Staatliches Konzentrationslager VII (1936)
Angaben zum Werk
Titel | Staatliches Konzentrationslager VII |
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Autor | Hinrichs, Klaus (1896-1988) |
Genre | Erzählung, Erinnerungsbericht |
Ausgaben des Werks
Ausgabe von 1936, London | |
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Titel | Staatliches Konzentrationslager VII. Eine „Erziehungsanstalt“ im Dritten Reich
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Erscheinungsort | London |
Erscheinungsjahr | 1936
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Verlegt von | Malik-Verlag, Publishing Company |
Gedruckt von | Gresham Press, Unwin Brothers Ltd., London
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Umfang | 346 Seiten
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Zusammenfassung
Klaus Hinrichs „Staatliches Konzentrationslager VII. Eine „Erziehungsanstalt“ im Dritten Reich“ handelt in der Hauptsache von vier Protagonisten, die in das „Staatliche Preussische Konzentrationslager VII Ostermoor“ als Schutzhäftlinge gebracht werden. Die Erzählung besteht aus 22 Kapiteln und einem Kapitel mit Anmerkungen. Auch wenn die Erzählung als Erinnerungsbericht betitelt wird, handelt es sich doch um einen fiktionalisierten Text, der auch Innenperspektiven der Figuren zeigt. Dabei wird chronologisch erzählt und in den Anmerkungen wird der Standort des Autors verdeutlicht – er trägt Ereignisse, die er erlebt und gehört hat, zusammen. Dabei wird der Leser keineswegs geschont, der Text enthält viele sehr brutale Szenen und schildert Misshandlungen sehr detailliert. Die ständigen Misshandlungen bilden das Gros der Darstellung, während auf der anderen Seite die Solidarität unter den Gefangenen, vor allem der vier Protagonisten, immer wieder betont wird.
Die ersten Kapitel handeln von der Überfahrt von 110 Gefangenen in das KZ. Die vier Protagonisten Martin Schneehagen, Isaak Biermann, Tobias Röhl und Otto Westerle teilen sich zu Beginn eine Zelle in einem kleinen Gefängnis, das als SA-Keller bezeichnet wird. Der auktoriale Erzähler berichtet kurz über ihre Vergangenheit und führt so die verschiedenen Biographien ein. Martin Schneehagen ist ein promovierter Germanist, Isaak Biermann ist jüdischer Herkunft, Otto Westerle ist ein älterer Bauer und Tobias Röhl ist Mitglied der kommunistischen Partei. Das Schicksal der drei Kommunisten und des jüdischen Gefangenen wird immer wieder in den Fokus der Erzählung gerückt.
Zunächst erfahren die vier jeweils auf verschiedene Weisen, dass sie in ein Konzentrationslager überstellt werden sollen: Röhl über einen geheimen Brief seiner Tochter, Biermann durch den Besuch seiner Schwerster und Schneehagen durch einen Aufseher. Westerle hätte nur einwilligen müssen, seine Heimat zu verlassen, wollte aber Haus und Hof nicht aufgeben und wurde so ebenfalls auf die Liste des Transports gesetzt. Der Transport enthält 110 Gefangene und die Reise dauert etwa zwei Wochen. Unterwegs erhalten Sie von dem als zuvorkommend beschriebenenAufseher Wasser, wann immer sie danach fragen. Da der Zug regelmäßig hält und die Gefangenen nachts manchmal außerhalb des Zugs untergebracht werden, werden sie von gewöhnlichen Passagieren angestarrt. Die grobenMisshandlungen und Erniedrigungen beginnen jedoch erst, als der Zug zum Zielbahnhof einfährt und eine Gruppe alkoholisierter SS-Männer unter Truppführer Faust sie in Empfang nimmt.
Um die Gefangenen schnell dazu zu bewegen, still zu stehen und Angaben zu ihrer Person zu machen, werden sie zunächst willkürlich geschlagen. Auch Röhl wird, als er eine ‚freche‘ Antwort gibt, fortgebracht und von vier SS-Männern verprügelt. Die Gefangenen werden dann wieder in einen Zug gepfercht und in den Abteilen gehen die Misshandlungen und Schikanen weiter. So müssen die Gefangenen etwa Kinder- oder Soldatenlieder singen, während einer nach dem anderen weiter geprügelt wird. Der ehemalige Antifa-Führer Suter muss eine ‚Scheinerschiessung‘ über sich ergehen lassen und Biermann wird so stark zugerichtet, dass sich sein ganzes Gesicht verfärbt. Faust lässt Biermann dann zum Narren kostümieren, indem er ihn zwingt, die Jacke und den Hut falsch herum anzuziehen und ihm die noch nicht verfärbten Körperstellen schwarz anmalt. Hinzu kommt, dass er den Hut zerschneidet und ihm Federn aufsetzt. Er zwingt ihn außerdem zu tanzen und zu singen.
Die bisherige an den Protagonisten orientierte und von außen betrachtende Erzählform wird an dieser Stelle durch die Schilderung von Gedankeninhalten des SS-Mannes Geyer unterbrochen, der sich selbst als Taugenichts beschreibt und froh ist, dass er unter Hitlers Führung eine große Chance bekommt, um sein Leben zu meistern. Dennoch hegt er einige Zweifel am System, da die Versprechungen noch nicht erfüllt scheinen und er nur knapp für eine Arbeit entlohnt wird, die er nicht gerne ausführt. Dennoch ermahnt er sich zur Geduld. Auch dass er bei den Frauen nicht den Erfolg hat, dener es sich wünscht, lässt ihn sehr gereizt reagieren und veranlasst ihn, Röhl dazu zu zwingen, ein neues Lied anzustimmen.
Beim Marsch zum Lager brechen viele unter der Last des schweren Gepäcks zusammen, so auch der stark geschwächte Röhl. Die Ankunft im Konzentrationslager ist durch weiteren Gesang, Demütigung und Geschrei gekennzeichnet. Erneut gibt es einen Bruch in der Erzählung. Der Autor kommentiert hier das Geschehen nicht als Erzähler, er bricht aus der Erzählerperspektive aus und reflektiert, was jetzt niederzuschreiben ist: „Diese Rede [von Göbel, Kommandant des Lagers], seltsam niederzuschreiben und seltsam zu lesen, klingt in Wirklichkeit noch wesentlich seltsamer.“ Die vier Häftlinge werden gemeinsam der Baracke acht zugeteilt. Am nächsten Tag trifft sie die Lagerrealität mit voller Härte. Sie bekommen kaum zu Essen, haben nicht die Möglichkeit sich richtig zu waschen und ältere Gefangene deuten an, dass sie im Lager durch Arbeit vernichtet werden sollen. An anderer Stelle wird das auch durch die Beschreibung der Arbeit des Sonderkommandos verdeutlicht, das dafür zuständig ist, das Moor auszuheben.
Den Gefangenen ist nun endgültig bewusst, dass sie der Willkür der Aufseher ausgeliefert sind und sie durch Arbeit und Schläge zu Tode gequält werden sollen. So müssen sie etwa Sand aufladen und dann die schweren Karren alleine schieben und ausladen. Dies geschieht in einem Tempo, das unmöglich zu schaffen ist. Hinzu kommt, dass die SS einen abgerichteten Hund einsetzt, um den Gefangenen „ehrliche Arbeit bei(zu)bringen“ (S. 173), der den Gefangenen knurrend und schnappend hinterherrennt. Die Situation spitzt sich zu, als Biermann sich sein eigenes Grab schaufeln soll. Er wird mit Erde bedeckt und erst als er sich nicht mehr bewegt, wird er wieder ausgegraben und mit schmutzigemWasser so lange übergossen, bis er wieder zu Bewusstsein kommt.
Die fortschreitende Entmenschlichung im Lager steht auch an anderen Stellen des Berichts im Zentrum. Immer wieder wird auch der Zwang zum Singen thematisiert, auch dann, wenn den Arbeitern schon die Kraft zum Laufen fehlt. Als Schneehagen nicht mitsingen möchte, muss er sich wegen Arbeitsverweigerung beim Kommandanten melden.
Als eine alte Eiche im Umfeld ‚geschändet‘ wird, machen die Aufseher Kommunisten für diese Tat verantwortlich, und da sie die echten Täter nicht ausfindig machen können, verhängen sie eine Kollektivstrafe in Form eines Essensentzugs im Lager. Die meisten solidarisieren sich mit den kommunistischen Gefangenen und lehnen es ab, zu essen, wenn ihre Kameraden es auch nicht dürfen.
Derweil wird Schneehagens Anwesenheit bei einem Massaker in Eisleben bekannt, was für ihn schwere Folgen hat. Die Nationalsozialisten stellen den Vorgang so dar, dass sie von Kommunisten angegriffen wurden, später stellt sich jedoch heraus, dass in der Halle unbewaffnete Frauen und Kinder waren, die, wie Schneehagen auch, an einer gewöhnlichen Filmvorführung teilnahmen. Die Verletzten wurden anschließend (im Februar) in den nahegelegenen Fluss geworfen. Auch hier werden die Grausamkeiten wieder sehr detailliert geschildert.
Da sich die Kommunikation der Häftlinge mit den Familien draußen sehr schwierig gestaltet, wollen einige Frauen selbst nachsehen, wie es ihren Männern, Söhnen und Brüdern geht. Sie fahren zum KZ, werden jedoch gewaltsam von den Aufsehern wieder fortgejagt. Diese Szene wird besonders emotional geschildert, da zunächst Hoffnung auf ein Wiedersehen aufkeimt, die dann jedoch direkt zerschlagen wird. In den Anmerkungen am Ende des Berichts schildert Wittfogel, dass sich diese Szene wirklich so zugetragen habe.
Als Schneehagen in den Bunker muss, hört er zunächst nur, wie die anderen Inhaftierten missbraucht werden. Schließlich wird er jedoch auch selbst vergewaltigt und misshandelt. Die Situation wird für ihn durch die schwere Arbeit im Moor, die er nicht gewöhnt ist, noch schlimmer. Während eines Marsches singen die Gefangenen das Widerstandslied „Moorsoldaten“ (S. 315). Dieser Moment wird als düster beschrieben, die letzte Strophe singen die Häftlinge jedoch mit erhobenen Stimmen. Da Schneehagen kein starker Mann ist, wird er stetig von den Aufsehern damit aufgezogen, dass er ja ein Wissenschaftler sei und ihm nun beigebracht werde, was echte Arbeit sei. Als seine Lunge zu kollabieren scheint, geht er ins Revier. Dort wird er ausgelacht und weggeschickt, bis er dann bei der Arbeit zusammenbricht und dann doch ins Revier aufgenommen wird. Im vorletzten Kapitel wird Schneehagen schließlich erschossen.
Von den Aufsehern wird ein differenzierteres Bild gezeichnet. Der Aufseher Södersen etwa zeigt menschliche Züge, indem er mit Schneehagen spricht und ihm sagt, dass er nur so viel arbeiten müsse, wie er könne. Er äußert dabei einen Satz, der sich wie ein Lauffeuer im Lager verbreitet: „Der Mensch ist schliesslich kein Tier…“ (S. 371). Dafür wird er jedoch von einem zweiten Aufseher zur Verantwortung gezogen. In einer anderen Episode sprechen zwei SS Männer in ihrer Stube über die Barbareien im Lager. Sie wollen nur die anständigen, nicht die brutalen Aufseher unter sich haben.
Als Scharführer Haselhorst erfährt, dass ein alter Freud von ihm in der Verwaltung des Konzentrationslagers Mönkenburg sitzt, fährt er sofort dorthin, um sein Anliegen vorzustellen. Er möchte vor allem bessere Zustände in den Lagern erreichen. Dabei erfährt er, dass noch zahlreiche weitere Konzentrationslager geplant sind. Für ihn bedeutet diese Entwicklung eine Niederlage: „Die Juden! Gewiss, gewiss. Wir haben Juden verfolgt, boykottiert, eingesperrt, gefoltert, umgebracht. Vor allem arme Juden übrigens, wie du in unserm Lager sehen kannst. Immerhin, hier haben wir etwas zu vollbringen versucht. Hier waren wir tätig. Doch was haben wir mit diesem fragwürdigen Feldzuge erreicht? Günstigstenfalls, dass an die Stelle des fremdrassigen Ausbeuters der einheimische Ausbeuter getreten ist, dass die arbeitenden Menschen Deutschlands jetzt nur noch von Deutschen ausgebeutet werden. Das nennst du Sieg? Ich nenne es die erste und vielleicht entscheidende Niederlage.“ (S. 391). Haselhorst, der zwar ein Nationalsozialist ist, aber im Grunde mehr auf den Sozialismus setzt, ist also trotz allem auch seinem Gewissen verpflichtet, was ihn letztlich auch das Leben kostet. Er wird nach dieser Unterredung erschossen, es wird jedoch wie ein Unfall dargestellt. Der Text schließt mit einem Trinkgelage in den Kommandantenräumen. Die SS-Männer unterhalten sich über politische Strategien, während das ganze Lager dunkel wird und ein Aufstand der Gefangenen über die betrunkenen SS-Aufseher einbricht.
In den Anmerkungen erläutert Wittfogel seine Motivation für das Schreiben der Erzählung und die fiktionalisierte Form, die er dafür gewählt hat. So seien die geschilderten Ereignisse Abbilder von verschiedenen Schicksalen und Zuständen, die der Autor im nationalsozialistischen Deutschland selbst erlebt habe. Obwohl die meisten Figuren wie auch die Namen der Konzentrationslager abgewandelt und fiktionalisiert wurden, behalten vor allem einige SS-Männer ihre richtigen Namen. Unter der Person Schneehagens werden dagegen verschiedene Intellektuelle, wie etwaHans Otto, Carl von Ossietzky, Hans Litten oder Erich Mühsam, gefasst. Ihnen soll auf diese Weise ein Denkmal gesetzt werden.
Biografie
Karl August Wittfogel (geb. am 6. September 1896 in Woltersdorf, gest. am 25. Mai 1988 in New York) schrieb unter dem Pseudonym Klaus Hinrichs. Im Jahr 1920 war er Dozent an der Volkshochschule Schloss Tinz und wurde im selben Jahr Mitglied der KPD. Er verfasste verschiedene Publikationen und literarische Werke, darunter politische Theaterstücke und Schriften für die KPD. 1928 promovierte er in Frankfurt zu dem Thema „Die ökonomische Bedeutung der agrikolenund industriellen Produktivkräfte Chinas“. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde er bei einem Fluchtversuch verhaftet und überlebte neun Monate in drei verschiedenen Konzentrationslagern (u. A. Papenburg). Im Jahr 1934 emigrierte er zunächst nach England und von dort in die USA. Er fasste in New York wieder Fuß im wissenschaftlichen Betrieb und wurde Professor für Sinologie. Mit dem Beschluss des Hitler-Stalin-Paktes im Jahr 1939 brach Wittfogel mit der KPD. In den 1970er-Jahren wurden viele seiner Schriften in Deutschland von Studenten im Zuge der 1968er-Studentenbewegung neu aufgelegt. Im Jahr 1992 scheiterte eine Neuausgabe seiner Werke an seinem Nachlassverwalter Gary L. Ulmen.
Quellen:
- „Wittfogel, Karl“. In: Verfolgung und Auswanderung deutschsprachiger Sprachforscher 1933-1945. Online: http://zflprojekte.de/sprachforscher-im-exil/index.php/catalog/w/489-wittfogel-karl (Stand: 05.07.2022).
- „Wittfogel, Karl August“. In: Bundesstiftung Aufarbeitung. Online: '"`UNIQ--nowiki-000014CC-QINU`"' (Stand: 05.07.2022).
Werkgeschichte
Das Werk wird in zwei Zeitungen erwähnt. In der Sozialistischen Warte Nr. 10/1934 wird das Buch in zwei kurzen Absätzen von L. Kolb beschrieben. Es wird als „wertvolles politisches Dokument“ bezeichnet. Das darin Geschilderte soll nach Möglichkeit jeden anständigen Menschen wachrütteln und ihn dazu bewegen, seine eigene Freiheit dafür einzusetzen, sich dem Regime zu stellen. In der Pariser Tageszeitung vom 16.12.1936 wird das Buch unter den Neuerscheinungen der Malik-Bücher erwähnt. Im Jahr 1991 erschien eine Neuauflage des Buches unter dem echten Namen des Autors: Karl August Wittfogel.
Quellen:
- Kolbe, L.: Klaus Hinrichs: „Staatliches Konzentrationslager VII. Eine Erziehungsanstalt im Dritten Reich. Sozialistische Warte, 15.05.1937, H.10, S. 228.
- Pariser Tageszeitung, 16.12.1936, H. 188, S. 4.
Bearbeitet von: Sandra Binnert