Litten, Irmgard (1879-1953)

Aus Frühe Texte der Holocaust- und Lagerliteratur 1933 bis 1949
Wechseln zu: Navigation, Suche
Die Karte wird geladen …
Name Litten, Irmgard

Geschlecht weiblich
Geburtsdatum 30. August 1879
Geburtsort Halle
Sterbedatum 30. Juni 1953
Sterbeort Berlin
Tätigkeit Schriftstellerin
Externe Referenzen Deutsche Nationalbibliothek Virtual International Authority File Deutsche Biographie Wikidata

Biografie

Irmgard Litten (geb. 30.08.1879 in Halle/Saale, gest. 30.06.1953 in Ost-Berlin) wurde unter dem Namen Irmgard Wüst als Tochter einer schwäbischen Gelehrtenfamilie geboren. Die Familie brachte einige evangelischen Pastoren und Universitätsprofessoren hervor, auch ihr Vater Albert Wüst war an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Professor für landwirtschaftliche Maschinenkunde und Meliorationswesen. In Halle besuchte sie trotz der strengen Restriktionen für Frauen Vorlesungen an der Universität. Hier lernte sie 1898 auch den sechs Jahre älteren Fritz Litten kennen, den sie im September 1900 heiratete, nachdem er sein Assessor Examen als Jurist abgelegt hatte. Nach Hans wurden 1905 und 1909 noch die Söhne Heinz und Rainer geboren. Fritz Litten, der aus einer assimilierten und konvertierten jüdischen Familie stammte, wurde Professor an der juristischen Fakultät der Universität Königsberg, später Dekan und schließlich sogar Rektor der Universität. Er war konservativ-nationalistisch gesinnt und war stolz auf seine vier Jahre Fronteinsatz im Ersten Weltkrieg, für den er mit dem Eisernen Kreuz Erster und Zweiter Klasse ausgezeichnet wurde. Irmgard Littens ältester Sohn Hans war von 1928 bis 1933 in Berlin als linker Strafverteidiger bekannt. 1931 führte er in einer Zeugenvernehmung Adolf Hitler als Führer der NSDAP vor. Nach dem Reichstagsbrand am 28. Februar 1933 wurde Hans Litten verhaftet und fünf Jahre lang in Sonnenburg, Esterwegen, Lichtenburg, Buchenwald und Dachau gefoltert und schikaniert. Irmgard Litten bemühte sich sehr um die Freilassung ihres Sohnes, während ihr Mann bis 1934 in die Tschechoslowakei floh. Weil der Familie jedoch seine Pension nicht ausgezahlt wurde, solange er im Ausland war, kehrte er schließlich zurück. Auch nach seiner Rückkehr lebte das Ehepaar fortan getrennt. Zehn Tage nach dem Selbstmord von Hans Litten am 5. Februar 1938 im KZ Dachau emigrierte sie mit Heinz über die Schweiz und Paris nach Großbritannien. Dort schrieb sie ihren Bericht „Die Hölle sieht Dich an“ über das Schicksal ihres Sohnes und die Zustände in den deutschen Konzentrationslagern. Fritz Litten blieb zunächst in Deutschland, bis er schließlich nach Nordirland floh, wo er 1940 starb. Das Verhältnis zwischen den Ehepartnern scheint in den letzten Jahren angespannt gewesen zu sein.

Ihren Lebensunterhalt verdiente Irmgard Litten hauptsächlich als Mitarbeiterin des Ministry of Information und als Sprecherin der British Broadcasting Corporation (BBC). Regelmäßig sprach sie in einer Serie „For the German Woman“ („Für die deutsche Frau“). Sie wurde außerdem Mitglied im P.E.N. Club in London, ebenso im „Initiativausschuss für die Einheit der deutschen Emigration“ und der „Freien Deutschen Bewegung“ (FDB) im Sommer 1943. Sie trat jedoch Anfang 1944 aus Protest gegen die Deutschlandpolitik der KPD wieder aus. Zum Ende des Krieges kümmerte sie sich vor allem um Kriegsgefangene. 1945 erschien ihre Broschüre „‚All the Germans’ – are they really guilty?“ im Verlag Victor Gollancz. Darin sprach sie sich gegen die These der Kollektivschuld aus und setzte sich für einen antifaschistischen Neuaufbau von Deutschland ein. 1950 kehrte sie nach Deutschland zurück. Sie lebte zunächst in Bayern. Viele Deutsche nahmen ihr jedoch das Exil übel und behandelten sie wie eine Verräterin. Zudem wurde ihr die Pension ihres verstorbenen Mannes verweigert. Enttäuscht und frustriert zog sie nach Ostberlin, wo sie als „Opfer des Faschismus“ anerkannt wurde und auch eine Pension erhielt. Hier lebte sie bis zu ihrem Tod. Auch Heinz Litten kehrte aus Großbritannien nach Ostberlin zurück, wo er schließlich eine Theaterschule leitete. An schweren Depressionen leidend nahm er sich jedoch 1953 das Leben. Rainer Litten, der Deutschland bereits 1934 verlassen hatte, kehrte nicht nach Deutschland zurück. Nach einigen anderen Stationen lebte er sein Leben schließlich in der Schweiz.

Quellen:

  • Hett, Benjamin Carter. Crossing Hitler. The Man Who Put the Nazis on the Witness Stand. Oxford 2008.
  • Homepage zu Hans Litten. Online: https://www.hans-litten.de (Stand: 19.09.2019).