Von Goerings Kriegsflugstaffeln in Goerings Zuchthäuser (1938)

Aus Frühe Texte der Holocaust- und Lagerliteratur 1933 bis 1949
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Angaben zum Werk

Titel Von Goerings Kriegsflugstaffeln in Goerings Zuchthäuser. Selbsterlebnisse eines elsässischen Soldaten des Weltkrieges
Autor Lux, Albert (1896-?)
Genre Erinnerungsbericht

Ausgaben des Werks

Ausgabe von 1938, Straßburg
Titel Von Goerings Kriegsflugstaffeln in Goerings Zuchthäuser. Selbsterlebnisse eines elsässischen Soldaten des Weltkrieges

Erscheinungsort Straßburg
Erscheinungsjahr 1938

Verlegt von Editions Sébastien Brandt
Gedruckt von Imprimerie Franҫaise
Publiziert von Lux, Albert (1896-?)

Umfang 307 Seiten
Abbildungen 4 Fotografien, 1 Kriegspostkarte von Göring, 8 Faksimile von offiziellen Dokumenten und Postkarten, 1 Luftbild

Bibliotheksnachweise DNB-icon.gif Deutsche Nationalbibliothek (Print-dnb-icon.gif gedruckte Ausgabe)
DNB-icon.gif Deutsche Nationalbibliothek (Online-dnb-icon.gif elektronische Ausgabe)


Zusammenfassung

Der Elsässer Albert Lux wird, nachdem er im Ersten Weltkrieg als Pilot der deutschen Luftwaffe unter Hermann Göring diente, 1933 in Deutschland wegen vermeintlicher Spionage und Landesverrats festgenommen. In seinen „Selbsterlebnisse[n] eines Elsaessischen Soldaten des Weltkrieges“ – wie der Untertitel heißt – berichtet er vor allem von seiner Inhaftierung in verschiedenen Gefängnissen bis August 1936 und seinem wehrhaften Auftreten in der Gefangenschaft.

Zunächst schildert Lux allerdings in der ersten Hälfte des Buchs ausführlich seine Zeit als Pilot im Ersten Weltkrieg: seine Ausbildung, seine Begeisterung für waghalsige Flugmanöver und seinen Einsatz für die Deutschen im Ersten Weltkrieg an der Ost- und Westfront. Genau beschreibt er Taktiken und Luftschlachten, die er unter Führung Görings geschlagen hat. Dabei entwirft er von sich das Bild eines kernigen, begeisterungsfähigen, ehrlichen, nicht obrigkeitshörigen, kameradschaftlichen und geschickten Fliegers und Menschen. Er gibt aber auch freimütig seine Fehler oder Ängste – etwa beim ersten Frontflug – vor dem Leser zu. Nach seiner Rückkehr aus dem Krieg, der oft mehr als ein Spiel beschrieben ist, misslingt ihm die Wiedereingliederung in die Gesellschaft: Das Elsass gehört nun zu Frankreich und er als steter Verteidiger der Deutschen wird häufig angefeindet. So kann er auch den Nachrichten „über die angeblichen Greuel“ (S. 146) in Deutschland nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten nicht glauben und möchte sich selbst bei Besuchen in Deutschland einen Eindruck verschaffen. In Kehl wird er dabei am 3. April 1933 jedoch durch die Gestapo verhaftet, der Spionage verdächtigt und für drei Jahre im Zuchthaus Bruchsal bei Karlsruhe inhaftiert. Lux ist schockiert: „Noch vor einigen Stunden hielt ich die Misshandlungen eines Gefangenen in Deutschland für ausgeschlossen und jetzt suchte ich schon ängstlich die Wände meiner Zelle nach Blutspuren ab“ (S. 155). Während der Haft verhält er sich trotzig, lässt sich kaum Vorschriften machen und wehrt sich verbal und auch körperlich gegen Übergriffe. Dies zehrt körperlich und seelisch an ihm; er wird zum Außenseiter. Ausführlich beschreibt Lux die Verhöre, bei denen die Beamten davon ausgehen, er sei ein geschulter Spion für Frankreich. Seinen Beteuerungen und Erklärungen, dass er wirklich nur nach Deutschland gekommen sei, um sich einen persönlichen Eindruck zu verschaffen, wird kein Glaube geschenkt – zu viele Beweise scheinen gegen ihn zu sprechen. Zudem verschärfen unbedachte Aussagen seinerseits und Falschaussagen von Bekannten seine Situation. Im Juli 1933 wird Lux in das Bezirksgefängnis in Karlsruhe verlegt und auf der Fahrt „hörte und sah ich Dinge, die ich früher nie von Deutschland für möglich gehalten hätte“ (S. 192). Im Gefängnis reift in ihm die Überzeugung, dass sein Todesurteil bereits feststehen müsse, und er wird zornig: „Da nun in meiner Lage keine Wendung kam, beschloss ich, mich wenigstens durch Frechheit bemerkbar zu machen“ (S. 194). Deswegen beginnt er in seiner Zelle zu wüten, er schreit Beleidigungen gegen Göring aus seinem Gitterfenster und bricht erschöpft zusammen. Lux wird auch Opfer von Prügelattacken, da sich andere, vornehmlich ‚kriminelle‘ Gefangene an ihm rächen, weil er ihre Versuche durch vorgetäuschte Begeisterung für den Nationalsozialismus Vergünstigungen zu erhalten, heftig kritisiert.

Wegen seiner Ausbrüche lässt der Gefängnisdirektor Lux in die Psychiatrische Strafanstalt Bruchsal verlegen. Er glaubt zunächst, in einem Konzentrationslager zu sein, weil „die Leute hier nicht in Zellen waren und weil sie, wie ich gleich bemerkte, mehr Freiheit genossen“ (S. 202). Lux erholt sich langsam, doch meidet er die anderen Gefangenen aus Angst vor Spitzeln. Denn auch hier wird er immer wieder nachts durch seine Mithäftlinge „halb ohnmächtig geschlagen“ (S. 203), sodass er sogar notoperiert werden muss. Er sieht sich als „[u]nbequeme[n] Mensch[en]“, dem „man mit den Gesetzen nicht beikommen kann“, weshalb man ihn „in ein Irrenhaus“ (alle Zitate ebd.) einsperre. Im November 1933 findet schließlich seine Verhandlung statt, die Lux als „Scheinjustiz“ und „schlechte Komödie“ (beide Zitate S. 208) mit lügenden Zeugen wahrnimmt. Er legt dar, dass die Anschuldigungen nicht zutreffen, da bereits die angenommenen Daten falsch seien: „Ich war fassungslos, wie betäubt, nicht fähig, ein Wort zu sagen. Eine grenzenlose Wut beschlich mich zuerst, dann aber wurde mir zum Brechen weh. […] Fast alles war gelogen“ (S. 214). Um eine abschreckende Wirkung für alle Elsässer zu demonstrieren, wird Lux zu drei Jahren Zuchthausstrafe im Männerzuchthaus in Bruchsal verurteilt. Diese Zeit beschreibt er im dritten Teil seiner Erinnerungen: die Ankunft, die Räumlichkeiten, die Arbeit in der Gefängnisdruckerei und der Weidenabteilung, das Essen, die Einsamkeit in der Zelle und die wenigen brieflichen Kontakt zur Außenwelt. Einzelne Mithäftlinge und ihr Schicksal schildert er ausführlicher. Besonders betont er den Unterschied zwischen jenen Häftlingen, die wegen Mordes einsitzen, ehemaligen SS-Männern, die wegen verschiedener, meist finanzieller Vergehen inhaftiert sind, und den politischen Häftlingen. Letztere werden etwa für ihre Taten hart durch Folter bestraft. Auch in diesem Gefängnis wehrt sich Lux, schlägt zum Beispiel „vor dem Aufseher einen solchen Krach, dass ihm Angst und Bange wurde“ (S. 231), betont seine „absolut[e] Furchtlosigkeit vor dem Direktor“ (S. 238) und streitet sich immer wieder mit Mitgefangenen und Aufsehern. Dennoch solidarisieren sich andere Häftlinge und sogar einzelne Aufseher über die Zeit hinweg mit ihm. Seine Deutschlandliebe, so betont er an vielen Stellen, ist ihm durch die Haftzeit allerdings endgültig ausgetrieben worden; er grenzt sich durch seine Integrität und seine Moral scharf von den herrschenden Nationalsozialisten ab. Die Jahre vergehen nur langsam und da er nicht geständig ist, wird seine Haftzeit nicht verkürzt. Lux rafft die Schilderung dieser Zeit stark und kommt rasch auf seine Freilassung im August 1936 zu sprechen. Besonders thematisiert er die letzten Tage bis zu seiner Entlassung, seine Vorfreude, schließlich die Heimreise per Zug sowie den ersten Tag in Freiheit: „Wie konnten nur so viele Leute sich frei und ungehindert bewegen? Ich konnte mich gar nicht mehr so recht einfinden in dieses Leben der Freien. Mein Gemüt stand noch zu stark unter den Eindrücken des Erlebten, und das Begreifen des Neuen ging schwer von statten“ (S. 304). Seine Erinnerungen schließt er mit einer direkten Ansprache an die Deutschen im Allgemeinen und an Göring im Besonderen: Dieser werde seine Schuld einsehen müssen und einer persönlichen Abrechnung nicht entgehen.

Die Bekanntschaft mit Hermann Göring, den er bereits 1915 kennenlernt, stellt Lux ausführlich dar. Ab November 1917 fliegt Lux in dessen Staffel und rettet ihm sogar das Leben. Er beschreibt ihn als ordentlich, streng, tapfer, selbstbewusst und leutselig. Dennoch beobachtet er überrascht den Aufstieg Görings in der NSDAP. Nach seiner Verhaftung 1933 hofft Lux auf Görings Hilfe, die jedoch ausbleibt. Die „gute Meinung von ihm und mein grenzenloses Vertrauen [wurde mir] nach vielen Jahren schlecht belohnt“ (S. 99). So ist auch der zweite Teil seiner Erinnerungen über die Verhaftung 1933 und die Inhaftierung im Zuchthaus Bruchsal ironisch mit „Goerings Dank“ (S. 133 und S. 219) betitelt.

Lux schildert zudem ausführlich die Geschehnisse seines Lebens bis 1936. Dabei versucht er, den Leser durch seine Erzählweise zu fesseln: Er beschreibt Sinneseindrücke, baut Spannungsbögen auf und bedient sich einer saloppen Sprache. So schreibt er etwa: „Also Bahn frei, Vollgas und los“ (S. 52). Die Zeit seiner Haft gibt er vor allem durch zahlreiche Dialoge und Verhörszenen wider.


Biografie

Albert Josef Lux (geb. 10.03.1896 in Kronenburg bei Straßburg) wuchs als sechstes Kind eines Lohnkutschers im Elsass auf. Er kämpfte als Elsässer in der deutschen Armee während des Ersten Weltkriegs als Flieger unter anderem in der Staffel von Hermann Göring. Nach Kriegsende kehrte er im Juni 1919 zurück in seine Heimat. Dort fiel es ihm schwer, sich in die nun profranzösische Gesellschaft einzugliedern; mit seiner Ehefrau Jeanne, die er 1926 heiratete, zog er oft innerhalb des Elsass um. Lux arbeitete als Automechaniker und war in Kreisen, die sich für eine Autonomie des Elsass einsetzten, tätig. Vermutlich war er mehrmals inhaftiert, so 1922 für einen Monat in Dessau und vom 15. September bis zum 4. Oktober 1932 in Frankreich. Bei einem Besuch in Deutschland wurde Lux am 3. April 1933 – andere Quellen nennen den 22. März 1933 – festgenommen und in Bruchsal inhaftiert. Man warf ihm vor, für Frankreich SS-Unterkünfte ausspioniert zu haben. Das Gericht verurteilte ihn zu einer Haftstrafe von drei Jahren, die er in zwei Bruchsaler Gefängnissen verbrachte. Zwischenzeitlich wurde er in eine psychiatrische Strafanstalt verlegt, da er im Gefängnis Wutanfälle hatte. Bis zu seiner Entlassung am 2. August 1936 verblieb er im Gefängnis in Bruchsal. Über sein weiteres Leben ist bisher in der Forschung nichts bekannt.

Quellen:

  • Lux, Albert: Von Goerings Kriegsflugstaffel in Goerings Zuchthäuser. Zehn Jahre Lebensgeschichte eines Elsässers. Straßburg 1938.
  • „Lux, Albert Josef“. In: Archives de la Ville et de la Communauté urbaine Strasburg 1207/2014 LP/SR. Wohnkarteikarten: 603 MW 527: periode 1919-1939.




Bearbeitet von: Christiane Weber