Poiesz, P. Wilhelm (S.A.C.) (1904-1992)

Aus Frühe Texte der Holocaust- und Lagerliteratur 1933 bis 1949
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Name Poiesz, P. Wilhelm
Namensvarianten Poiess, P. Wilhelm; Poieß, P. Wilhelm
Geschlecht männlich
Geburtsdatum 12. Januar 1904
Geburtsort Herne
Sterbedatum 3. November 1992
Sterbeort Limburg an der Lahn
Tätigkeit Priester, Hochschullehrer

Biografie

Wilhelm Poiesz (geb. 12.01.1904 in Herne in Westfalen, gest. 03.11.1992 in Limburg an der Lahn) wuchs als eines von sieben Geschwistern in einer katholisch geprägten Arbeiterfamilie im Ruhrgebiet auf. Das Rüstzeug für seine kirchliche Laufbahn erwarb er während seiner humanistischen Studien im Studienheim der Pallottiner in Ehrenbreitstein, die er am 9. April 1918 begann. Nach seinem Abitur im Jahr 1925 am Gymnasium in Freising trat er in die Gesellschaft vom Katholischen Apostolat Vinzenz Pallottis (lat. Societas Apostolatus Catholici, Ordenskürzel S.A.C) ein; seine Einkleidung erfolgte am 1. Mai 1925. Poiesz bestritt sein Noviziat in Hofstetten und legte nach dessen Verlegung nach Olpe am 25. April 1927 dort seine erste Profess ab. Sein Studium der Theologie und Philosophie absolvierte er an der Hochschule der Pallottiner in Limburg an der Lahn. Die Priesterweihe empfing er am 12. Juli 1931 im Limburger Dom durch Bischof Dr. Antonius Hilfrich. Anschließend nahm er für zwei Semester ein Studium der Germanistik und klassischen Philologie an der Universität Münster/Westfalen auf, das er später in Fribourg fortsetzte. Während seiner Zeit in der Schweiz war er von 1932 bis 1934 als Spiritual aktiv. Ab Ostern 1934 wirkte er als Jugenderzieher und Lehrer im Studienheim der Pallottiner, ein Jungeninternat in Schönstatt bei Vallendar am Rhein. Als dieses 1938 vom nationalsozialistischen Regime zwangsgeschlossen wurde, trat er eine Stelle an der Philosophisch-Theologischen Hochschule der Pallottiner in Limburg an, wo er von 1939 bis 1941 Homiletik (Predigtlehre) unterrichtete. In dieser Zeit war er zudem als Prediger im Dom sowie als diözesaner Jugendseelsorger im Dekanat Dietkirchen tätig. Von Juni 1941 bis Ende 1942 bekleidete er das Amt des Kaplans in der St. Antonius Pfarrei in Eschhofen.

Wegen angeblicher staatsfeindlicher Äußerungen wurde der damals 38-jährige Pfarrkurat am 22. Dezember 1942 nach einer Haussuchung des Pfarrhauses in Eschhofen von der Gestapo verhaftet und ohne Gerichtsverfahren oder Verurteilung sofort im Polizeigefängnis Klapperfeld in Frankfurt am Main festgesetzt. Seine dortige, rund vierzehnmonatige Haftstrafe wurde durch einen ersten Aufenthalt im Gerichtsgefängnis in der Hammelsgasse (Frankfurt am Main) vom 5. März 1943 bis Herbst 1943 unterbrochen. Am Morgen des 21. Januar 1944 wurde er dann zum zweiten Mal von Klapperfeld in die Untersuchungshaftanstalt Hammelsgasse überführt und blieb dort bis zur seiner Verlegung in das KZ Dachau wegen angeblicher Verbreitung von „Feindnachrichten“ am 11. Mai 1944 (ITS/DocID: 90423071). Während der achtzehn Monate, die er insgesamt in beiden Gefängnissen verbrachte, verlor er beide Eltern (Josef und Julie) und seinen Onkel. Auch sein jüngster Bruder Werner, der sich nach Wilhelms Vorbild ebenfalls den Pallottinern angeschlossen hatte, erlag seinen schweren Kriegsverletzungen.

Nach einem zweitägigen Transport von Frankfurt über Nürnberg traf er am 13. Mai 1944 im Konzentrationslager Dachau ein und erhielt die Sträflingsnummer 67959. In den Akten der KZ-Gedenkstätte Dachau ist er mit dem Vermerk „Sch DR.“ für „Schutzhäftling“ geführt. Nach einer einmonatigen Quarantäne in Zugangsblock 15 wurde er in den Priesterblock 26 eingewiesen, in dem zunächst nur deutsche Priester und Pfarrer, später aber Geistliche aus verschiedenen Nationen inhaftiert waren. Nach eigener Aussage wurde er einem Sonderarbeitskommando, das in der an das Häftlingslager grenzenden Gärtnerei tätig war, und anschließend dem „Unkraut-Kommando Liebhof“ (Poiesz 1948, S. 105) zugeteilt. In der „Schutzhaft“ schloss er sich zudem der Gruppe um Pater Joseph Kentenich (1885-1968), Gründer der in der Nazi-Zeit verbotenen internationalen geistlichen Erneuerungsbewegung Schönstatt, an und unterstütze fortan die Schönstattgruppen sowie deren Bemühungen um den Aufbau eines „Schönstatt-Offiziums“. Außerdem übersetzte er im Lager die deutsche Fassung von Kentenichs Horarium „Tagzeiten“ ins Lateinische, die lingua franca unter den aus verschiedenen Ländern inhaftierten katholischen Priestern.

Nach knapp elfmonatiger Haft wurde Poiesz am 26. April 1945 auf einen Evakuierungsmarsch aus dem KZ Dachau geschickt, auf dem er nach tagelangen Strapazen am 3. Mai 1945 im oberbayerischen Waakirchen von amerikanischen Truppen befreit wurde. Er kehrte Ende Mai 1945 nach Schönstatt zurück und versah dort ab Herbst desselben Jahres bis zu seiner Emeritierung den Lehrstuhl für Homiletik und Katechetik (Praktische Theologie) an der von Limburg nach Vallendar verlegten Philosophisch-Theologische Hochschule. Nach dem Krieg war er zudem Mitherausgeber der Monatsschrift „Der Rosenkranz“ für marianisch-apostolische Lebensgestaltung und begründete gemeinsam mit Patres Bange, Patres Schützeichel und Patres Danko die Informationszeitschrift „Pallottis Werk – daheim und draußen“. Seine Texte wurden teils vertont oder kamen auch als Lieder zum Vortrag. Schon bald machte er sich einen Ruf als „Meister des Wortes“ (Fluck 2019, 12). Eine weitere Leidenschaft von Poiesz war die Bühnenkunst. So übernahm er von 1945 bis in die 1960er-Jahre gemeinsam mit seinem vier Jahre älteren Bruder Bernd Poiesz, dem „Sprecherzieher von Schönstatt“ (o. A. 1957, S. 17) mit NSDAP-Vergangenheit, die Leitung der Theaterspiele im Studienheim Schönstatt. Im Ruhestand unterrichtete er Deutsch für ausländische Studierende. Im Jahr 1992 kehrte er dann in sein Mutterhaus nach Limburg zurück, wo er am 3. November 1992 im Alter von 88 Jahren starb.

Quellen:



Bearbeitet von: Jennifer Ehrhardt