So war es (1946)

Aus Frühe Texte der Holocaust- und Lagerliteratur 1933 bis 1949
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Angaben zum Werk

Titel So war es
Autor Meier, Heinrich Christian (1905-1987)
Genre Erinnerungsbericht

Ausgaben des Werks

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Ausgabe von 1946, Hamburg
Titel So war es
Untertitel Das Leben im KZ Neuengamme

Erscheinungsort Hamburg
Erscheinungsjahr 1946

Verlegt von Phönix-Verlag Christen & Co
Gedruckt von Hanseatische Druckanstalt GmbH
Publiziert von Meier, Heinrich Christian (1905-1987)
Umschlaggestaltung von Krubeck, Erwin

Umfang 126 Seiten

Bibliotheksnachweise UBGI-icon.gif UB Gießen (Print-dnb-icon.gif gedruckte Ausgabe)
UBGI-icon.gif UB Gießen (Online-dnb-icon.gif elektronische Ausgabe)
DNB-icon.gif Deutsche Nationalbibliothek (Print-dnb-icon.gif gedruckte Ausgabe)


Zusammenfassung

Heinrich Christian Meier berichtet von seiner Haftzeit im Konzentrationslager Neuengamme von Juni 1941 bis November 1944. Drei Jahre Gefangenschaft in verschiedenen Gefängnissen und Moorlagern, die er nicht genauer benennt, hat er bereits hinter sich, als er am 22. Juni 1941 als politischer Gefangener aus dem Fuhlsbütteler Gestapo-Gefängnis in das Konzentrationslager Neuengamme gebracht wird.

In einem überwiegend sachlichen und berichtenden Stil mischt Meier persönliche Erlebnisse mit allgemeinen Beobachtungen und Fakten aus dem KZ Neuengamme sowie anderen Konzentrationslagern. Der Erzählmodus wechselt dabei sowohl zwischen einem Ich-Erzähler und einer Plural-Erzählstimme als auch zwischen der Vergangenheitsform und dem Präsens. Statt eines chronologischen Berichts unterteilt er seine Ausführungen in zahlreiche Kapitel, die sich jeweils einem bestimmten Aspekt des Lagerlebens widmen, wie beispielsweise die Überschriften „Photographieren“, „Die Soziologie des Lagers“ und „Die Liebe im KL.“ ankündigen. Ein Glossar, das sich den gebräuchlichen Ausdrücken des Lagerlebens widmet, findet sich ebenso wie ein Kapitel, das die verschiedenen Arbeitsstätten und Außenkommandos innerhalb des Lagers aufzählt. Meier listet aber auch allgemeine Zahlen und statistische Berichte über die großen Konzentrationslager auf und beschreibt die verschiedenen Häftlingskategorien.

Im Kapitel „Die Liebe im KL.“ weicht Meier von seinem eher sachlichen Stil ab und beschreibt ausführlich und in schwülstigen Worten die Sehnsüchte und sexuellen Fantasien der Häftlinge. Der Ich-Erzähler spricht hier von sich in der dritten Person: „Die Frauen, die in seinem [des Häftlings] Leben eine Rolle gespielt hatten, lebten in seiner Phantasie weiter. Sein Gemüt zog gierig die letzten Tropfen an Freude und Lust aus diesen verjährten Erinnerungen. […] In der Einsamkeit seiner Nächte tat der Gefangene Abbitte für seine Schuld, und mit leidenschaftlichen Schwüren gelobte er Besserung, sollte es ihm jemals vergönnt sein, wieder Frauenzärtlichkeit zu empfangen“ (S. 48). Auch die Möglichkeiten, Sexualität im Lager auszuleben, werden detailliert geschildert. Ohne Tabus und Scham spricht er über Homosexualität und Prostitution im Lager und bekennt, dass sich die Begriffe über das Erlaubte und Unerlaubte im Lager auch in sexueller Hinsicht sehr schnell verirrten: „Die größte Verlockung sind die jungen Männer zwischen sechzehn und einundzwanzig Jahren, die bei aller Schönheit und Männlichkeit doch noch etwas von jungen Frauen im Wesen haben. […] so liegt die gleichgeschlechtliche Liebe gerade für jeden gesunden Mann überall greifbar auf der Lagerstraße“ (S. 50).

Ein zentrales Thema des Textes ist der Begriff Solidarität. Ihm widmet der Autor ein längeres Kapitel. Es geht Meier einerseits darum, das Thema Solidarität im Konzentrationslager aufzugreifen, andererseits aber auch darum, die Bedeutung einer zukünftigen Solidarität des deutschen Volkes herauszustellen: „Das Schicksal des deutschen Volkes hängt in Zukunft davon ab, wieweit es zur Solidarität noch fähig ist“ (S. 11). Obwohl Meier eine sehr politische Sicht auf den Nationalsozialismus und die Konzentrationslager hat, ist es ihm wichtig zu betonen, dass er für alle Menschen schreibt, „die im KZ. waren oder die wissen wollen, wie es dort wahrhaft gewesen ist“ (S. 7).

Seine Hoffnung ist ein anderes, besseres Deutschland im Rahmen eines einigen Europa. Sein Bericht, so der Autor, sei ein Zeugnis und Mahnmal für die wenigen überlebenden Kameraden und „die in der Hölle der Bestialität durch ihre Gesinnung, durch ihren steten Willen zu solidarischem Handeln, damals in mir die Flamme reiner Menschlichkeit am Leben gehalten haben“ (S. 12f.).


Biografie

Heinrich Christian Meier (geb. 05.04.1905 in Hamburg, gest. 30.08.1987 in Hamburg), als astrologischer Autor auch Heinrich Christian Meier-Parm oder nur „Parm“ genannt, wurde als Sohn des Handelsgärtners Heinrich August Meier geboren und absolvierte 1924 das Abitur. Ab 1925 studierte er in Hamburg Psychologie, neue Sprachen und Literaturwissenschaft sowie Philosophie, ohne das Studium jedoch abzuschließen. 1927 unternahm er als freier Schriftsteller Reisen nach Italien und in die Schweiz, im selben Jahr war er als Dramaturg, Bühnenautor und Kritiker in Gera tätig. Sein erstes Stück „Amrie Delmar“ wurde 1929 in Gera aufgeführt, jedoch wegen seiner kritischen Haltung zum Krieg verboten. Ab 1930 war Meier auch als Astrologe tätig und veröffentlichte unter dem Pseudonym Meier-Parm sogenannte kosmobiologische Studien. Im selben Jahr heiratete er Els Hoffmann. 1933 schloss er sich Widerstandskreisen um Otto Strasser und Wilhelm Humbert an. Versuche, sein Studium abzuschließen und in die Schweiz und Dänemark zu emigrieren, scheiterten. Im Dezember 1936 löste Meier die Verbindung zur ‚Schwarzen Front‘. Bis zu seiner Verhaftung 1938 war er für das „Hamburger Fremdenblatt“ und die „Niederdeutsche Warte“ tätig. 1937 wurde sein Drama „Die grüne Insel“ mit Aufführungsverbot belegt. 1938 heiratete er seine zweite Frau Annemarie Fürth, die Ehe wurde 1940 wieder geschieden.

Am 8. September 1938 wurde Meier inhaftiert, da nach der Besetzung der Tschechei seine Korrespondenz mit Otto Strasser in die Hände der Gestapo gelangte. Er wurde wegen 'Vorbereitung zum Hochverrat' angeklagt und am 4. August 1939 zu zwei Jahren Haft verurteilt, die er im Zuchthaus Hamburg-Fuhlsbüttel und in Neusustrum im Emsländischen Moor verbüßte. Ab dem 4. November 1940 war er in Fuhlsbüttel in Gestapohaft und ab dem 22. Juni 1941 im KZ Neuengamme inhaftiert. Hier musste er in den Kommandos „Elbe“ und „Klinkerwerk“ harte Arbeit verrichten und Misshandlungen über sich ergehen lassen. Er erkrankte lebensbedrohlich. 1942 war er als Funktionshäftling in verschiedenen Kommandos eingesetzt, 1943 etwa in der Schreibstube des Arbeitseinsatzes, die ein zentraler Ort des Widerstandes war. Hier war er für die Erstellung von Karteikarten für das Wirtschaftsverwaltungshauptamts der SS verantwortlich. Dank seiner Tätigkeit konnte er auch ausländische Häftlinge von der Arbeit in gefährlichen Kommandos befreien. Insgesamt verbrachte er sechs Jahre in Haft. Im November 1944 wurde Meier in die Sturmbrigade ‚Dirlewanger‘ strafversetzt. Mit dieser Einheit geriet er am 29. April 1945 als Bataillonstrossführer bei Halbe in russische Gefangenschaft. Sechs Monate blieb er im Kriegsgefangenenlager Sagan. Im November 1945 wurde er entlassen und konnte nach Hamburg zurückkehren. 1946 veröffentlicht er seinen Bericht zum KZ Neuengamme unter dem Titel „So war es“ und 1949 den Roman „Im Frühwind der Freiheit“, der vor allem seine Lagererfahrungen thematisiert. 1950 war er Rundfunkredakteur in Berlin, 1958 bis 1961 war er Herausgeber der Zeitschrift „Unter der Lupe“. 1960 folgte das Drama „Sisyphos“ und 1970 die „Eselsgeschichten“.

Meier trat in die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) ein und setzte sich für die Errichtung einer Gedenkstätte am Ort des ehemaligen KZ Neuengamme ein. Er war bis zu seinem Tode 1987 führendes Mitglied der Überlebendenverbände. Als Astrologe war Meier zeitweise Vorsitzender des Deutschen Astrologen Verbandes. Neben seiner astrologischen Tätigkeit setzte sich Meier nach dem Krieg ebenso für die Neutralität Deutschlands ein; er war Mitinitiator des „Deutschen Kongresses für aktive Neutralität“ 1951. 1985 wurde er mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.

Quellen:

  • Astrodient Astro-Wiki: „Heinrich Christian Meier-Parm“. Online: http://wiki.astro.com/astrowiki/de/Heinrich_Christian_Meier-Parm (Stand: 17.09.2019).
  • Käpernick, Thomas: „Meier, Heinrich Christian“. In: Hamburgische Biografie. Band 6. Göttingen 2012, S. 211f.
  • Peitsch, Helmut: Deutschlands Gedächtnis an seine dunkelste Zeit. Zur Funktion der Autobiographik in den Westzonen Deutschlands und den Westsektoren von Berlin 1945 bis 1949. Berlin: Edition Sigmar Bohn 1990, S. 466.


Werkgeschichte

Nach der Entlassung aus dem Kriegsgefangenenlager Sagan im November 1945 verfasste Heinrich Christian Meier seinen Bericht zum KZ Neuengamme, den er 1946 unter dem Titel „So war es“ im Phoenix-Verlag herausbrachte. Eine weitere Auflage erschien 1948 ebenfalls im Phönix Verlag. Den Bericht schrieb Meier später zu einem Roman um. Unter dem Titel „Im Frühwind der Freiheit“ wurde er 1949 veröffentlicht und 1954 im Progress-Verlag wiederaufgelegt.



Bearbeitet von: Charlotte Kitzinger