Hitler-Geißel über Westfalen (1946)

Aus Frühe Texte der Holocaust- und Lagerliteratur 1933 bis 1949
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Angaben zum Werk

Titel Hitler-Geißel über Westfalen
Autor Hundt, Josef (1905-1965), Meyer-Wrekk, Heinz
Genre Bericht

Ausgaben des Werks

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Ausgabe von 1946, Zürich
Titel Hitler-Geißel über Westfalen

Erscheinungsort Zürich
Erscheinungsjahr 1946

Verlegt von Pressestelle der Westfälischen Provinzialregierung
Gedruckt von Breer & Thiemann Buchdruckerei und Verlag GmbH
Publiziert von Hundt, Josef (1905-1965), Meyer-Wrekk, Heinz

Umfang 30 Seiten

Bibliotheksnachweise UBGI-icon.gif UB Gießen (Print-dnb-icon.gif gedruckte Ausgabe)
UBGI-icon.gif UB Gießen (Online-dnb-icon.gif elektronische Ausgabe)
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Zusammenfassung

Der Bericht ist eine von der Pressestelle der Westfälischen Provinzialregierung in Auftrag gegebene Zusammenstellung der Zerstörung und der Opfer des Nationalsozialismus in Westfalen. Die kurzen Kapitel sind jeweils von einem der beiden Autoren erstellt und mit deren Kürzel unterzeichnet. Teilweise mit viel Pathos widmen sich die Autoren ein Jahr nach Kriegsende sowohl dem Leid, das den Bewohnern Westfalens durch „tausendfaches Sterben“ (S. 13) und die massenhafte Verwundung der westfälischen Soldaten auf den Schlachtfeldern entstanden ist, als auch der Zerstörung durch die Bombardierungen der Städte Westfalens durch die Alliierten sowie den Flüchtlingsströmen aus dem Osten. Die Autoren listen dabei auch die Anzahl der Opfer und zerstörten öffentlichen Gebäude bestimmter Städte und Kreise auf.

Den Konzentrationslagern widmet sich in einem Kapitel Josef Hundt. Insbesondere werden die Lager Buchenwald, Bergen-Belsen und Mauthausen namentlich erwähnt, in denen auch viele „aufrechte deutsche Männer […] Jahr für Jahr [geschmachtet haben], Gefangene der Nazi-Verbrecher“ (S. 19). 12.177 westfälische Männer „wurden hinter Kerkermauern geschleppt und erlitten in der Hölle eines der vielen Konzentrationsläger bittere Mühsal, wurden dort geschunden, gequält, gefoltert“ (ebd.). Davon haben 7.785 ehemalige Häftlinge nach Kriegsende ermittelt werden können. 3.377 kranke Menschen seien außerdem aus den Heilanstalten verschleppt und davon 992 Personen ermordet worden.

Auch der Reichspogromnacht im November 1938 widmet Hundt einen eigenen Abschnitt. Dieser ist – wie große Teile des übrigen Textes – durch szenenhafte, adjektivreiche Schilderungen im Präsens besonders dramatisch gestaltet. Das Ereignis wird als ein wesentlicher Einschnitt in der Geschichte Deutschlands dargestellt: „Während Millionen deutscher Bürger friedlich in ihren Häusern sind und schlafen, geschieht etwas Furchtbares, etwas, das den Namen Deutschlands für immer schändet“ (S. 21). Auch hier legt der Autor zahlenmäßig Rechenschaft ab und nennt die Anzahl der in Westfalen lebenden jüdischen Bürger vor und nach der nationalsozialistischen Herrschaft: „Vor dem Nazi-Terror gab es in Westfalen 20502 jüdische Bürger. Heute leben nur noch 1 3 8 3 jüdische Bürger im gleichen Raum“ (S. 22, Hervorhebung im Original). Die Massenmörder seien Deutsche, „Söhne des gleichen Volkes, aus dessen Mitte einst Gotthold Ephraim Lessing in seinem ‚Nathan‘ das Evangelium der Menschlichkeit verkündete, Söhne des gleichen Volkes, aus dessen Mitte einst Karl Marx der Arbeiterschaft der ganzen Welt den Zukunftsstaat der wahren Freiheit und Gleichheit prophetisch voraussagte, Söhne des gleichen Volkes, das mit Stolz und Achtung die Kompositionen eines Mendelssohn, die Gemälde eines Liebermann und die Forschungen eines Einstein als schöpferische deutsche Kulturtaten pries“ (S. 22f.). Der Bericht endet mit dem Wunsch, dass die Trümmer weggeräumt und der Boden „für Frieden, Menschlichkeit und Völkerversöhnung“ (S. 31) bereitet würde.

Dem Text ist ein Vorwort von Dr. Fritz Stricker vorangestellt. Er beruft sich darauf, dass das deutsche Volk seit Jahrhunderten über eine hohe und gründliche Bildung verfügt habe und so große und geniale Menschen hervorgebracht habe wie Lessing, Eichendorff, Beethoven, Goethe, Schiller, Mozart etc. Das deutsche Volk sei „nicht kriegerischer als das französische; es ist nicht härter als das britische; es ist nicht unbegabter als seine Nachbarn“ (S. 5), es stehe an Herz und Gemüt und Verstand hinter keiner anderen Nation zurück. In diesem Jahrhundert jedoch haben in Deutschland die Kräfte der Dämonie Besitz ergriffen von großen Teilen des deutschen Volkes und sein Ansehen in den Schmutz gezogen. Hunderttausende von Ausländern und Deutschen seien in den KZ gefoltert und ermordet worden; tausende Todesurteile seien auch an Deutschen vollstreckt worden. Dies sei auch der Beweis dafür, dass „das deutsche Volk in seiner Masse die Politik der NS-Führung nicht billigte. Wären sonst von je 1000 Einwohnern drei in die KZ-Läger verbracht worden?“ (S. 6), folgert er.



Bearbeitet von: Charlotte Kitzinger