Sozialdemokratische und kommunistische Arbeiter im Konzentrationslager (1934)

Aus Frühe Texte der Holocaust- und Lagerliteratur 1933 bis 1949
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Angaben zum Werk

Titel Sozialdemokratische und kommunistische Arbeiter im Konzentrationslager
Autor Hirsch, Werner (1899-1941)
Genre Erinnerungsbericht

Ausgaben des Werks

Ausgabe von 1934, Basel
Titel Sozialdemokratische und kommunistische Arbeiter im Konzentrationslager

Erscheinungsort Basel
Erscheinungsjahr 1934

Verlegt von Prometheus Verlag

Publiziert von Hirsch, Werner (1899-1941)

Umfang 39 Seiten

Bibliotheksnachweise UBGI-icon.gif UB Gießen (Print-dnb-icon.gif gedruckte Ausgabe)
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Zusammenfassung

Werner Hirsch beschreibt in seinem Erinnerungsbericht seine Erlebnisse als Häftling in den Konzentrationslagern Brandenburg, Oranienburg und Lichtenburg sowie in verschiedenen Gefängnissen in Berlin und Leipzig von 1933 bis 1934. In diesem Bericht, beginnend mit seiner Verhaftung gemeinsam mit Ernst Thälmann am 3. März 1933, verwebt der Autor zwei Ebenen miteinander: Anhand von emotionalen Tagebuchaufzeichnungen schildert Hirsch einerseits seine Erlebnisse in den Lagern und Gefängnissen. Die Gewalttaten der Nationalsozialisten gegenüber ihm und anderen Häftlingen stehen hier im Vordergrund. Andererseits berichtet Hirsch über die zunehmenden antisemitischen Maßnahmen in Deutschland und den politischen Widerstand dagegen. Der Autor appelliert in diesem Zusammenhang an die Mitglieder der Kommunistischen Partei und ruft zum Widerstand auf. Diese Ebene zeichnet sich vor allem durch pathetische und polarisierende Sprache aus.

Hirsch schildert in den assoziativ verbundenen Kapiteln, die kämpferische Überschriften tragen wie „Kämpfende Einheit der Arbeiterklasse — die Voraussetzung für den Sturz Hitlers!“, den wachsenden Antisemitismus sowie den Widerstand seitens der kommunistischen Partei nicht nur in Deutschland, sondern auch in Frankreich, Spanien und Österreich. Mithilfe von Metaphern, Superlativen und Aufzählungen illustriert Hirsch diese Entwicklung. So wird das NS-Regime als „Joch“ bezeichnet, „das immer schwerer und furchtbarer“ auf den „deutsche[n] Arbeitern und Bauer[n] lastet (S. 3). Die Formation des Widerstandes seitens der KPD wird als „Signal, das aus den Städten hinausdröhnen wird“ sowie als „Faustschlag“ (beide Zitate S. 4) charakterisiert. Durch die Anrede „Wir Kommunisten“ (S. 5) wird der politische Charakter des Berichts weiter hervorgehoben, wobei sich Hirsch selbst in der Rolle des dokumentierenden Autors bzw. Verfassers sieht: „[Er] lernte mehr Lager und mehr Menschen kennen, als es sonst möglich gewesen wäre“ (S. 6).

Weiterhin beschreibt Hirsch historische Ereignisse, wobei er besonders den Preußenschlag, die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler und den Brand des Reichstagsgebäudes erwähnt. Die Überschrift „Einige Erinnerungen aus der Zeit vor dem Siege des Faschismus“ (S.7) macht hierbei die emotional distanzierte Ebene deutlich: anstatt von subjektiven, persönlichen Erinnerungen zu berichten schildert der Autor politische Entwicklungen zwischen 1932 und 1933.

Weiterhin nutzt Hirsch Dialoge als Mittel, das Verhältnis zwischen der KPD und der SPD zu diskutieren. Hierbei stellt ein Mithäftling von Hirsch, „Genosse X“ (S. 28 f.) Zwischenfragen, in deren Antwort der Autor auf seine politische Ideologie eingeht. Hierbei ist vor allem die Zusammenarbeit von SPD und KPD zentral, denn: „ohne eine revolutionäre Partei kann das Proletariat nicht siegreich kämpfen“ (S. 13).

Formale Gestaltungsmittel unterstreichen den politischen Tenor. Der Erzählmodus wechselt von einem Ich-Erzähler in eine Plural-Erzählstimme: Hirsch begreift seine Inhaftierung nicht nur als subjektive, sondern auch als kollektive Erfahrung. Dieser Aspekt wird durch die sprachliche Polarisierung weiter unterstrichen: Dem „wir“ der Anhänger der KPD stehen die Nationalsozialisten, „die schwarzen Bestien“ (beide Zitate S. 16) gegenüber. Auch in der Diskussion der Ideologie der KPD ist die sprachliche Gestaltung auffällig kontrastiv. So diskutiert Hirsch komplexe Verhältnisse wie „die Frage der Aktionseinheit“ (S. 38) mit abstrakten Begriffen. Gleichzeitig bedient sich der Autor aber auch einer emotionalen Sprache, indem er den Anhänger der bulgarischen KPD, Georgi Dimitrow, als „glühende[n] revolutionäre[n] Geist“ (S. 32) und das Konzentrationslager als „beste Schule des Klassenkampfes“ (S. 27) bezeichnet.

Unter dem programmatischen Titel, „Schmiedet die Einheit!“, schließt Hirsch den Appell an die Mitglieder der KPD ab. Hierbei fasst der Autor die von ihm geplante Mobilisierung des politischen Widerstandes durch die Zusammenarbeit von SPD und KPD sowie den Aufbau von Gewerkschaften noch einmal zusammen. Die aneinandergereihten, kursiv gedruckten Ausrufe „Schmiedet die Aktionseinheit der deutschen Arbeiterklasse [...]“ sowie „Schmiedet die Einheit der deutschen Arbeiterklasse!“ (beide Zitate S. 39) unterstreichen hierbei den Grundgedanken von Hirsch nicht nur auf der inhaltlichen, sondern auch auf der formalen Ebene.


Biografie

Werner Daniel Hirsch (geb. 07.12.1899 in Berlin, gest. 10.06.1941 im Butyrka-Gefängnis in Moskau) wurde in eine jüdische Familie geboren. Als Sohn von Helene Kallmorgen (verwandt mit den Familien von Bismarck und von Alt-Stutterheim) und dem Landgerichtsrat Walter Hirsch wuchs er in einem wohlhabenden Elternhaus auf. Bereits während seiner Schulzeit auf dem Gymnasium unterstützte Hirsch die USPD, in die er 1917 als Mitglied eintrat. Gleichzeitig war er Mitglied der Spartakusgruppe. Vor seinem Eintritt in die KPD im Jahr 1919 wurde Hirsch zur Marine eingezogen und war als Kriegsgegner an der Novemberrevolution 1918 beteiligt. Er engagierte sich weiterhin im „Arbeiter- und Soldatenrat“ in Hamburg und war an der Gründung der „Volksmarinedivision“ in Cuxhaven beteiligt. Erstmalig wurde er im Januar 1919 in Berlin verhaftet, es folgten weitere Haftstrafen 1927 und 1930.

Beruflich war Werner Hirsch bis 1924 als Seifenstanzer tätig, danach arbeitete er als Freier Schriftsteller und Journalist bzw. Korrespondent bei der „Vossischen Zeitung“ in Wien und der „Sächsischen Arbeiterzeitung“ in Leipzig. Als Redakteur bzw. Chefredakteur war er für „Der Kämpfer“ in Chemnitz sowie für die „Roten Fahne“ in Berlin tätig. Ab 1932 arbeitete er ebenfalls als Sekretär von Ernst Thälmann, mit dem er am 3. März 1933 in Berlin verhaftet wurde. 1933 bis 1934 war Werner Hirsch in verschiedenen Gefängnissen in Berlin und Leipzig sowie in den Konzentrationslagern Brandenburg, Oranienburg und Lichtenburg inhaftiert. Nachdem er 1934 aus dem Konzentrationslager Oranienburg entlassen wurde, reiste Hirsch zuerst nach Prag, um dann in die UdSSR zu emigrieren. Am 14. November 1936 wurde Werner Hirsch in Moskau verhaftet; ihm wurden Verbindungen zu „konterrevolutionären trotzkistischen Gruppen“ vorgeworfen, die er in Verhören und im Gerichtsprozess 1936 und 1937 dementierte.

Am 10. November 1937 schuldig gesprochen, wurde Werner Hirsch zuerst auf der Gefängnisinsel Solowezki inhaftiert und dann 1941 in das Butyrka-Gefängnis in Moskau überführt. Hirsch war körperlich durch Mangelernährung und Misshandlungen stark geschwächt und verstarb im Gefängnis in Moskau. Die Todesursache wurde offiziell als Herzversagen angegeben.

Quellen:


Werkgeschichte

Der Erinnerungsbericht von Werner Hirsch wurde erstmalig 1934 im Sammelband „Schriftenreihe der proletarischen Einheit 5“ von der KPD veröffentlicht und steht in direktem Bezug zu „Hinter Stacheldraht und Gitter“, einem weiteren Bericht von Hirsch, der ebenfalls 1934 von der KPD als Broschüre herausgegeben wurde. Beide Texte verbindet nicht nur die gemeinsame Veröffentlichung, sondern auch der dokumentarische Charakter. Hirsch schildert in beiden Berichten seine Erlebnisse während der Inhaftierung zwischen 1933 und 1934. Was Nuancen im Text anbelangt, unterscheiden sich beide Berichte jedoch: In „Sozialdemokratische und kommunistische Arbeiter in den Konzentrationslagern und Gefängnissen Hitlerdeutschlands“ steht vor allem der Grundgedanke, die KPD zu mobilisieren und mit der SPD zu vereinen, im Vordergrund. In „Hinter Stacheldraht und Gitter“ dokumentiert Hirsch Gewalt und Folter in den Konzentrationslagern in Deutschland.

Quellen:



Bearbeitet von: Lisa Beckmann