Körber, Lili (1897-1982)

Aus Frühe Texte der Holocaust- und Lagerliteratur 1933 bis 1949
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Name Körber, Lili

Geschlecht weiblich
Geburtsdatum 25. Februar 1897
Geburtsort Moskau
Sterbedatum 11. Oktober 1982
Sterbeort New York
Tätigkeit Journalistin, Schriftstellerin, Autor
Externe Referenzen Deutsche Nationalbibliothek Virtual International Authority File Deutsche Biographie Wikidata

Biografie

Lili Körber, Pseudonym Agnes Muth (geb. 25.02.1897 in Moskau, gest. 11.10.1982 in New York City), wurde als Tochter einer polnischen Mutter und des österreichischen Exportkaufmanns Ignaz Körber geboren. Die Familie war wohlhabend und konnte sich für die Tochter französische Erzieherinnen leisten. Körber wuchs dreisprachig mit Deutsch, Russisch und Französisch auf. Zu Beginn des Ersten Weltkriegs wurde ihr Vater als Ausländer in Russland verhaftet, im Kriminalgefängnis Butyrki inhaftiert und nach einigen Tagen nach Zarizeno (Wolgograd) deportiert. Man verdächtigte ihn der Spionage. Nach seiner Freilassung musste die Familie 1915 das Land verlassen. Zunächst fuhr sie nach Berlin, die Eltern beschlossen jedoch, nach Zürich zu ziehen, um dort die Rückkehr nach Moskau abzuwarten. Nach der Abdankung des Zaren und der Oktoberrevolution beschloss der Vater in Wien zu leben. Körber blieb noch für ein Jahr in der Schweiz, legte ihr Abitur ab und studierte zwei Semester Literaturgeschichte in Genf, bevor auch sie nach Wien zog und dort ihr Studium fortsetzte. An der sehr konservativen Universität fühlte sie sich jedoch fremd. Sie wechselte nach Frankfurt am Main, wo sie 1923 mit einer Arbeit über die Lyrik Franz Werfels den Doktorgrad erwarb. Anschließend kehrte sie nach Wien zurück. Hier war sie journalistisch für die ‚Arbeiter-Zeitung‘ tätig. 1930 schloss sie sich einer Schriftstellerdelegation an, die vom Staatsverlag in Moskau eingeladen worden war. Körber war angetan von den Visionen und Einstellungen der russischen Arbeiterschaft. Sie fuhr nach Leningrad und ließ sich als Bohrerin in einer Traktorfabrik anstellen. Aus ihren Erlebnissen entstand der Tagebuch-Roman „Eine Frau erlebt den roten Alltag“. Der Roman, der 1932 im Rowohlt-Verlag erschien, wurde ein Erfolg und war schnell ausverkauft. In England wurde er unter dem Titel „Life in a Soviet Factory“ veröffentlicht. Im Januar 1933 besuchte Körber Berlin und schrieb unter dem Eindruck der heraufziehenden Herrschaft der Nationalsozialisten den Roman „Eine Jüdin erlebt das neue Deutschland“. 1935 unternahm sie Reisen nach China und Japan, über die sie in ihren Büchern „Begegnungen im fernen Osten“ und „Sato-san, ein japanischer Held“ (eine Parodie auf den Faschismus) berichtete. Im März 1938 emigrierte Körber nach dem Einmarsch der Nationalsozialisten über die Schweiz nach Frankreich. Hier schrieb sie ihren Roman „Eine Österreicherin erlebt den Anschluss“, ein Tagebuch eines Arbeitermädchens, deren Freund Jude ist. Diesmal benutzte sie das Pseudonym Agnes Muth, um ihre Familie in Österreich nicht zu gefährden. In Paris arbeitete Körber auch für das ‚Pariser Tagblatt‘. Ihr Freund, der Soziologe Eric Grave, eigentlich Eric Goldschmidt, konnte ihr im Juli 1938 illegal nach Paris folgen. Beide bekamen eine zweijährige Aufenthaltsbewilligung für Lyon. Als der Krieg ausbrach wurde Eric Grave interniert, im Sommer 1940 nach der deutschen Invasion jedoch wieder freigelassen. Lili Körber und er heirateten. Über das ‚International Rescue Committee‘ erhielten sie zwei der Visa, die Präsident Roosevelt den Kämpfern gegen den Faschismus bewilligt hatte. Im Juni 1941 trafen sie in New York ein. Der Neubeginn war ausgesprochen schwierig und massive finanzielle Nöte belasteten sie. Körber war zwar dreisprachig aufgewachsen, aber Englisch zählte nicht zu ihren Sprachen. So schlug sie sich anfangs hauptsächlich mit Russischunterricht und Fabrikarbeit durch. Körber nahm eine Stelle in einer Büstenhalterwerkstatt an und trat der ‚International Ladies Garment Workers Union‘ bei. Ihr literarisches Schaffen setzte sie fort. Sie schrieb zahlreiche Artikel, unter anderem für die New Yorker ‚Volkszeitung‘, das Zürcher ‚Volksrecht‘, die ‚Wiener Arbeiter-Zeitung‘ sowie den Pariser ‚Gavroche‘. Sie schrieb den Roman „Ein Amerikaner in Rußland“, in dem sie ihre Erfahrungen mit dem Stalinismus thematisiert. Eine schwere Operation ihres Mannes regte sie dazu an, 1949 eine Ausbildung zur Krankenschwester zu machen. Viele Jahre arbeitete sie dann in diesem Beruf. Auch verarbeitete sie ihre Erfahrungen schriftlich. Ihr autobiografischer Roman „Call me nurse“ blieb jedoch unveröffentlicht. Wenige Jahre vor ihrem Tod entdeckte Viktoria Hertling, eine US-Germanistin, Lili Körbers Werk und machte einige Interviews mit ihr, sodass sie nicht vollends in Vergessenheit geriet und entsprechend ihr Nachlass gesichtet wurde. Allerdings verbrannte Lili Körber kurz vor ihrem Tod ihr Tagebuch.

In einem Nachruf von Franzi Ascher-Nash schreibt diese über ihre Freundin Lili Körber: „[…] sie war bis zum letzten Atemzug ein pikantes ‚Enfant terrible. Ihr Geist war scharf und traf ins Schwarze, zutreffend, vielleicht zu treffend – und so mancher Unbeschwingte war leicht verletzt. […] [H]eute mag ihr Lebenswerk mehr oder minder im Dunkel sein. Es wird auferstehen, wie alles, was gekonnt und echt ist“ (DNB Frankfurt, Exilarchiv, Nachlass L. Körber).

Quellen:

  • „Abschied von meiner Freundin Lili Körber - von Franzi Ascher-Nash“. In: Deutsche Nationalbibliothek, Deutsches Exilarchiv, Nachlass Lili Körber, Signatur EB 2005/029, o.S.
  • Gürtler, Christa und Sigrid Schmid-Bortenschlager: Erfolg und Verfolgung. Österreichische Schriftstellerinnen 1918-1945, S. 247-255.
  • Lemke, Ute: Lili Körber: Von Moskau nach Wien. Eine österreichische Autorin in den Wirren der Zeit (1915-1938), Siegen 1999.
  • „Lili Körbers Biographie“. In: Deutsche Nationalbibliothek, Deutsches Exilarchiv, Nachlass Lili Körber, Signatur EB 2005/029, o.S.
  • „Meine Biografie / Lili Körber“. In: Deutsche Nationalbibliothek, Deutsches Exilarchiv, Nachlass Lili Körber, Signatur EB 2005/029, o.S.
  • Seo, Yun Jung: Frauendarstellungen bei Adrienne Thomas und Lili Körber. Marburg 2002, S. 129-134.
  • Wolf, Herta: „Lili Körber – Eine Emigration in die Vergessenheit“. In: Holzner, Johann/Scheichl, Sigurd Paul und Wolfgang Wiesmüller (Hg.): Eine schwierige Heimkehr. Österreichische Literatur im Exil 1938-1945. Innsbruck 1991, S. 285-298.