Lichter im Dunkel (1947)

Aus Frühe Texte der Holocaust- und Lagerliteratur 1933 bis 1949
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Angaben zum Werk

Titel Lichter im Dunkel
Autor Krakauer, Max (1888-1965)
Genre Erinnerungsbericht

Ausgaben des Werks

Ausgabe von 1947, Stuttgart
Titel Lichter im Dunkel

Erscheinungsort Stuttgart
Erscheinungsjahr 1947
Auflage 1

Verlegt von Behrendt-Verlag
Gedruckt von Karl Weinbrenner & Söhne
Publiziert von Krakauer, Max (1888-1965)

Umfang 131 Seiten

Lizenz US-W1102 der Publications Control

Bibliotheksnachweise DNB-icon.gif Deutsche Nationalbibliothek (Print-dnb-icon.gif gedruckte Ausgabe)


Zusammenfassung

Der Erinnerungsbericht „Lichter im Dunkel“ setzt am 30. Januar 1933 ein und erzählt die Geschichte des Leipziger Ehepaars Krakauer, das ab Januar 1943 bis zur Befreiung durch die amerikanischen Streitkräfte im April 1945 zunächst in Berlin, später in Brandenburg und Pommern sowie in Württemberg in immer wechselnden Verstecken – vor allem in Häusern der sogenannten Württembergischen Pfarrhausketten – Unterschlupf findet. Krakauer, der aus der Ich-Perspektive berichtet, will sachlich über sein Schicksal und das seiner Frau sprechen „um damit einen Blick freizugeben in Regionen und Lebensbezirke inmitten des Dritten Reiches, in die bisher nur selten ein Scheinwerfer des Weltinteresses drang“ (S. 10).

Ab 1933 fürchtet Krakauer, der seit seiner Rückkehr aus dem Ersten Weltkrieg verantwortlicher Leiter einer Filmverleihfirma in Leipzig ist, um seine Existenz. Als Jude wird er nicht in die Reichsfilmkammer aufgenommen und kann bald nicht mehr im Filmwesen tätig sein. Der Lebensstandard der Familie sinkt erheblich: „Dann setzte die offizielle staatliche Ausraubung der Juden ein, die mir schließlich nur noch die leihweise Benutzung meines letzten beweglichen Eigentums ließ“ (S. 13). Er will nur noch heraus aus „diesem Hexenkessel, fort aus diesem Land, das uns so offensichtlich zu vernichten trachtete“ (ebd.). Palästina, die USA und Australien sind seine anvisierten Ziele, aber alle Vorhaben zu emigrieren scheitern. Im November 1938 muss er vor der Verhaftungswelle während der Reichspogromnacht nach Berlin flüchten; seine Frau folgt ihm bald. Der gemeinsamen Tochter gelingt 1939 die Ausreise nach England.

Krakauer und seine Frau werden zur Zwangsarbeit in verschiedenen Betrieben herangezogen, bis sie am 29. Januar 1943 nur durch Glück einer Verhaftung entgehen. Nun beginnt die Schilderung, die der „eigentlich[e] Anlaß dieser Aufzeichnungen“ (S. 21) ist. Krakauer will damit zeigen, dass es in Deutschland jener Jahre „noch eine ganze Anzahl von einzelnen Menschen, von Familien und Institutionen gab, die unter Einsatz ihres eigenen Lebens und der Existenz ihrer Angehörigen, zum Teil unter Entbehrungen und Strapazen die Fürsorge für zwei von der Gestapo verfolgte und gehetzte Menschen auf sich nahmen“ (S. 21).

Das Ehepaar taucht unter und ist von nun an unter dem Namen ihres Freundes Ackermann mit gefälschten Papieren auf der Flucht. Sie kommen in Berlin für jeweils wenige Tage bei Freunden, Bekannten und gänzlich Fremden unter. In ständiger Angst vor Entdeckung und davor die vielen freiwilligen Helfer zu gefährden, sind sie bald am Ende ihrer körperlichen und seelischen Kräfte. Da sich in Berlin keine Menschen mehr finden, die bereit sind, das Ehepaar zu beherbergen, gibt ihnen Ackermann den Rat, nach Pommern zu reisen, wo Mitglieder der bekennenden Kirche Untergetauchten kurzfristig Unterschlupf gewähren. Auch hier können sie jeweils nur für wenige Tage – meist in Pfarrhäusern – unterkommen. Zeitweise muss sich das Ehepaar auch trennen und an unterschiedlichen Orten verstecken. Schon bald gibt es jedoch auch in Pommern keine Quartiere mehr für sie und das Ehepaar kehrt zurück nach Berlin. Abermals werden sie von Unterkunft zu Unterkunft gereicht, die Koffer bleiben auf dem Stettiner Bahnhof: „Jeder zu wechselnde Kragen, jedes Taschentuch, jedes Stück Wäsche mußte dort geholt, die gewechselten Stücke am nächsten Tage wieder hingebracht werden“ (S. 54f.).

Im August 1943 reist das Ehepaar nach Stuttgart. Nur der Gedanke an ihr Kind in England und die Hoffnung, das „Ende des Satans zu erleben, der über Deutschland herrschte“ (S. 61) lässt das Paar die Strapazen weiter ertragen. In Stuttgart werden sie erneut äußerst hilfsbereit aufgenommen: „Abermals diese frappierende Selbstverständlichkeit des Helfens, kein erstauntes Fragen nach dem Warum und Wieso, kein bedenkliches Wenn und Aber, sondern ein schlichtes, liebevolles Reichen der Hand, als ob es sich um etwas handele, was zum täglichen Geschehen gehört“ (S. 65). Auch hier kommen sie meistens in Pfarrhäusern unter, seine Frau ist jedoch immer wieder kurz vor einem Nervenzusammenbruch. Oft müssen sie die Wege zu einem neuen Versteck zu Fuß zurücklegen, was dem erschöpften und kranken Paar sehr zusetzt.

Bald wird es auch im süddeutschen Raum zunehmend komplizierter, eine Unterkunft zu finden; die immer häufigeren Bombenangriffe erschweren dies zusätzlich. Zu Jahresbeginn 1945 zeichnet sich jedoch das „Ende des Systems“ (S. 122) immer mehr ab und weckt Hoffnungen bei Krakauer und seiner Frau. Am 21. April erreicht die amerikanische Armee Waiblingen, wo sich das Paar aufhält. Zwei Tage später werden sie einem scharfen Verhör der Besatzer unterzogen, da man annimmt, „daß wir uns mit diesem Märchen tarnen wollten“ (S. 130). Langsam weicht jedoch das Misstrauen und die Besatzer besorgen ihnen ein eigenes Heim.

Der Bericht endet mit dem Dank an Gott für seine Hilfe, „ohne die wir verloren gewesen wären“ (S. 131), und an die „vielen Menschen, die um unsretwillen Freiheit und Leben aufs Spiel setzten, unsretwegen, die sie vorher nie gesehen noch gekannt“ (ebd.) hatten.

Biografie

Max Krakauer (geb. 19.12.1888, gest. 06.03.1965) stammte aus Hindenburg in Oberschlesien und lebte mit Ehefrau Karoline, genannt Ines, in Leipzig. Nach dem Ersten Weltkrieg, an dem er als Soldat teilnahm, leitete er eine Filmverleihfirma, die unter anderem 1932 die Rechte an Charlie Chaplins Film „Lichter der Großstadt“ erwarb. Als Jude traf ihn das Gewerbeverbot durch die Nationalsozialisten und er zog mit seiner Frau im Mai 1939 nach Berlin, von wo sie versuchten, ins Ausland zu emigrieren. Diese Bemühungen scheiterten jedoch. Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges musste das Ehepaar Zwangsarbeit leisten. Sie wohnten bei Ines Krakauers Schwester Else Isaac, die am Kurfürstendamm eine Pension betrieb, bis sie Ende Januar 1943 festgenommen und nach Auschwitz deportiert wurde. Nur durch die Warnung einer Nachbarin entgingen Max und Ines Krakauer demselben Schicksal.

Durch einen Bekannten kamen sie mit evangelischen Pfarrersfamilien in Kontakt, die der Bekennenden Kirche angehörten oder ihr nahe standen. Diese beherbergten das Ehepaar ab Januar 1943, dem Beginn der Massendeportationen von Juden aus Berlin. Fortan lebten Max und Ines Krakauer im Untergrund, zunächst von März bis Juli 1943 in Berlin, Brandenburg und Pommern, ab August 1943 dann in Württemberg in Häusern der Württembergischen Pfarrhauskette. Die Befreiung durch die amerikanischen Streitkräfte am 21. April 1945 erlebten sie in Stetten im Remstal. Insgesamt waren sie unter dem Decknamen Ackermann in 66 verschiedenen Verstecken untergebracht.

Seine Erinnerungen über diese Zeit veröffentlichte Max Krakauer 1947. Ein Jahr nach Kriegsende konnte er in Stuttgart in seinen alten Beruf zurückkehren. Ende 1947 erhielt er von der amerikanischen Militärregierung eine Lizenz für den gewerbsmäßigen Verleih von Filmen, die Firma musste jedoch Konkurs anmelden.

Im Johann-Ludwig-Fricker-Haus in Dettingen an der Erms wird an das Ehepaar Krakauer erinnert, ebenso am Pfarrhaus neben der Stiftskirche durch eine im Jahr 2009 angebrachte Gedenktafel, die das Ehepaar und das sie verbergende Pfarrerehepaar Adolf und Elisabeth Rittmann ehrt. An dem Haus in Stetten, in dem sie ab dem 10. April 1945 versteckt waren und die Befreiung erlebten, erinnert ebenfalls eine Hinweistafel an das Ehepaar und seine Helferin Hildegard Spieth. Elf der Helfer wurden inzwischen als ‚Gerechte unter den Völkern‘ ausgezeichnet.

Quellen:

  • Krakauer, Max: Lichter im Dunkel. Flucht und Rettung eines jüdischen Ehepaares im Dritten Reich. Stuttgart 1947.
  • „Max Krakauer“. In: Gedenkstätte Stille Helden. Online: http://www.gedenkstaette-stille-helden.de/biografien/bio/krakauer-max/ (Stand: 16.09.2019).
  • Peitsch, Helmut: Deutschlands Gedächtnis an seine dunkelste Zeit. Zur Funktion der Autobiographik in den Westzonen Deutschlands und den Westsektoren von Berlin 1945 bis 1949. Berlin: Edition Sigmar Bohn 1990, S. 462.




Bearbeitet von: Charlotte Kitzinger