Jacobs, Artur (1880-1968)

Aus Frühe Texte der Holocaust- und Lagerliteratur 1933 bis 1949
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Name Jacobs, Artur

Geschlecht männlich
Geburtsdatum 30. März 1880
Geburtsort Wuppertal
Sterbedatum 23. Januar 1968
Sterbeort Essen
Tätigkeit Pädagoge, Philosoph, Mathematiker
Externe Referenzen Deutsche Nationalbibliothek Virtual International Authority File Wikidata

Biografie

Dr. Artur Jacobs (geb. 30.03.1880 in Elberfeld, gest. 23.01.1968 in Essen), der aus einfachen Verhältnissen stammte, arbeitete nach seinem Studium der Physik, Mathematik und Philosophie an der Universität Marburg als Gymnasiallehrer in Essen. Er engagierte sich für eine Reform des Schulwesens, fächerübergreifenden Unterricht und eine Neuausrichtung der Lehrer-Schüler-Beziehung. Damit eckte er bei konservativen Eltern und Offiziellen an und er entging einer geplanten Strafversetzung nur durch eine frühzeitige Pensionierung. Daraufhin arbeitete der damals 40-jährige Jacobs an der Essener Volkshochschule als Dozent, wo er moderne Vorstellungen wie die Gleichstellung der Frau und eine Volksbildung, die auch Arbeiter miteinschloss, vertrat. Jacobs war verheiratet mit der Jüdin Dore Marcus, der Tochter des Philosophen Ernst Marcus, die ebenfalls in der Lebensreformbewegung aktiv mitwirkte. 1924 gründete Jacobs in Essen den lebensreformerisch geprägten „Bund. Gemeinschaft für sozialistisches Leben“, der 1946 auch seine Schrift „Grausamkeit als System“ herausgab. Auch politisch setzte er sich zusammen mit anderen Sozialisten für Veränderungen ein.

Jacobs Vorstellungen eines sich frei entfaltenden Lebens und seine ablehnende Haltung gegenüber nationalsozialistischen Überzeugungen führten 1934 zur Schließung der Jacobschen Bundesschule für Körperbildung und rhythmische Erziehung, die Jacobs Ehefrau Dore aufgebaut hatte. Die Nationalsozialisten stellten den Bund, der teilweise gemeinschaftlich in Bundeshäusern zusammenlebte, bereits ab 1933 in ihrer Propaganda als kommunistische Gruppierung dar. Jacobs versteckte sich daher nach der Machtübernahme aus Angst vor Verfolgung zunächst bei Freunden; auch wurden ihm Rentenzahlungen wegen seiner Zugehörigkeit zu der angeblich kommunistischen Organisation aberkannt. Die jüdischen Mitglieder des Bunds gingen mit der Zunahme der Verfolgung in die Illegalität und wurden von den anderen Mitgliedern unterstützt; auch andere Juden und politisch Verfolgte aus dem Ruhrgebiet, die keine Bund-Mitglieder waren, wurden von der Gruppe versorgt. Der Bund und seine Mitglieder hielten Kontakt zu Deportierten, schickten Pakete und Geldsendungen bis in die Gettos und versuchten auch vor Ort Menschen zu helfen. Öffentlich besuchten sie nach der Reichspogromnacht beispielsweise Juden in ihren zerstörten Häusern und halfen ihnen beim Packen und Organisieren des Transports, wenn sie eine Vorladung zur Deportation erhalten hatten. Jacobs bereitete die einzelnen Gruppenmitglieder zudem auf die Verhöre vor und übte diese sogar. Dem Bund half auch, dass sich die Mitglieder nach außen hin unpolitisch gaben und vordergründig die Körperbildung, angeregt von Dore Jacobs, pflegten. Obwohl viele Mitglieder, darunter auch Artur Jacobs selbst, zu Opfern von Denunziationen und Gestapo-Verhören wurden, entgingen sie der Einlieferung in Konzentrationslager. Alle Mitglieder der Gruppe überlebten den Krieg und Artur Jacobs setzte – neben seinem Engagement beim Wiederaufbau der Essener Volkshochschule – bis zu seinem Tod die Arbeit im Bund in zahlreichen Kursen und Treffen fort, wobei die Teilnehmerzahlen nach dem Krieg stetig abnahm und der Einfluss der Gruppe sank. Über Jahrzehnte hinweg wurde der Bund und die Arbeit Artur Jacobs nicht als Widerstand anerkannt und sie gerieten in Vergessenheit.

Quellen:

  • Roseman, Mark: „Gerettete Geschichte. Der Bund, Gemeinschaft für sozialistisches Leben im Dritten Reich“. In: Mittelweg (2007), Nr. 36, S. 100-121.
  • Wedemeyer-Kolwe, Bernd: „Der neue Mensch“. Körperkultur im Kaiserreich und in der Weimarer Republik. Würzburg 2004.
  • Zimmermann, Michael: „Zur Geschichte der Essener Juden im 19. und im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts. Ein Überblick“. In: Alte Synagoge (Hg.): Jüdisches Leben in Essen 1800-1933 (=Studienreihe der Alten Synagoge 1). Essen 1993, S. 7-72, hier besonders S. 40-45.