Hier bin ich (mein Vater)

Aus Frühe Texte der Holocaust- und Lagerliteratur 1933 bis 1949
Wechseln zu: Navigation, Suche

Angaben zum Werk

Titel Hier bin ich, mein Vater
Autor Torberg, Friedrich (1908-1979)
Genre Roman

Ausgaben des Werks

Ausgabe von 1948, Stockholm
Titel Hier bin ich, mein Vater

Erscheinungsort Stockholm
Erscheinungsjahr 1948
Auflage 1
Auflagen insgesamt Mindestens 8

Verlegt von Bermann-Fischer Verlag
Gedruckt von Buchdruckerei Winterhur AG
Publiziert von Torberg, Friedrich (1908-1979)

Umfang 348 Seiten

Bibliotheksnachweise UBGI-icon.gif UB Gießen (Print-dnb-icon.gif gedruckte Ausgabe)
DNB-icon.gif Deutsche Nationalbibliothek (Print-dnb-icon.gif gedruckte Ausgabe)
DNB-icon.gif Deutsche Nationalbibliothek (Online-dnb-icon.gif elektronische Ausgabe)


Zusammenfassung

Die Hauptfigur des Romans, der Wiener Jude Otto Maier, schreibt als Häftling der französischen Geheimpolizei im August 1938 in Paris seine Lebensgeschichte nieder. Maier hatte bis zu seiner Verhaftung als jüdischer Spitzel für die Gestapo gearbeitet, um so die Freilassung seines Vaters aus dem Konzentrationslager Dachau zu erwirken. Auf der Grundlage der Geschichte Otto Maiers und seines Vaters behandelt Torberg in seinem Roman die Frage des assimilierten Judentums und die daraus resultierenden moralischen Handlungsspielräume.

Die eigentliche Geschichte um Otto Maier ist in eine – grafisch durch Kursivierung abgesetzte – Rahmenhandlung eingebettet: Der Ich-Erzähler, ein österreichischer Intellektueller, kehrt nach seiner Flucht aus Frankreich 1946 nach Paris zurück. Dort trifft er den Untersuchungsrichter Bourguignac, ein alter Freund aus der Zeit des Widerstands während des Krieges. Dieser reicht ihm „drei großformatig[e], dick[e] Heft[e], deren Seiten eng und bis an den Rand beschrieben waren, mit einer […] unter äußerster Anstrengung um Sammlung bemühte[n] Schrift“ (S. 14). Die Hefte stammen von dem Wiener Juden Otto Maier, der darin sein Leben reflektiert und einzelne Stationen in Wien und Paris sowie seine Zusammenarbeit mit der Gestapo beschreibt. Er möchte sich durch das Schreiben darüber klar werden, wo er in seinem Leben anders hätte handeln müssen, um nicht als Spitzel im Gefängnis zu enden: „Es soll nicht etwa meine komplette Lebensgeschichte werden. Ich will nur den Weg nachzeichnen, der mich hierher geführt hat. Ich will berichten, wie es gekommen ist, daß ich heute, im August 1939, in dieser Pariser Gefängniszelle sitze. Ich habe meinen Bericht auch schon zu ordnen versucht, nach zeitlichen Gesichtspunkten wie nach sachlichen“ (S. 17).

Dieser Vorgabe folgend, beginnt der 1909 geborene Maier als Ich-Erzähler in der Binnenhandlung mit der chronologischen Schilderung seiner Kindheit in Wien. Er schreibt über den frühen Tod der Mutter und die Beziehung zu seinem Vater. Dr. Joseph Maier ist ein respektierter Arzt, nimmt pflichtbewusst als Freiwilliger am Ersten Weltkrieg teil und ist schlichtweg „gut, wie andre [sic!] Menschen blond sind oder Frühaufsteher oder Bulgaren“ (S. 18). Die Vater-Sohn-Beziehung ist ambivalent, denn sie ist einerseits von Liebe, Verständnis und wirklicher Nähe geprägt, andererseits spürt Otto jedoch immer auch eine vermeintliche Fremdheit zwischen ihnen. Maier beschreibt immer wieder Szenen seiner Kindheit und Jugend, in denen er dezidiert als Jude behandelt wird: bei einem Spaziergang im Park, als ein Offizier ihn als „hübsche[n] Judenbub“ (S. 32) bezeichnet; bei einer Schlägerei mit seinem Mitschüler Macholdt; bei seinem ersten sexuellen Annäherungsversuch, als ihn das Mädchen Kathi zurückweist, weil sie erfährt, dass er Jude ist. Kurz: Torberg beschreibt den unterschwelligen und alltäglichen Antisemitismus im Wien der Zwischenkriegsjahre, an den Maier sich jedoch gewöhnt, „man nahm seine gelegentlichen Ausbrüche als etwas Selbstverständliches hin“ (S. 53). Doch all diese Situationen prägen Maier nicht negativ: Von dem Gespräch mit dem Offizier behält er sich nur das Kompliment, dass er hübsch sei. Dass Macholdt ihn als einen der wenigen Juden auswählt, um sich bei seinem Schulverweis von ihm zu verabschieden, empfindet er als besondere Ehre und mit Kathi hat er letztendlich doch Geschlechtsverkehr. Als Junge bezieht er die zunehmenden antisemitischen Pöbeleien auf der Straße nicht auf sich, denn ein „Judenbub“ (S. 39) sei er eben; nur Zusätze wie „dreckiger Judenbub“ (ebd.) ärgern ihn und er wehrt sich gegen diese.

Nach dem Abitur geht Maier für drei Jahre nach Paris, wo er ein verschwenderisches Leben als Künstler führt und, wie er selbst sagt, „in schlechte Gesellschaft“ (S. 84) gerät. Als sein Vater die finanziellen Zuwendungen an seinen Sohn streicht, kehrt er nach Wien zurück, dort „würde jetzt alles anders werden, anders und besser“ (S. 102). Allerdings wendet er sich in seiner Heimatstadt keinem bürgerlichen Leben zu, wie es sich sein Vater für ihn wünscht. Auch hier treibt er sich nächtelang durch Künstlercafés, lebt von Arbeitslosenunterstützung und sporadischen Engagements als Jazzpianist.

Die Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland 1933 beängstigt ihn nicht: „Ich wußte ziemlich genau, was in der Politik vorging. Es interessierte mich nur nicht“ (S. 105). Nach dem ‚Anschluss‘ Österreichs 1938 flieht Maier nicht, obwohl er sich durchaus der Gefahr für die Juden bewusst ist und auch sein Vater ihn darum bittet. Otto – ohne Arbeit oder Zukunftsaussichten, aber eigentlich zufrieden – glaubt, nichts zu verlieren zu haben, da ihm sein Leben „egal“ (S. 144) ist. Die Ausgrenzung der Juden aus der Gesellschaft nimmt er ohne größere Gefühlsregung wahr und berichtet von seinem blauäugigen Verhalten bei seiner Verhaftung. Sein Vater hingegen engagiert sich für die Emigration von Juden und sagt seinem Sohn offen, dass er enttäuscht von ihm sei. Als Vater und Sohn getrennt voneinander bei einer Massenverhaftung in Wien festgenommen werden, wird Otto wieder entlassen, da er den diensthabenden Gestapo-Mann Macholdt noch aus Schulzeiten kennt; Joseph Maier hingegen wird im November 1938 nach Dachau gebracht.

Die ersten Versuche, seinen Vater zu befreien, sind von Ahnungslosigkeit darüber bestimmt, in welche Gefahr er sich begibt, doch Maier ist bestrebt, alles für seinen Vater tun zu wollen. Die Situation scheint ausweglos, als ein alter Bekannter, Fedja Krasnoff, ihn und weitere Freunde in seinen Plan einweiht, als Musikkapelle über die Grenze nach Ungarn zu fliehen. Alles sei arrangiert, so Krasnoff, nur müssten sie im Gegenzug Devisen aus Österreich herausschmuggeln. Während die Gruppe begeistert zu planen beginnt, wird Otto zu einem Treffen mit Macholdt beordert. Dieser bietet ihm an, seinen Vater freizulassen, wenn Otto ihm Informationen über den Devisenschmuggel liefert. Otto willigt ein und gibt Macholdt die Namen der Hintermänner preis. Dass er damit die Flucht seiner Freunde gefährdet – er hat sich entschieden in Wien zu bleiben, um von dort die Freilassung des Vaters zu erwirken –, ist ihm nicht bewusst. Erst langsam realisiert er, dass Macholdt bereits viele der Informationen kennt, er also nicht auf Otto angewiesen ist. Überzeugt, dass Macholdt auch bereits von dem Fluchtplan der Freunde weiß, gibt er in einem der vielen Gespräche mit ihm auch diesen eilfertig preis – die Freunde werden am Grenzgang verhaftet, nur einem Brüderpaar gelingt die Flucht.

Trotz dieses Vorfalls nimmt Otto weitere Aufträge von Macholdt an und weitet sein Recherchegebiet sogar noch aus. Der Verrat wird für ihn zum Alltag. Doch dann teilt ihm seine alte Freundin Stascha mit, dass sie aus sicherer Quelle weiß, dass Joseph Maier bereits im März in Dachau gestorben sei. Zunächst gibt er sich der Illusion hin, dass dies nicht stimme und er von Macholdt nicht belogen worden sei; er muss jedoch erkennen, dass Macholdt ihn ausgenutzt hat. Doch mit der Erkenntnis, dass er seinen Vater nie wieder sehen wird, wird ihm auch bewusst, dass die Gestapo nun kein Druckmittel mehr gegen ihn hat, dies aber noch nicht weiß. Otto spielt seine „Rolle“ (S. 255) als Spitzel weiter: Als „Triumph“ (S. 241) möchte er Macholdt und die Gestapo verraten. Deswegen nimmt er einen Auftrag in Paris an, um dort zunächst für die Auslandsgestapo in den Emigrantenkreisen zu spitzeln. Die deutschen Spionagestrukturen möchte er dann jedoch an die französische Geheimpolizei verraten. Zunächst läuft alles nach Plan, es macht ihm „Spaß“ (S. 279), selbst die höchsten Chefs der Auslandsabteilung zu treffen – immer glaubt er, sie mit seinem Wissen in der Hand zu haben. Er kommt schnell in Kontakt mit Emigranten, die ihm „allesamt zum Kotzen waren“ (S. 275) wegen ihrer „unbezähmbare[n] Intimitätsduselei, die eine gemeinsame Ortsveränderung zum Ersatz aller sonst fehlenden Gemeinsamkeiten machte“ (S. 276). Doch sein Verrat funktioniert nicht: Der französische Geheimdienst interessiert sich nicht für seine Informationen, da es sich nur um Devisenschmuggel handele. Sie verleugnen sogar die Bekanntschaft mit ihm, als er verhaftet wird. Die Emigranten wenden sich ebenfalls von ihm ab, mit einem Spitzel – noch dazu einem jüdischen, der für die Gestapo arbeitet – will niemand etwas zu tun haben. Trotz allem bleibt bei Maier das Gefühl, dass er missverstanden wird.

In der Haft beginnt Maier mit der Niederschrift des Berichts, in dem es abschließend heißt: „Den Überblick habe ich jetzt. Die Antwort habe ich nicht. Ich weiß noch immer nicht, warum das alles gerade mir geschehen ist, und ob es mir geschehen mußte“ (S. 345). An diesem Punkt setzt erneut die Rahmenhandlung ein: Der Jurist Bourguignac erklärt seinem Freund, dass er Ottos Vater-Sohn-Konflikt für ein Symptom der Zeit halte, das die ganze Welt ergreife. Auch die Nationalsozialisten seien vaterlos gewesen und hätten in Hitler einen Ersatzvater gesehen. Erst im allerletzten Satz erfährt der Leser, dass Otto Maier, wenige Tage vor seiner Entlassung, in seiner Zelle Selbstmord begangen hat.

Im Zentrum des Romans steht die Entscheidung Ottos, als Jude für die Gestapo zu arbeiten, um seinen Vater aus Dachau zu befreien. Jedoch ist die Situation komplexer dargestellt: An keiner Stelle des Textes wird Otto direkt erpresst oder ihm befohlen, so zu handeln, wie er es tat. Viel mehr bietet Otto seine Mithilfe – durchaus in der Hoffnung, seinen Vater zu retten – nachdrücklich und direkt an. Ottos Mitarbeit wird von Macholdt der Ebene der Kollaboration enthoben, indem dieser betont, dass der Devisenschmuggel überall ein Verbrechen sei und kein spezifisch nationalsozialistisches Gesetz: Es sei „durchaus nichts Unehrenhaftes […], den Behörden gegen Devisenschmuggler zu helfen“ (S. 170). In Ottos Ohren „klang es [plötzlich] auch wirklich ganz einfach, geradezu harmlos klang es und rechtschaffen“ (S. 173). Obwohl die Sorge um den Vater von ihm zunächst als Hauptgrund für sein Handeln angegeben wird, beginnt Otto die Spitzeltätigkeit als Aufgabe anzusehen, es fallen Begriffe wie „Arbeit“ (S. 225), „Disziplin“ (ebd.) „Fleißaufgabe“ (S. 213), „Aufträge“ (S. 226) oder „pflichtgemäß“ (S. 202). Er spricht sogar von „wir“ (S. 263) im Zusammenhang mit der Gestapo und ist stolz auf seine Kontakte zu den nationalsozialistischen Machthabern. Sogar Allmachtsgefühle überkommen ihn, da er jederzeit jeden seiner Freunde anzeigen kann. In den Gesprächen mit Macholdt verrät Maier deshalb oft mehr als eigentlich nötig wäre, ohne dass ihn Selbstzweifel quälen. Vielmehr „phantasierte ich mich nämlich noch in die Rolle eines geheimen Rächers der Verfolgten“ (S. 178) und obwohl er faktisch den Verfolgern hilft, lebt er lange seine „Robin Hood-Phantasie“ (ebd.) aus. Dementsprechend fühlt er sich auch noch in Paris, als würde er alle Fäden in der Hand halten und schlau agieren. Wie falsch er damit liegt, wird ihm erst nach und nach klar. Am Ende verwebt er „das Wunschbild der Vergeltung“ (S. 248), also die Rache an der Gestapo, mit dem Versuch der gleichzeitigen ‚Entsühnung‘, doch „[d]as war zu viel. Das war es, woran ich scheitern mußte“ (S. 318).

Ein weiterer zentraler Punkt ist das schwierige Verhältnis Ottos zum Judentum. Während sein Vater durch sein Verhalten der Umwelt zeigen möchte, dass er als Jude ebenso würdig und ‚gut‘ ist wie ein Nichtjude, versteckt Otto sein Jüdischsein. Erst am Ende des Berichts versteht er, dass sein ganzen Handeln auf die Akzeptanz durch Nichtjuden ausgerichtet war: „[I]mmer und seit je ist es mir doch nur darum gegangen, von den andern, die keine Juden waren, so behandelt zu werden, als ob auch ich keiner wäre, so behandelt zu werden wie ein normaler Mensch. […] Ich habe mein Judentum immer als Defekt akzeptiert“ (S. 323f.). Daher spielt gerade das abschließende Gespräch, das Otto mit seinem ehemaligen Religionslehrer Professor Bloch führt, eine wichtige Rolle im Roman. Nur wenige Tage vor Ottos Verhaftung in Paris treffen sich die beiden zu einem theologisch-moralischen Gespräch über die besondere Rolle von Juden. Diese, so Bloch, hätten eine höhere moralische Verpflichtung zu erfüllen, weil es das Einzige ist, was sie als auserwähltes Volk auszeichne und ihnen geholfen habe zu überleben. Der Versuch Ottos, die Schuld für sein Handeln auf andere zu übertragen, scheitert, denn gerade die eigene Integrität sei es, die den Juden auszeichne.

Der Erzählrhythmus des Romans wechselt zwischen starken Raffungen und kleinschrittigen Beschreibungen der wichtigen Momente. Auffallend ist, dass der Ich-Erzähler in der Retrospektive schreibt und nur selten der Geschichte vorgreift. Er möchte alles „nüchtern und möglichst getreu so dar[]stellen, wie es sich zum Zeitpunkt des Geschehens mir selbst dargestellt hat“ (S. 132). Retrospektive Wertungen kommen dennoch vor.

Der Ich-Erzähler thematisiert an vielen Stellen sein eigenes Schreiben. Da er sich vorgenommen hat, dies möglichst chronologisch zu tun, weist er häufig nur darauf hin, dass ein Aspekt an einer anderen Stelle fortgesetzt wird oder dass es für das Verständnis nötig sei, diesen oder jenen Punkt zuerst zu behandeln. Der Erzähler beschreibt oft die Angst der anderen statt seiner eigenen. Wenn er selbst betroffen ist, werden die Darstellungen knapper, so spricht er nur kurz die „schärfere und gefährlichere Formen der Abweisung“ (S. 137) seiner Bitten durch die Gestapo an, aber beschreibt diese nicht näher. Der Erzählstil ist trotz der Thematik leicht, selbst gefährliche oder unangenehme Situationen wie der Rauswurf Ottos aus seiner Wohnung durch seine nationalsozialistische Vermieterin wirken mehr skurril als dramatisch.

Die Aufzeichnungen ähneln in vielen Passagen einem klassischen Adoleszenzroman, der sich mit der Loslösung des Sohnes von seinem Vater beschäftigt. Gerade die ausführliche Schilderung der Kindheit und Jugend Ottos lässt den Text Schulromanen wie Hermann Hesses „Unterm Rad“ (1906) oder auch Torbergs eigenem Roman „Der Schüler Gerber hat absolviert“ (1930) gleichen.

Der Titel des Romans spielt auf die Bibelstelle 1. Moses, Vers 22, an, in der Gott von Abraham geprüft wird und seinen Sohn opfern soll. Abraham spricht zu seinem Sohn Isaak „Hier bin ich, mein Sohn“ (Vers 7). Mit der Umkehrung der Formulierung spielt Torberg bereits im Titel auf die Vater-Sohn-Beziehung und die Frage der Opferbereitschaft an.


Biografie

Friedrich Torberg (geb. 16.09.1908 in Wien als Friedrich Ephraim Kantor, gest. 10.11.1979 ebenfalls in Wien) wuchs als Sohn tschechisch-jüdischer Eltern im gutbürgerlichen Milieu Wiens auf. Anders als seine assimilierten Eltern lebte er sein Jüdischsein und sah sich selbst als Jude: „Ich wußte, daß ich Jude war. Ich habe Hitler dazu nicht gebraucht“ (zit. nach Reich-Ranicki 1979, S. 21). In seiner Kindheit war Torberg sportlich sowie kulturell aktiv, gründete Lesezirkel an seinem Gymnasium und pflegte einen großen Freundeskreis. 1921 zog die Familie nach Prag, da der Vater zum Prokuristen seiner Firma aufgestiegen war. Auch dort konnte Torberg seinem Interesse für Literatur nachgehen, besuchte Prager Literaturcafés, schickte seine ersten Manuskripte an (zionistische) Zeitungen und lernte bekannte Schriftsteller wie Max Brod, der zu seinem Mentor und ‚geistigen Vater‘ wurde, oder Joseph Roth kennen. Sein literarischer Durchbruch gelang Torberg schon früh durch „Der Schüler Gerber hat absolviert“, einem Schulroman, der allein fünf tschechische Auflagen bis in die 1930er Jahre und die Übersetzung in zehn Sprachen erlebte. In den folgenden Jahren publizierte Torberg in verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften, u.a. auch in der „Weltbühne“ und der „Neuen Rundschau“. 1933 wurden seine Bücher in Deutschland verboten, da er sich politisch gegen die Nationalsozialisten engagierte und Jude war. Torberg, der auf der „Liste der deutschfeindlich tätigen Journalisten und Schriftsteller“ von 1936 stand, musste 1938 über die Schweiz nach Frankreich und in der Folge über Portugal in die USA emigrieren. Einer Verhaftung in Wien war er noch durch die zeitige Umsiedlung nach Prag zuvorgekommen. Die tschechoslowakische Exilarmee, der er sich in Frankreich noch anschließen wollte, musterte ihn aufgrund eines Herzfehlers aus. Torberg kam, wie seine Romanfigur in „Mein ist die Rache“, 1940 in New Jersey an und wurde von Freunden in Empfang genommen. Durch die Vermittlung des PEN-Clubs, der ihn auf Vorschlag von Erika Mann als einen der ‚Ten Outstanding Anti-Nazi-Writers‘ bereits bei der Ausreise aus Europa unterstützt hatte, erhielt er direkt einen Vertrag als Scriptwriter bei der Produktionsfirma Warner Brothers. Dies sicherte zwar Torbergs finanzielles Auskommen in den ersten Jahren in Hollywood, jedoch wurden seine Arbeiten zunächst nicht wahrgenommen. Umso wichtiger waren Torberg daher seine Freundschaften, die er mit anderen Emigranten wie dem Ehepaar Werfel schloss. Durch mehrere Drehbucherfolge wurde Torberg schließlich auch in den USA bekannt. 1945 erhielt er die amerikanische Staatsbürgerschaft und heiratete zum ersten Mal. Sechs Jahre blieb er noch in New York, kehrte dann aber nach Österreich zurück, wo er zu einer wichtigen Person des Wiener literarisch-kulturellen Lebens wurde. Er war bis zu seinem Tod ein gefragter Redner und Schriftsteller. Torberg gilt heute als „der bekannteste und einflußreichste österreichisch-jüdische Schriftsteller der Nachkriegszeit“ (Adunka 2000, S. 572) oder – wie Marcel Reich-Ranicki in seinem Nachruf auf ihn schreibt – als „Wiener Institution, ein österreichisches Wunder und ein deutsches Ärgernis“ (Reich-Ranicki 1979, S. 21). Als Autor fand Torberg Zeit seines Lebens viele Betätigungsfelder, verfasste Romane, Gedichte, Dramen, Kritiken, Drehbücher und vieles mehr; auch fungierte er als Herausgeber des kulturpolitischen „FORUM“, als Übersetzer der satirischen Texte von Ephraim Kishon und als Herausgeber anderer Autoren.

Quellen:

  • Adunka, Evelyn: „Torberg, Friedrich“. In: Kilcher, Andreas B. (Hg.): Metzler Lexikon der deutsch-jüdischen Literatur. Jüdische Autorinnen und Autoren deutscher Sprache von der Aufklärung bis zur Gegenwart. Stuttgart/Weimar 2000, S. 572f.
  • Atze, Marcel: „Nachwort“. In: Torberg, Friedrich: Mein ist die Rache. Novelle. München 2008, S. 79-102.
  • Axmann, David: Friedrich Torberg. Die Biographie. München 2008.
  • Reich-Ranicki, Marcel: „Europäer, Österreicher, Jude. Zum Tode von Friedrich Torberg“. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 12.11.1979, S. 21.


Werkgeschichte

Der Roman entstand zwischen 1943 und 1946 während Torbergs Exil in Los Angeles, Redhill Farm und New York. In Deutschland wurde die 1948 in Schweden verlegte Ausgabe nicht ausgeliefert. Allerdings wurde der Roman in den folgenden Jahrzehnten vielfach – unter anderem bei Rowohlt und Fischer – neuaufgelegt und ins Italienische (1950) und Französische (1964) übersetzt. Die Neuauflage des Buches 1962 erfuhr ein großes mediales Echo. Im „Spiegel“ hieß es, dass es sich bei Torbergs Buch um eine „mit psychologischer Raffinesse und kriminalistischem Verstand geschriebene Spitzelstory“ handele. Günter Blöcker, Kritiker des „Literaturblatts“, spricht von einer „schonungslose[n] Wahrhaftigkeit“ bei der Behandlung des „jüdische[n] Thema[s]“ und der „jüdischen Schicksalsbestimmung“. Nicht die Assimilation stelle Torberg in seiner „makellos konzipierten Story“ als Lösung dar, sondern „das Bekenntnis zur stolzen, unbedingten Geschiedenheit“ von Juden und Mehrheitsgesellschaft. Er kritisiert allerdings die zu starke Betonung des Vater-Sohn-Konflikts und die fehlende „unmittelbar spürbare Qual der Selbsterforschung“. 1970 wurde der Roman im Auftrag des Senders "Freies Berlin" von Ludwig Cremer mit Peter Vogel in der Rolle des Otto Maier verfilmt.

Quellen:

  • Blöcker, Günter: „Die falsche Vergeltung“. In: Literaturblatt vom 08.12.1962, Nr. 286, o.S.
  • International Movie Database. Online: http://www.imdb.com/title/tt0065837/ (Stand: 18.09.2019).
  • o.A.: „Rezension: Friedrich Torberg: Hier bin ich, mein Vater“. In: Der Spiegel (1962), Nr. 49, S. 135. Online: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-45125159.html (Stand: 18.09.2019).
  • Torberg, Friedrich: Hier bin ich, mein Vater. Stockholm 1948.



Bearbeitet von: Christiane Weber