KZ. Mauthausen (1946)

Aus Frühe Texte der Holocaust- und Lagerliteratur 1933 bis 1949
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Angaben zum Werk

Titel KZ Mauthausen
Autor Wiesenthal, Simon (1908-2005)
Genre Autobiografischer Bericht

Ausgaben des Werks

Ausgabe von 1946, Linz,Wien
Titel KZ. Mauthausen

Erscheinungsort Linz,Wien
Erscheinungsjahr 1946
Auflage 1

Verlegt von Ibis Verlag
Gedruckt von Ober-Österreichischer Landesverlag Linz
Publiziert von Wiesenthal, Simon (1908-2005)
Umschlaggestaltung von Wiesenthal, Simon (1908-2005)

Umfang 113 Seiten
Abbildungen 27 Abbildungen: 1 Foto, 1 Facsimilé, 25 Zeichnungen (s/w)
Lizenz Genehmigung Nr. 160 der I.S.B.

Bibliotheksnachweise UBGI-icon.gif UB Gießen (Print-dnb-icon.gif gedruckte Ausgabe)
DNB-icon.gif Deutsche Nationalbibliothek (Print-dnb-icon.gif gedruckte Ausgabe)


Zusammenfassung

Der später als „Nazi-Jäger“ bekannt gewordene Simon Wiesenthal verarbeitet in seinem Buch seine Leidenszeit im Konzentrationslager Mauthausen. Er druckt auf der einen Seite eigene Zeichnungen zu zentralen Ereignissen und Orten des Lagers ab, versieht diese auf der anderen Seite mit kurzen Begleittexten und entfaltet so ein facettenreiches Panorama des Lagerlebens.

Wiesenthal greift einzelne Ereignisse und Beobachtungen heraus (z.B. Arbeitskommando, Selektion, Appell etc.), die er in wenigen Worten mal sachlich oder lakonisch, mal sarkastisch kommentiert. So heißt es beispielsweise über die SS-Männer: „Alle gleich, wie aus einem Stoff geschnitten. Im Vernichtungswillen wie ein Block einig … aber phantasievoll verschieden im Sadismus der Ausführung“ (o.S.). Neben die Texte stellt er Zeichnungen und Collagen, die das Beschriebene nicht möglichst realitätsgetreu abbilden, sondern es vielmehr mit einer ausdrucksstarken Bildsprache und Symbolik versinnbildlichen sollen. Einem durchaus dokumentarischen Text über das Schicksal der Häftlinge aus einem Transport vom Konzentrationslager Groß Rosen nach Mauthausen zum Beispiel stellt er eine Zeichnung an die Seite, auf der Züge voll mit Menschen auf ein am Horizont erkennbares Lager zufahren; ein Totenkopfschädel mit SS-Mütze, in dessen Rachen sie geradewegs hineinfahren, bildet das Lagertor.

Dieser Wechsel zwischen dem Bemühen um sachliche, in aller Kürze faktengesättigte und beglaubigte Dokumentation einerseits und dem Willen, das Leid der Häftlinge und die Grausamkeit der SS-Männer durch Sarkasmus und beißende Ironie auszudrücken andererseits, ist charakteristisch für das Buch. Dabei bedient sich Wiesenthal einer sehr deutlichen Bildsprache, mit deren Hilfe er die Gleichgültigkeit der Welt erschüttern möchte. Zu Beginn erklärt Wiesenthal: „Dieses Heft ist keine Geschichte eines Lagers, auch nicht der Versuch einer Analyse des Regimes. Es ist nur ein Ausdruck des Weh’s, des elementaren Leidens eines KZ.-Insassen. Die Geschichte des Lagers ist mit dem Blute unserer Herzen und die Todesstatistik mit den Rauchwolken des Krematoriums geschrieben, ihre Sprache sind die Seufzer der Vergasten“ (o.S.). Jedoch enthält das Buch auch eine Reihe dokumentarischer Elemente und authentisierender Signale, die den Wahrheitsgehalt des in Wort und Bild Dargestellten verbürgen sollen: Dem eigentlichen Text-Bild-Teil Wiesenthals ist die Abbildung eines Lagermodells sowie ein später auch eigenständig veröffentlichtes Vernehmungsprotokoll des ehemaligen Kommandanten von Mauthausen, Franz Ziereis, vorangestellt. Überdies nennt Wiesenthal mehrfach seine Häftlingsnummer: auf dem Umschlag, auf dem Titelblatt und auf weiteren Zeichnungen. Neben Dokumentation und Expression des Leids zieht sich eine anklagende Geste wie ein roter Faden durch das Buch – diese richtet sich gleichermaßen gegen die SS-Verbrecher wie die Gleichgültigkeit und Tatenlosigkeit der Welt. Gleichsam als Widmung oder Motto dem gesamten Buch vorangestellt, heißt es: „O Herr, vergib ihnen NICHT; weil sie WUSSTEN, was sie tun!“ (o.S., Hervorhebung im Original) Ferner ist vor dem Hauptteil die Zeichnung eines ausgemergelten Häftlings abgedruckt, der den Betrachter anschaut und auf diesen zeigt. Quer über seine Brust steht geschrieben „j’accuse!“ (Ich klage an). Die Häftlingsnummer auf der Brust weist die Zeichnung als Selbstporträt Wiesenthals aus. Schließlich endet der Band mit einer Abbildung, in der eine gewundene Häftlingsgestalt über der Erdkugel ein Fragezeichen bildet. Unterschrieben ist sie mit den Worten: „Welt gib Antwort! Vielleicht bist du auch mitschuldig?“ (o.S.)


Biografie

Simon Wiesenthal (geb. 31.12.1908 in Buczacz, gest. 20.09.2005 in Wien) wuchs in Buczacz als Sohn eines Großhändlers auf und studierte nach seinem Abitur von 1928 bis 1932 Architektur in Prag. Wiesenthal arbeitete als Architekt in Lemberg, bis er unter sowjetischer Besatzung sein Büro schließen musste. Kurz nach dem deutschen Einmarsch im Juni 1941 wurde Wiesenthal verhaftet und entging nur knapp einer Erschießung. Bis zum Kriegsende war er in mehreren Konzentrationslagern inhaftiert, unter anderem in Groß-Rosen, Buchenwald und Plaszow. Befreit wurde er Anfang Mai 1945 im Konzentrationslager Mauthausen. Nach dem Krieg widmete Wiesenthal sein Leben der Verfolgung und Bestrafung der NS-Täter. Hierfür gründete er 1947 die Jüdische Historische Dokumentation in Linz, ein Büro, das dem Sammeln und Auswerten von Zeugenberichten über die NS-Verbrechen diente. 1954 schloss er das Büro und richtete 1961 in Wien das Jüdische Dokumentationszentrum ein, das den gleichen Zwecken diente. Finanziert durch Spenden und aus eigenen Mitteln spürte Wiesenthal NS-Verbrechern auf der ganzen Welt nach und suchte dafür immer wieder die Öffentlichkeit, unter anderem engagierte er sich stark in der Suche nach Adolf Eichmann. Zahlreiche Täter konnte er ausfindig machen und der Justiz übergeben, darunter Franz Stangl, den ehemaligen Kommandanten des Vernichtungslagers Treblinka, der in Düsseldorf vor Gericht gestellt wurde. Wiesenthals Rolle bei der Ergreifung mancher Täter ist umstritten, mitunter werden ihm Übertreibungen seiner Erfolge, von manchen gar seiner eigenen Verfolgungsgeschichte vorgeworfen. Für sein Engagement wurde Wiesenthal mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Er hat zahlreiche Bücher veröffentlicht, teils über seine eigene Geschichte, teils über seine Arbeit als Nazi-Jäger, aber auch Romane über den Holocaust. Bereits 1946 publizierte er den Band „KZ Mauthausen", in dem er in Zeichnungen und Montagen Aspekte aus der Lagerrealität darstellt. Später folgten Bücher über seine Suche nach Adolf Eichmann („Ich jagte Eichmann“, 1961), Romane und Erzählungen wie „Die Sonnenblume“ 1970) und 1988 schließlich seine Erinnerungen „Recht, nicht Rache“, die 1989 mit Ben Kingsley in der Hauptrolle verfilmt wurden.

Quelle:

  • Segev, Tom: Simon Wiesenthal. Die Biographie. München 2010.


Werkgeschichte

Das Buch wurde in Teilen 1995 unter dem Titel „Denn sie wußten, was sie tun. Zeichnungen und Aufzeichnungen aus dem KZ Mauthausen“ in Wien im Deuticke Verlag neu aufgelegt.



Bearbeitet von: Markus Roth