Sommer, Ernst (1888-1955)

Aus Frühe Texte der Holocaust- und Lagerliteratur 1933 bis 1949
Wechseln zu: Navigation, Suche
Die Karte wird geladen …
Name Sommer, Ernst

Geschlecht männlich
Geburtsdatum 29. Oktober 1888
Geburtsort Jihlava
Sterbedatum 20. September 1955
Sterbeort London
Tätigkeit Journalist, Schriftsteller, Rechtsanwalt, Dichterjurist
Externe Referenzen Deutsche Nationalbibliothek Virtual International Authority File Deutsche Biographie Wikidata

Biografie

Ernst Sommer (geb. 29.10.1888 in Iglau/Mähren, gest. 20.10.1955 in London) wurde als Sohn des deutschsprachigen, jüdischen Süßwarenfabrikanten Jakob Sommer und der Mutter Marie geboren. Sein Vater hatte ihn für die Nachfolge des familieneigenen Geschäfts vorgesehen. Nach dem Besuch der Knaben-Volksschule ab 1894 erlangte er 1907 das Abitur am Obergymnasium. Im gleichen Jahr begann Sommer ein Medizinstudium an der Universität Wien. Nach einem Semester wechselte er jedoch zur Rechtswissenschaft, wo er 1912 promovierte. Er war Mitglied einer jüdischen schlagenden Studentenverbindung in Wien. 1913 erschien sein erster Roman „Gideons Auszug“, der sich mit der zionistischen Idee beschäftigt und erzählerisch von der Wiener Moderne geprägt ist. In einer Wiener Monatsschrift veröffentlichte Sommer zudem einige Beiträge über das Judentum und den Zionismus. Er stand dem ‚Prager Kreis‘ um Max Brod und Franz Kafka nahe.

Von 1912 bis 1914 war Sommer am Kreis- und Bezirksgericht in Iglau tätig. Während des Ersten Weltkriegs wurde er einberufen und war bei verschiedenen Kriegsgerichten für juristische Aufgaben eingesetzt. Nach Kriegsende und seiner Entlassung aus dem Militär setzte er seine Tätigkeit als Konzipient in Dux bis 1920 fort. Am 9. Juni 1919 heiratete er Leontine Illowy und im April 1920 wurde seine Tochter Beate Claudia geboren. 1919 legte ebenfalls die Advokatenprüfung ab. 1920 eröffnete er in Karlsbad eine Anwaltskanzlei und saß für die Sozialdemokratische Partei, der er wahrscheinlich 1920 beigetreten war, im Stadtrat.

Bis 1922 veröffentlichte er zudem zwei weitere literarische Werke. Er war ständiger Mitarbeiter der sozialdemokratischen Tageszeitung „Volkswille“ in Karlsbad und schrieb viele Theaterkritiken. Er verfasste auch selbst einige Bühnenstücke, so etwa 1921 das Legendenspiel „Johannes und Hieronymus“. 1924 gründete er zusammen mit dem Schriftsteller Bruno Adler und Ernst Bergauer die Literaturzeitschrift „Die Provinz“. Sie sollte das Verständnis zwischen Tschechen und Deutschen fördern. Egon Kirsch, Otto Pick und Rudolf Fuchs veröffentlichten darin Beiträge. Die Zeitung musste jedoch nach einem Jahr eingestellt werden, da sie nicht genügend Leser fand. Sommer gehörte außerdem als Mitglied der 1894 gegründeten Freimaurerloge ‚Karlsbad‘ der Vereinigung ‚B’nai B’rith“, einer weltweiten jüdischen Brüderschaft, die Mitte des 19. Jahrhunderts gegründet worden war, an.

Erst mit der Machtübernahme Hitlers begann Sommer wieder nebenberuflich schriftstellerisch zu arbeiten. 1935 erschien Sommers historischer Roman „Die Templer“, an dem er seit 1933 gearbeitet hatte. Er wurde von vielen Kritikern als eine verfremdete Anklage gegen den Nationalsozialismus gelesen. 1937 folgte der Roman „Botschaft aus Granada“, der auf die ‚Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums‘ gesetzt wurde und nur im Rahmen einer Ausnahmeregelung in Deutschland erscheinen konnte. Thema des Romans war die Vertreibung der Juden durch Königin Isabella von Kastilien im Jahr 1493. Bei der Ausübung seines Anwaltsberufs hatte Sommer ab 1935 auch häufiger mit politischen Fällen zu tun und verteidigte Angehörige der linken Parteien.

Als Karlsbad im September 1938 dem Deutschen Reich zufiel, ging Sommer 1938 nach Prag ins Exil. Hier wurde er im Oktober offiziell als Flüchtling anerkannt. Er war außerdem Mitglied des internationalen P.E.N. Da Sommer als Jude und wegen seiner Tätigkeit als Anwalt als besonders gefährdet galt, wurde sein Visaantrag für England schnell berücksichtigt. Bereits im November desselben Jahres konnte er per Flugzeug nach England ausreisen. Seine Familie folgte ihm Anfang 1939. Nach dem Verlust seines Vermögens und seiner Arbeit war Sommer auf die Unterstützung durch Hilfsorganisationen angewiesen, etwa des CRFT (Czech Refugee Fund) oder des P.E.N. Sommer erwog weiter in die USA auszureisen, stieß jedoch auf Schwierigkeiten und kam schließlich von diesem Plan ab.

Sommer unterstützte während des Zweiten Weltkriegs die tschechoslowakische Exilregierung publizistisch und engagierte sich in der Exilpresse. Er beschäftigte sich auch mit dem Thema der Judenverfolgung, zumal er zunehmend Sorgen um seine Familie hatte. Von den im Oktober 1941 beginnenden Deportationen der Juden aus den böhmischen Ländern in das Getto Theresienstadt waren auch seine Mutter und die Familie seiner jüngeren Schwester Antonia Grünberger betroffen. Sommers Mutter beging 1942 im Getto Theresienstadt durch einen Sprung aus dem Fenster Selbstmord, seine Schwester wurde 1942 nach Theresienstadt deportiert und 1944 im Konzentrationslager Auschwitz ermordet. Sommers Erzählung „Die Gaskammer“ vom Dezember 1942 ist seine erste literarische Arbeit zum Holocaust. Sie war eine Auftragsarbeit für die Weihnachtsausgabe der Zeitschrift „Einheit“. Die Erzählung beschreibt Soldaten, die zuerst grausame Morde verüben und dann sentimental Weihnachten feiern. Im April 1943 begann er mit seiner Arbeit an dem Roman „Die Revolte der Heiligen“, der 1944 erstmals in Mexiko herausgegeben wurde.

Nach Kriegsende reiste Sommer 1946 und 1947 nach Prag, kehrte jedoch trotz Plänen, in die Tschechoslowakei zurückzukehren, nicht dauerhaft dorthin zurück. In England stieß er jedoch auch auf Probleme bei der Ausübung seines Anwaltsberufs, da ihm zunächst die amtlich Erlaubnis fehlte. Es gelang ihm ebenfalls nicht, sich als Autor auf dem englischen Buchmarkt zu etablieren. Vorübergehend arbeitete er daher in einer Spiegelfabrik. Auch Pläne nach Österreich auszuwandern, wurden nicht realisiert. Seit Kriegsende studierte Sommer autodidaktisch ‚angelsächsisches Recht‘, erhielt 1948 schließlich die Lizenz als ‚consultant of international law‘ und arbeitete von nun an in London in einer eigenen Kanzlei als Anwalt für internationales Recht. Er betätigte sich auch erneut wieder als Theaterkritiker. In diesem Zeitraum wurde die Parkinsonsche Krankheit bei ihm diagnostiziert. Mit der Verschlimmerung seiner Krankheit wurde die Arbeit als Anwalt zunehmend schwieriger. Er veröffentlichte jedoch weiterhin zahlreiche Bücher, in der Hauptsache historische Biographien, wie über Thomas Münzer und Ullrich von Hutten. 1951 nahm Sommer die britische Staatsbürgerschaft an. Im gleichen Jahr wurde er zudem Mitglied des PEN-Klub deutscher Autoren im Ausland, da er aus dem tschechoslowakischen PEN ausgeschlossen worden war. Sommer lebte bis zu seinem Tod in Großbritannien.

Quellen:

  • Bauer, Stefan: Ein böhmischer Jude im Exil. München 1995.
  • Herzog, Andreas: „Sommer, Ernst“. In: Kilcher, Andreas B.: Metzler Lexikon der deutsch-jüdischen Literatur. Stuttgart/Weimar 2000, S. 536-562.
  • Macháčková-Riegerová, Věra: Ernst Sommer. Praha 1969.
  • Pazi, Margarita: Fünf Autoren des Prager Kreises. Frankfurt am Main/Bern/Las Vegas 1978, S. 170-210.