Erlebnisse eines politischen Gefangenen im Konzentrationslager Buchenwald (1946)

Aus Frühe Texte der Holocaust- und Lagerliteratur 1933 bis 1949
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Angaben zum Werk

Titel Erlebnisse eines politischen Gefangenen im Konzentrationslager Buchenwald
Autor Bunzol, Alfred (1907-1951)
Genre Erinnerungsbericht

Ausgaben des Werks

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Ausgabe von 1946, Weimar
Titel Erlebnisse eines politischen Gefangenen im Konzentrationslager Buchenwald

Erscheinungsort Weimar
Erscheinungsjahr 1946

Verlegt von Thüringer Volksverlag
Gedruckt von Druckerei Thüringer Volksverlag
Publiziert von Bunzol, Alfred (1907-1951)

Umfang 46 Seiten
Abbildungen 7 Fotografien des Lagers Buchenwald

Bibliotheksnachweise UBGI-icon.gif UB Gießen (Print-dnb-icon.gif gedruckte Ausgabe)


Zusammenfassung

Der kurze, sehr sachliche und nüchterne Bericht beginnt mit der Überstellung des politischen Häftlings Alfred Bunzol vom Konzentrationslager Lichtenburg in das neu errichtete Lager Buchenwald am 31. Juli 1937 und endet mit seiner Befreiung im April 1945. Zentrales Thema ist neben allgemeinen Schilderungen der ‚Kampf‘ zwischen den politischen Häftlingen und den sogenannten Berufsverbrechern im Lager.

Zu Beginn hausen in den noch provisorischen Unterkünften bereits etwa 300 Häftlinge, zumeist sogenannte ‚Kriminelle‘. Da es noch keine Wasserleitungen gibt, leiden die Häftlinge unter entsetzlichem Durst. Mit groben Misshandlungen werden sie zum Aufbau des Lagers, etwa dem Errichten des Kommandantenhauses, gezwungen. Immer wieder hebt Bunzol den Mut und den Widerstandswillen der politischen Häftlinge hervor, die etwa in das Fundament des Kommandantenhauses eine Flasche einmauern, die eine Postkarte mit dem Text „Gezwungen, aber nicht bezwungen“ (S. 6) enthält. Diese Worte seien dann bei der Befreiung am 11. April 1945 Tatsache geworden, so Bunzol.

Neben den Misshandlungen und Schikanen, die besonders zu Beginn der Existenz des Lagers Buchenwald sehr ausgeprägt sind, und der zahlreichen „SS-Sadisten“ (S. 5), die er namentlich benennt, erläutert Bunzol auch die Häftlingszusammensetzung in den Jahren 1937 und 1938. Dabei widmet er sich ausführlich dem andauernden ‚Kampf‘ zwischen den politischen Häftlingen und den sogenannten ‚Berufsverbrechern‘. Letztere besetzen vor allem zu Anfang die wesentlichen Positionen im Lager und schikanieren die politischen Häftlinge. Deren Ziel ist es daher, vereint „gegen die SS und ihre Helfer, ihre Spitzel, Denunzianten und Totschläger in den Reihen der Häftlinge zu kämpfen“ (S. 11). Die starke Kameradschaft der politischen Häftlinge zeigt sich auch in der gegenseitigen Unterstützung jener Häftlinge, die Hunger leiden, weil sie von Zuhause keine Pakete oder Geld geschickt bekommen. Erst im Februar 1938 gelingt es, einen politischen Häftling an die Spitze des Kommandos Steinbruch zu setzen, der dann die Arbeitsbedingungen für die Häftlinge etwas erleichtert und so einige Leben rettet. 1943 und 1944 wird die Untergrundarbeit der politischen Häftlinge immer mehr erweitert: „Seit September 1944 wurde unsere bisher im engen Kreis durchgeführte organisatorische und politische Arbeit auf Massenarbeit eingestellt“ (S. 32).

Nur sehr selten berichtet Bunzol, der im Dezember 1944 als Blockältester tätig ist, über sein eigenes Schicksal; vielmehr geht es ihm darum, seine Erlebnisse in den Dienst des Kampfes der politischen Häftlinge im Lager ein- und unterzuordnen. So ist sein eigener geglückter Versuch, drei sowjetrussische Häftlinge seines Blocks durch Überstellung in den Krankenbau vor dem Tod zu retten, ein Verdienst des „antifaschistische[n] illegale[n] Organisationsapparat[s]“ (S. 35): „Unsere Entschlußkraft hatte im letzten Augenblick 3 Menschenleben der SS-Mordgier entrissen“ (ebd.). Bunzol benennt sowohl die zahlreichen SS-Männer und Funktionäre des Lagers als auch die Häftlinge, deren Schicksale er beschreibt, namentlich. Wichtig ist ihm auch die zeitliche Einordnung der geschilderten Begebenheiten. Neben einigen – missglückten – Fluchtversuchen aus dem Lager, öffentlichen Exekutionen, medizinischen Versuchen sowie dem Schicksal einiger im Lager ermordeten politischen Häftlinge, stellt Bunzol auch die ‚Judenaktion‘ im November 1938 dar. Zehn- bis fünfzehntausend Juden werden nach den Novemberpogromen in das Lager eingeliefert und hier in Notbaracken unter katastrophalen Bedingungen zusammengepfercht. Die SS und die kriminellen Kapos rauben ihnen alle noch verbliebenen Wertgegenstände.

Besonders die letzten Wochen und Tage vor der Befreiung des Lagers schildert Bunzol detailliert. Das Herannahen der Befreier wird immer spürbarer. Zunehmend treffen Transporte evakuierter und zutiefst erschöpfter Häftlinge aus anderen Lagern in Buchenwald ein, etwa aus Auschwitz, Groß-Rosen oder Stutthof. Die illegale antifaschistische Organisation in Buchenwald versucht um jeden Preis, eine Evakuierung Buchenwalds zu verhindern. Sie intensiviert auch ihre Sabotageaktionen in den Rüstungsbetrieben und versteckt viele Hundert Juden teilweise unter falschen Namen in anderen Blocks. Als am 6. April 1945 46 politische Häftlinge antreten und mutmaßlich getötet werden sollen, hilft sie diesen auch, sich unter anderem Namen und Häftlingsnummer im Lager zu verbergen. Schließlich stellt Bunzol die Geschehnisse am 7. April 1945 sogar nahezu stündlich nach und vermittelt so dem Leser das schnelle Handeln im Warten auf die bevorstehende Befreiung der Häftlinge. So beschreibt er den Einsatz des Lagerältesten Hans Eiden, der eine Evakuierung Buchenwalds hinauszögern kann. Bevor das Lager am 11. April durch die amerikanischen Streitkräfte befreit wird, bewaffnet sich die antifaschistische Organisation mit im Lager versteckten Waffen und stürmt die SS-Kasernen, wo sie über 100 SS-Leute gefangen nimmt. Schließlich hissen sie die weiße Fahne. Am 12. April spricht Hans Eiden im befreiten Lager einen Freiheitsappell und dankt im Namen der Häftlinge den amerikanischen Befreiern. Der Text endet mit dem Lob eines amerikanischen Offiziers an die Kämpfer: „Wir bewundern euch, wie ihr es fertiggebracht habt, unter dem Naziterror solche Einigkeit, Ordnung und Kraft zu erhalten. Ihr seid die Besten Europas. Ihr habt 150 SS-Leute gefangengenommen“ (S. 45).

Der Text enthält sieben abgedruckte Fotografien des Lagers Buchenwald.


Biografie

Alfred Bunzol (geb. 31.05.1907 in Bielschowitz, gest. 22.05.1951) wurde in eine Bergarbeiterfamilie geboren. Sein Vater fiel 1914 im Ersten Weltkrieg. Bunzol besuchte die Volksschule und arbeitete danach als Bergarbeiter. 1927 wurde er Mitglied des Kommunistischen Jugendverbands Deutschland (KJVD) und trat in die Gewerkschaft ein. Drei Jahre später wurde er Mitglied der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD). Als Mitglied der Bezirksleitung der KPD Oberschlesien wurde er im September 1930 zur Lenin-Schule nach Moskau (eine Ausbildungsstätte der Kommunistischen Internationalen) geschickt. Ab März 1933 führte er die Parteiarbeit der KPD in Oberschlesien im Geheimen weiter, bis er am 4. Dezember 1933 das erste Mal verhaftet und im Gerichtsgefängnis Oppeln festgehalten wurde. Von dort wurde er im Mai 1934 in das Konzentrationslager Lichtenburg überstellt und am 1. September 1934 entlassen. Wegen des Verdachts der illegalen Arbeit für die KPD wurde er am 8. August 1935 jedoch erneut verhaftet und wieder in das KZ Lichtenburg eingeliefert. Von hier wurde er am 31. Juli 1937 in das KZ Buchenwald überführt, wo er die Häftlingsnummer 738 erhielt. Bunzol wurde erst nach acht Jahren Haft am 12. April 1945 durch die amerikanische Armee im KZ Buchenwald befreit.

Mitte Mai 1945 wurde er aus dem Lager Buchenwald entlassen und zusammen mit anderen Kameraden zur Stadtpolizei Weimar berufen. Aufgabe war es, eine nazifreie Polizei aufzubauen. Ende Mai 1945 eröffnete er mit Hilfe der KPD ein Dolmetscherbüro, das Übersetzungen vom Deutschen ins Russische und umgekehrt vornahm. Außerdem war er in der KPD-Kreisleitung in Weimar tätig. Am 15. September 1945 heiratete er Kate Szafranski, geborene Mohr, die aus ihrer ersten Ehe den Sohn Hansi mitbrachte. Die erste Tochter wurde am 19. September 1946 geboren, es folgten eine weitere Tochter, sowie 1951, wenige Monate nach dem Tod von Alfred Bunzol, ein Sohn. Anfang Juli bis Mitte November 1947 wurde Bunzol vom Landratsamt zur politischen Schulung nach Camberg an der Saale delegiert.

Immer wieder litt Bunzol unter starken Depressionen, die Klinik- und Kuraufenthalte notwendig machten. Hinzu kam der politische Druck und ständige Verhöre durch die NKWD. In seinem Bericht zum Konzentrationslager Buchenwald hatte er sich positiv über Ernst Busse geäußert, der 1945 Minister in der thüringischen Landesregierung wurde, dann jedoch in Verruf geriet, weil ihm vorgeworfen wurde, er habe zu eng mit der SS zusammengearbeitet und nicht genug für die Rettung der sowjetischen Kriegsgefangenen in Buchewald getan. Bunzol sollte in seinem Buch Änderungen vornehmen und zweifelte zunehmend an der stalinistischen Politik der Sowjetunion und der SED.

1950 wurde er PK-Leiter des VP-Kreisamts in Teltow, geriet jedoch immer mehr unter Druck der NKWD. Die Umstände seines Todes 1951 sind unklar. Sein Sohn geht von einem Selbstmord aus, wie er im Vorwort der Biografie über seinen Vater schreibt: „Alles ist durch Recherchen, Dokumente und Aufzeichnungen untermauert. Bis auf den ‚Selbstmord‘ von Vater, er ist von mir fiktiv gestellt, ich denke aber, so war sein Ende, alle Indizien deuten darauf hin. Der Leser möge sich sein eigenes Urteil bilden“ (Bunzol, 2011, S. 7).

Quelle:

  • Bunzol, Alfred Michael Andreas: Die Leben des Buchenwaldhäftlings Alfred Bunzol 738. Bad Langensalza 2011.


Werkgeschichte

Der Bericht von Bunzol wurde noch im Konzentrationslager Buchenwald kurz nach dem Einmarsch der amerikanischen Truppen am 11. April 1945 verfasst, wie aus einer dem Text vorangestellten Bemerkung hervorgeht. Das Honorar aus dem Verkauf seines Berichts spendete Bunzol der KPD.

2011 veröffentlichte Alfred Bunzols Sohn Alfred Michael Andreas Bunzol im Verlag Rockstuhl die Lebensgeschichte seines Vaters unter dem Titel „Die Leben des Buchenwaldhäftlings Alfred Bunzol 738“.

Quellen:

  • Bunzol, Alfred: Erlebnisse eines politischen Gefangenen im Konzentrationslager Buchenwald. Weimar 1946.
  • Bunzol, Alfred Michael Andreas: Die Leben des Buchenwaldhäftlings Alfred Bunzol 738. Bad Langensalza 2011.



Bearbeitet von: Charlotte Kitzinger