Philipp, Berthie (1881-1960)

Aus Frühe Texte der Holocaust- und Lagerliteratur 1933 bis 1949
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Name Philipp, Berthie

Geschlecht weiblich
Geburtsdatum 12. Dezember 1881
Geburtsort Hamburg
Sterbedatum 15. Oktober 1960
Sterbeort Hamburg
Tätigkeit Autorin

Biografie

Berthie Philipp, geb. Sophar, (geb. 12.12.1881 in Hamburg, gest. 15.10.1960 in Hamburg) wurde als eines von mehreren Geschwistern in eine bürgerliche Familie geboren. Der Vater galt laut der späteren Nürnberger Rassegesetze als ‚Volljude‘, die Mutter war nicht jüdisch. Am 20. August 1914 heiratete Philipp den 23 Jahre älteren angesehenen Komponisten, Musikpädagogen und -kritiker Rudolf Philipp. Er hatte in Wien und in Frankfurt am Hoch‘schen Konservatorium studiert. Welches Ansehen er in Hamburg genoss, zeigt sich unter anderem daran, dass der Hamburger Senat am 13. November 1928 ein Festkonzert aus Anlass seines 70. Geburtstages veranstaltete. Auch im November 1958 zum hundertsten Geburtstag des inzwischen verstorbenen Philipp schickte die Kulturbehörde Hamburg einen Brief an Berthie Philipp, in dem es heißt: „Es ist hier durchaus nicht vergessen, mit welcher Hingabe und welch’ fruchtbaren Einfluß Rudolf Philipp durch lange Jahrzehnte im musikalischen Leben Hamburgs gewirkt hat“ (Staatsarchiv Hamburg, Sig. 131-1 II_10625 (02), o.Bl.). Auch Berthie Philipp, die sich nach dem Krieg auf ihrem Briefkopf als ‚Schriftstellerin‘ auswies, wirkte dank seiner Unterstützung im Rundfunk als literarische Mitarbeiterin. Außerdem verfasste sie eigene literarische Arbeiten, vor allem wohl Märchenstücke für das Theater. In den zwanziger Jahren scheint sie einige Märchenspiele für Hans Bodenstedts „Funkheinzelmann“, geschrieben zu haben.

Nach dem Tod ihres Mannes im März 1936 reiste Philipp zunächst in die USA, um dort ihre Schwester zu besuchen. Da ihr offenbar die Auswirkungen der Nürnberger Gesetze noch nicht klar waren, kehrte sie aus den USA nach Deutschland zurück. Ab 1937 bewohnte sie eine 5 1/2 Zimmer Wohnung in Hamburg Saling in der sie zwei Zimmer zeitweise untervermietete. Diese Wohnung musste sie jedoch im Juni 1942 innerhalb kürzester Zeit räumen. Den „grössten und besten Teil der Möbel“ (Staatsarchiv Hamburg, Sig. 213-13_7785-19, o.Bl.), so Philipp im November 1951 vor der Wiedergutmachungskammer Hamburg, habe sie an private Ankäufer verkauft. Der Rest wurde vom Aktionhaus Elsaß versteigert. Am 13. Juli 1942 wurde ihr gesamtes Vermögen per Erlass des Reichsstatthalters in Hamburg eingezogen. Philipp zog in das sogenannte Judenhaus in der Bundesstraße 43, bis sie im Alter von 61 Jahren am 15. Juli 1942 mit dem ersten Transport Hamburger Juden nach Theresienstadt deportiert wurde. Nach den Nürnberger Rassegesetzen galt sie als Tochter eines jüdischen Vaters und einer ‚arischen‘ Mutter sowie als Ehefrau eines ‚Volljuden‘ als ‚Mischling ersten Grades‘. Sie erreichte Theresienstadt am 16. Juli 1942 und wurde dort als deutsche Jüdin geführt. Über ihre Zeit in Theresienstadt, wo sie 1945 befreit wurde, ist nichts bekannt. Nach Kriegsende gelangte Philipp von Theresienstadt nach eigenen Angaben über Umwege nach Hamburg. Durch die russische Zone reiste sie nach Berlin und von dort mit einem Flüchtlingszug in die Britische Zone. Sie erreichte Hamburg am 22. November 1945.

Aus Theresienstadt kehrte Philipp schwer krank zurück. Neben einer Wirbelverschiebung, schwerer Arthrose und fortschreitender Arteriosklerose, an der vor allem in den späteren Jahren auch das Gehirn beteiligt war, litt sie an einer Verengung des Magenausgangs, einer Zwerchfellhernie sowie einer latenten Herzschwäche. Ihr Heim war ihr weggenommen worden, weshalb sie in einer kleinen Kammer Unterschlupf gefunden zu haben scheint, wo sie ihren Theresienstadt-Roman niederschrieb. Sie bemühte sich außerdem, mit literarischen Beiträgen den Anschluss an Hamburgs Kulturleben zu finden. Berthie Philipp wollte in den ersten Nachkriegsjahren auch einen Beitrag zum Aufbau einer neuen und demokratischen Gesellschaft leisten und schrieb Beiträge für Hamburger Zeitungen.

Etwa ab 1950 begann dann ihr Kampf um Wiedergutmachung und Entschädigung. Vor der Wiedergutmachungskammer Hamburg wurde in jeweils abgetrennten Verfahren über Entschädigungszahlungen für die Wohnungseinrichtung und einen Radioapparat, die Vernichtung von ungedruckten und gedruckten Manuskripten von Rudolf und Berthie Philipp, den Verlust von drei Koffern mit Kleidung und persönlichen Gegenständen in Theresienstadt sowie eines Sparkassenguthabens verhandelt. Der verhandelte Gesamtwert belief sich auf 54.300 DM. Außerdem erkämpfte Philipp Haftentschädigung für die Zeit in Theresienstadt vom 15. Juli 1942 bis 5. Mai 1945; das Urteil wurde am 6. Juni 1950 rechtskräftig. Besonders hart traf Berthie Philipp der Verlust der musikalischen Kompositionen ihres Mannes und ihrer eigenen literarischen Arbeiten. Diese hatte sie vor der Deportation nach Theresienstadt, wie sie dem Wiedergutmachungsgericht erklärte, in einem Safe in der Hamburger Sparkasse deponiert und den Schlüssel ihrer Schwester übergeben. Nach ihrer Rückkehr habe ihr die Schwester unter Tränen gestanden, dass sämtliche Manuskripte von der Gestapo verbrannt worden seien. Unter diesen Dokumenten sei unter anderem ein Romanmanuskript mit dem Titel „Es fiel ein Reif in der Frühlingsnacht“ sowie drei bis vier Theaterstücke gewesen. Ein Teil der Wiedergutmachungsverfahren wurden mit einem Vergleich beendet, in anderen Fällen entschied das Urteil des Gerichts. Philipp verfügte testamentarisch im April 1960, dass ein Großteil ihres Geldes – 50.000 DM –in eine Stiftung investiert werden sollte, die den Zweck hatte, ein Wohnhaus für mittellose Künstler, vor allem Musiker, zu bauen und zu unterhalten. Nach Erbstreitigkeiten konnte die Stiftung im April 1962 gegründet werden. Heute unterhält die Stiftung vier Dauerwohnrechte für notleidende Künstler in Hamburg.

Quellen:

  • Philipp, Berthie. Die Todgeweihten. Hamburg 1949.
  • Schielzeth, Walther (Hg.): Zwei verdiente Hamburger. Berthie und Rudolf Philipp. Hamburg 1964.
  • „Dokumente zu Berthie Philipp“. In: Staatsarchiv Hamburg, Signatur 131-1 II_10625; Signatur 213-13_81 0155_53; Signatur 213-12_81 0 185_56; Signatur 213-13_7784; Signatur 213-13_7785; Signatur 213-13_7786; Signatur 213-13_7786; Signatur 213-13_7787; Ebd. Signatur 314-15_Abl. 1998 J 6_689; Signatur 213-13_Z 23318; Signatur 214-1_559.