Die Prüfung (1935)

Aus Frühe Texte der Holocaust- und Lagerliteratur 1933 bis 1949
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Angaben zum Werk

Titel Die Prüfung. Roman aus einem Konzentrationslager
Autor Bredel, Willi (1901-1964)
Genre Roman

Ausgaben des Werks

Ausgabe von 1935, Moskau-Leningrad
Titel Die Prüfung. Roman aus einem Konzentrationslager

Erscheinungsort Moskau-Leningrad
Erscheinungsjahr 1935

Auflagenhöhe insgesamt 8.000
Verlegt von Verlagsgenossenschaft Ausländischer Arbeiter in der UdSSR

Publiziert von Bredel, Willi (1901-1964)
Umschlaggestaltung von Alex Keil

Umfang 386 Seiten


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Ausgabe von 1946, Berlin
Titel Die Prüfung : Roman aus einem Konzentrationslager

Erscheinungsort Berlin
Erscheinungsjahr 1946
Auflage 1.-30. Tausend

Verlegt von Aufbau-Verlag
Gedruckt von Paetz/Rink Verlag
Publiziert von Bredel, Willi (1901-1964)
Umschlaggestaltung von Hans Leistikow

Umfang 359 Seiten

Bibliotheksnachweise UBGI-icon.gif UB Gießen (Print-dnb-icon.gif gedruckte Ausgabe)
UBGI-icon.gif UB Gießen (Online-dnb-icon.gif elektronische Ausgabe)

Zusammenfassung

In seinem dokumentarischen Roman schildert Willi Bredel größtenteils autobiografisch die Geschichten einiger im Hamburger Konzentrationslager Fuhlsbüttel inhaftierter politischer Häftlinge zwischen August 1933 und März 1934. Vor allem die Figur des Kommunisten Walter Kreibel, des Juden Gottfried Miesicke und des ehemaligen Reichstagsabgeordneten Heinrich Torsten stehen im Zentrum der Handlung.

Dem Roman vorangestellt ist ein Vorwort Bredels, in dem er berichtet, dass er am 1. März 1933 in Schutzhaft genommen worden und dreizehn Monate gefangen gehalten worden sei, elf Monate davon in Einzelhaft. Er stellt klar, dass er in seinem Roman das schildert, was er selbst erlebt und gesehen hat. Keine Person sei erfunden und die Namen der SS-Leute seien echt, ebenso wie die des übrigen Lagerpersonals. Die Namen der Gefangenen habe er jedoch geändert. Ebenso vorangestellt ist eine Auflistung der in Hamburg enthaupteten, in den Tod getriebenen und im KZ Fuhlsbüttel „schmachtenden Genossen“ (S. 12).

Der Roman ist in fünf Kapitel unterteilt, die in chronologischer Reihenfolge Verhaftung, Vernehmung, Haft im Konzentrationslager, Entlassung und Entscheidung über das weitere (politische) Leben der Figur Kreibels nach der Haft erzählen.

Im ersten Kapitel wird die Verhaftung des Juden Gottfried Miesicke inszeniert, die rein zufällig erfolgt, weil er sich auf einem Alsterdampfer auf ein kurzes Gespräch mit einem ihm unbekannten Kommunisten einlässt. Da dieser beschattet wird, wird Miesicke – zu Unrecht – als Kommunist und Geldgeber der Kommunisten verhaftet. Im zweiten Kapitel wird er beim Verhör so lange gefoltert, bis er aus reiner Verzweiflung und Schmerz alles zugibt, was ihm zu Last gelegt wird. Im dritten und längsten Kapitel des Romans schildert der auktoriale Erzähler detailliert und ausführlich die Misshandlungen und Folter an verschiedenen Häftlingen im KZ Fuhlsbüttel. Schnell wird klar, dass das System der nationalsozialistischen Konzentrationslager auf reiner Willkür beruht. Die Häftlinge werden durch das überwiegend als brutal, sadistisch und gleichgültig geschilderte Wachpersonal gequält, entwürdigt und sogar zum Selbstmord gezwungen oder ermordet. Vor allem nachts werden die Häftlinge durch permanente ‚Überfälle‘ in den Zellen misshandelt und auch psychisch terrorisiert. Unter den Männern der Wachmannschaft gibt es wenige, die keinen Spaß daran zu haben scheinen, die Häftlinge zu quälen und zu schikanieren, wo immer sich ihnen eine Gelegenheit bietet. So empfindet der Sturmführer Dusenschön den Vorwurf des Lager-Kommandanten, er solle keine „Humanitätsduselei“ (S.144) aufkommen lassen, als kränkenden Vorwurf: „Er hat Dunkelzellen einrichten lassen, Strafexerzieren, hat zwei Zellen zum Prügeln reserviert, hat stets beide Augen zugedrückt, wenn Gefangene fertig gemacht wurden. Er findet, den Vorwurf der Humanität hat er nicht verdient“ (S. 145).

Dabei sind auch die Wachmänner untereinander keineswegs einig oder einander wohlgesinnt. Immer wieder kommt es zu Konkurrenzkämpfen und Denunziationen untereinander. Wohlwollendes Verhalten den Häftlingen gegenüber gibt es nur in einigen wenigen Ausnahmen, so erleichtert der „Heildiener“ (S. 173) des Lagers Kreibel und dem kommunistischen Reichstagsabgeordneten Heinrich Torsten durch kleine Vergünstigungen etwas das Leben, weil – so wird klar – er die Ziele der Nationalsozialisten nicht teilt, aber nicht mutig genug ist, sich dagegen zu wehren.

Weite Teile des Romans schildern die unerträgliche Situation in der Einzel- und Dunkelhaft etwa aus der Perspektive von Heinrich Torsten und Kreibel. Torsten geht an dieser unerträglichen Situation zunächst beinahe zugrunde: „Dann aber wieder gibt es Stunden, in denen er glaubt, toll zu werden. Zeitweise versagt jede gedankliche Ablenkung, dann läuft er mit Würgen im Halse durch das Dunkel seiner Zelle und kann die wilden, ungebärdigen Gedanken weder bändigen noch konzentrieren“ (S. 94). Erst nach einiger Zeit erkennt er, dass das regelmäßige Klopfen seines ihm unbekannten Zellennachbarn Kreibel ein System hat und als Kommunikationsmöglichkeit dient. Dieses ermöglicht ihm schließlich, die Zeit in der Dunkelhaft zu überstehen und über die Klopfzeichen Freundschaft mit dem Genossen Kreibel zu schließen. Aber auch Kreibel kommt immer wieder in Situationen, in denen er aufgeben und sich das Leben nehmen möchte. Seine Bewunderung für Torsten, der trotz der ständigen und unbarmherzigen Folter standhaft bleibt und keinen der Genossen verrät, hilft ihm jedoch durchzuhalten. Andere Häftlinge halten dagegen dem Druck und Schmerz nicht stand und verraten ihre Mitgefangenen unter der Folter –  so etwa auch wiederholt Miesicke – oder begehen Selbstmord, wenn die Situation unerträglich wird. Thematisiert wird auch die Zerrissenheit der politischen Häftlinge untereinander. So herrscht zwischen Kommunisten, die die Mehrzahl der Häftlinge bilden, und Sozialdemokraten großes Misstrauen und sogar Feindschaft. Erst nach und nach kommt es zu Annäherungsversuchen und schließlich zu einem Gemeinschaftsgefühl.

Der Roman endet mit der Entlassung Kreibels und seiner ersten Zeit in Freiheit. Zunächst fällt es ihm schwer, sich wieder in den Alltag einzufinden. Das Schicksal der sich weiterhin in Haft befindenden Genossen belastet ihn. Gleichzeitig hat er ein großes Bedürfnis nach Ruhe und Angst davor, erneut verhaftet zu werden. Hin und hergerissen zwischen dem Druck, sich erneut politisch zu betätigen und dem Wunsch, Abstand von allen zu nehmen, leidet er an Schlafstörungen und Unruhe. Auch seine Frau Ilse ist in großer Sorge und Angst um ihn und die Familie. Als jedoch die alten Parteigenossen Kontakt zu Kreibel aufnehmen und ihn bitten, in Frankfurt wieder aktiv zu werden, willigt er schließlich ein: „Walter Kreibel ist nicht wiederzuerkennen; er ist froh, lustig, sogar übermütig. Ihm ist, als seien erdrückende Lasten von seinen Schultern genommen, und er kann sich wieder frei bewegen, recken uns strecken (S. 381). […] Er hat sich entschieden. Er versteht jetzt gar nicht, wieso es Hemmungen geben konnte. Die Partei ruft, wie kann er da zögern. Die proletarische Revolution braucht jeden Mann“ (S. 385).


Biografie

Willi Bredel, geb. 02.05.1901 in Hamburg, gest. am 27. Oktober 1964 in Ost-Berlin, wurde als Sohn eines sozialdemokratischen Zigarrenmachers geboren. Nach dem Besuch der Volksschule lernte er von 1916 bis 1918 den Beruf des Eisen- und Metalldrehers in der Hamburger Großwerft Blohm & Voss. Er organisierte sich im Deutschen Metallarbeiterverband und in der sozialdemokratischen Arbeiterjugend. Von 1919 bis 1922 war er außerdem ehrenamtlich als Redakteur der unabhängigen sozialistischen Zeitschrift „Freie Proletarische Jugend“ tätig. Nach dem Hamburger Aufstand 1923 saß er mehrere Monate in Untersuchungshaft. Hier schrieb er sein Erstlingswerk „Marat, der Volksfreund“, das nach einem Vorabdruck in der KPD-Tageszeitung „Hamburger Volkszeitung“ (HVZ) Anfang 1926 als Buch erschien.

Nach seiner Amnestierung 1925 arbeitete er als Seemann, als Taxichauffeur und als Dreher in der Maschinenfabrik Nagel & Kaemp in Hamburg-Winterhude und war journalistisch für die Bremer Arbeiterzeitung und das Essener Ruhrecho tätig. Von Oktober 1926 bis August 1927 war Bredel Maschinist und Schmierer auf dem Frachter „Barbara“. Er lernte so zahlreiche Hafenstädte Spaniens, Portugals, Italiens und Nordafrikas kennen und verfasste einige Reisekorrespondenzen für die Hamburger Volkszeitung. Später arbeitete er als Dreher bei der Maschinenfabrik Nagel & Kaemp, wo er für die Revolutionäre Gewerkschaftsopposition (RGO) in den Betriebsrat gewählt wurde. Bereits im Juni 1928 entließ ihn die Firma jedoch wieder. Als Redakteur der HVZ wurde Bredel 1930 vom Reichsgericht wegen „Vorbereitung literarischen Hoch- und Landesverrats“ zweier unliebsamer Artikel zu zwei Jahren Festungshaft verurteilt. In dieser Zeit schieb er seinen ersten Roman „Maschinenfabrik N & K“ in dem er seine Erlebnisse bei Nagel & Kaemp verarbeitete. Auch sein zweiter Roman, „Die Rosenhof-Straße“, spielt im Hamburger Arbeitermilieu. Bredel verstand seine literarischen Arbeiten immer als Teil des Klassenkampfes. Deshalb sind die Helden dieser Romane oft keine Einzelpersonen, sondern Kollektive.

Am 1. März 1933, zwei Tage nach dem Reichstagsbrand, wurde Bredel in ‚Schutzhaft‘ genommen, verhaftet und in das Konzentrationslager Fuhlsbüttel überstellt. Erst nach dreizehn Monaten Haft, davon elf in Einzelhaft, wurde er wieder entlassen. Er floh nach Prag und schrieb dort seinen dokumentarischen Roman „Die Prüfung“. Im November 1934 siedelte er dann nach Moskau über, wo er ab 1936 mit Bertholt Brecht und Lion Feuchtwanger die antifaschistische literarische Exilzeitschrift „Das Wort“ herausgab. Im Juli 1937 schloss er sich nach der Teilnahme am internationalen Schriftstellerkongress den Internationalen Brigaden an, um die Spanische Republik gegen die Franco-Putschisten zu verteidigen. Bis Juni 1938 blieb er in Spanien. Seine Erlebnisse dort verarbeitete er zu der Romanchronik „Begegnung am Ebro“, die er bereits Ende 1938 in einem Exilverlag in Paris in deutscher Sprache veröffentlichte.

Kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges kehrte er in die Sowjetunion zurück. Hier verfasste er zahlreiche Flugblätter, um deutsche Soldaten von der Sinnlosigkeit des Krieges zu überzeugen und sprach auf Deutsch über den Moskauer Sender. Später war er auch bei Lautsprechereinsätzen an Frontabschnitten in Woronesch, Stalingrad und Kiew aktiv. Im Juli 1943 gehörte er zu den Gründungsmitgliedern des Nationalkomitees „Freies Deutschland“, einer antifaschistischen Organisation, in der deutsche Kriegsgefangene gemeinsam mit deutschen Exilanten für den Sturz Hitlers aktiv waren. Mitten im Zweiten Weltkrieg 1941 erschien der erste Band seiner Trilogie „Die Väter“ und Bredels Hauptwerk „Verwandte und Bekannte“, das das Schicksal von drei Generationen einer Hamburger Arbeiterfamilie beschreibt und die deutsche Arbeiterbewegung von 1871 bis 1948 thematisiert. Der zweite Band der Trilogie folgte 1949 unter dem Titel „Die Söhne“ und der dritte Teil „Die Enkel“ 1953.

Anfang Mai 1945 trat Bredel dann als Mitarbeiter einer Initiativgruppe der KPD in Mecklenburg ein und beteiligte sich am Wiederaufbau in Rostock und Schwerin. Im August 1945 war er Mitbegründer des Landes-Kulturbundes zur demokratischen Erneuerung Deutschlands. Er wurde zum Vorsitzenden des Demokratischen Kulturbundes in Mecklenburg-Vorpommern gewählt und engagierte sich für die Entwicklung einer antifaschistischen neuen Kultur. Seit 1947 war Bredel in zweiter Ehe mit der schwedischen Journalistin Maj Bredel, geborene Olson, verheiratet. Von 1947 bis 1949 war Bredel außerdem Abgeordneter des Mecklenburgischen Landtages und von 1948 bis 1950 der Volkskammer der DDR. Er arbeitete außerdem zwischen 1952 und 1956 als Chefredakteur der Literaturzeitschriften „Heute und Morgen“ und von der „ndl“ (neue deutsche literatur). 1950 war er Gründungsmitglied der Deutschen Akademie der Künste. Von 1950 bis zu seinem Tod lebte er in Ost-Berlin als Schriftsteller und Kulturpolitiker. Ab 1956 war er Vizepräsident und ab 1962 Präsident der Deutschen Akademie der Künste. 1954 bis 1964 war Bredel Mitglied des Zentralkomitees der SED, seit 1957 Mitglied der Kulturkommission.

Quellen:


Werkgeschichte

In dem Roman „Die Prüfung“ verarbeitete Willi Bredel seine eigenen Erfahrungen im Konzentrationslager Fuhlsbüttel. Bereits im Lager arbeitete er an seinem Werk, das 1934 im Malik-Verlag in London mit einem von John Heartfield gestalteten Umschlag veröffentlicht wurde. Das Buch gilt mit als erste authentische Nachricht vom nationalsozialistischen Terror in Deutschland. Es zeigt vor allem die Widerstandskraft der kommunistischen und sozialistischen antifaschistischen Häftlinge. Während die Namen der Wachmannschaften und der Lagerleitung den tatsächlichen Namen entsprechen, wurden die Namen der Mitgefangenen abgeändert. Die Romanfigur Heinrich Torsten etwa soll Mathias Thesen nachempfunden sein. Die Figur Walter Kreibel dagegen weist Ähnlichkeiten zu Bredel selbst auf.

Der Roman „Die Prüfung“ wurde 1935 mit einem von Alex Keil gestalteten Umschlag von der Verlagsgenossenschaft ausländischer Arbeiter in der UdSSR herausgegeben. Eine zweite, vom Verfasser durchgesehene Auflage erschien noch im selben Jahr. Bis 1945 betrug die Gesamtauflage des Buches, übersetzt in 17 Sprachen, etwa eine Million Exemplare. So konnte das Buch international über die Existenz des KZ Fuhlsbüttel, über Unterdrückung, Folter, Leiden und Widerstand informieren. 1946 erschien das Werk Bredels erstmals im Berliner Aufbau-Verlag; bis 1960 erfolgen nahezu jährlich neue Auflagen, so dass 1960 bereits die 8. Auflage von „Die Prüfung“ vorlag. Zuletzt wurde der Roman 2017 ins Italienische übersetzt und unter dem Titel „La prova: il primo romanzo sui campi di concentramento nazisti“ im PGreco-Verlag veröffentlicht.

Quellen:



Bearbeitet von: Charlotte Kitzinger