet Heiden die antijüdische Gewalt im November 1938 und vor allem die damit einhergehende Ausplünderung der jüdischen Bevölkerung in den Kontext der Kriegsvorbereitungen ein, indem er darin den Versuch sieht, neue Mittel für die Rüstung zu erschließen. Vor allem aber sieht er hierin auch einen Wendepunkt in der Politik des NS-Regimes gegen die Juden, denn die brutalen Verfolgungen seit Frühjahr 1938 „waren das Mittel in den Händen der faschistischen Machthaber, mit dem sie die halbe Million Juden Deutschlands in einen gehetzten, gedemütigten, haltlosen Haufen verwandeln wollten, um sie restlos auszuplündern und dann auch physisch vernichten zu können“ (S. 4). Dementsprechend bildet er mit den Dokumenten ein Panorama der Gewalt ab und betont, dass die abgedruckten Quellen nur eine Auswahl seien. Im zweiten Abschnitt („Die Welt setzt sich zur Wehr“) findet sich eine Auswahl von Presseberichten aus aller Welt, die die empörten Reaktionen der Staatsmänner, Kirchen und anderer Organisationen und Persönlichkeiten auf die Ereignisse in Deutschland dokumentiert.

Der Dokumentensammlung ist ein ausführliches Vorwort von Heinrich Mann vorangestellt. Mann deutet den Pogrom als eine Drohung des NS-Regimes an die Welt: Sie solle erstarren und „den Widerstand vergessen“ (S. IV). Eine weitere Absicht sei „die Erziehung der gesamten Mitwelt zur Unmenschlichkeit, vermittels der Gewöhnung an ihren Anblick“ (ebd.); schließlich sollte der Pogrom die Allmacht Hitlers demonstrieren. Diese Ziele, so Mann, seien nicht erreicht worden, da die Welt mit Abscheu reagiert habe. Vielmehr habe sich das Regime selbst bloßgestellt. Die Haltung der überwiegenden Mehrheit des deutschen Volkes deutet Heinrich Mann als stille Ablehnung, als innerliche Missbilligung und Empörung, die sich nur selten offen gezeigt habe. Die Motivation der Täter sieht Mann nicht im Hass auf die Juden, denn ihnen sei es nicht um die Juden speziell gegangen: „Sie sind eingedrungen, wo es erlaubt war, haben misshandelt, wen sie durften und gestohlen, was frei stand“ (S. XIII). Wäre ihnen ein Vorgehen gegen Christen erlaubt worden, hätten sie, so Mann, auch dies getan.


Biografie

Konrad Heiden (geb. 07.08.1901 in München, gest. 18.06.1966 in New York) wuchs in einer politisch und gesellschaftlich engagierten Familie auf. Seine Mutter, Lea Heiden-Deutschmann, stammte aus einer jüdischen Familie und war bis zu ihrem Tod 1906 in der Frauenbildungsarbeit der Arbeiterbewegung aktiv. Heidens Vater Johannes war als Arbeitersekretär in Frankfurt tätig. Konrad Heiden studierte in München, wo er bereits in den frühen zwanziger Jahren auf Hitler und die NSDAP aufmerksam wurde und sich im Republikanischen Studentenbund für die Demokratie in Deutschland engagierte. Ab 1923 berichtete er für die „Frankfurter Zeitung“ aus München, immer wieder auch über den Nationalsozialismus. In den frühen dreißiger Jahren wechselte Heiden zur „Vossischen Zeitung“. Ende 1932 veröffentlichte er im Rowohlt Verlag ein Buch über die Geschichte des Nationalsozialismus, das schnell zu einem Erfolg wurde. Im Frühjahr 1933 floh Heiden nach Zürich und ging von dort wenige Monate später nach Saarbrücken, wo er wiederum als Journalist arbeitete und sich gegen eine Rückkehr des Saargebiets zum Deutschen Reich engagierte. Nach der Volksabstimmung im Januar 1935, deren Ergebnis der Anschluss des Saargebiets an das Deutsche Reich war, floh Heiden nach Frankreich. Hier arbeitete er für die Exil-Zeitschrift „Das Neue Tage-Buch“ von Leopold Schwarzschild und publizierte 1935 und 1937 seine zweibändige Hitler-Biographie, die rasch ein internationaler Bestseller wurde. 1939 veröffentlichte er auf Englisch, Französisch und Schwedisch einen Bericht über den Novemberpogrom in Deutschland. Nach dem Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde Heiden in Frankreich als ‚feindlicher Ausländer‘ zeitweise von den französischen Behörden interniert, konnte sich aber im Herbst 1940 über Spanien nach Portugal retten, von wo er im Oktober 1940 in die USA reiste. Dort setzte Heiden seine publizistische Arbeit fort und veröffentlichte 1944 mit „Der Fuehrer“ sein erfolgreichstes und zugleich letztes Buch. Nach dem Krieg arbeitete er vor allem für deutsche Rundfunksender, für die er wöchentliche Berichte über das politische und gesellschaftliche Leben in den USA verfasste. Heiden, der seit Mitte der fünfziger Jahre zunehmend unter einer Parkinson-Erkrankung litt, fiel das Arbeiten immer schwerer; mehrere Buchprojekte blieben unvollendet. Im Juni 1966 erlag er schließlich seiner Krankheit und starb in New York.

Quelle:

  • Roth, Markus: Konrad Heiden (1901-1966). Annäherungen an Leben und Werk. In: Roth, Markus/Feuchert Sascha und Christiane Weber (Hg.): Heiden, Konrad: Eine Nacht im November 1938. Ein zeitgenössischer Bericht. Göttingen 2013, S. 135-172.





Bearbeitet von: Markus Roth