Was mich bewegte... (1946)

Aus Frühe Texte der Holocaust- und Lagerliteratur 1933 bis 1949
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Angaben zum Werk

Titel Was mich bewegte
Autor Sattler, Fritz (1896-1964)
Genre Gedichtsammlung

Ausgaben des Werks

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Ausgabe von 1946, Weimar
Titel Was mich bewegte

Erscheinungsort Weimar
Erscheinungsjahr 1946

Verlegt von Thüringer Volksverlag
Gedruckt von J.W. Müllers Buchdruckerei
Publiziert von Sattler, Fritz (1896-1964)

Umfang 35 Seiten

Bibliotheksnachweise UBGI-icon.gif UB Gießen (Print-dnb-icon.gif gedruckte Ausgabe)
DNB-icon.gif Deutsche Nationalbibliothek (Print-dnb-icon.gif gedruckte Ausgabe)


Zusammenfassung

In dem kurzen Gedichtband versammelt der Autor Gedichte aus seiner zehnjährigen politischen Haft während der Zeit des Nationalsozialismus. Von 1935 bis 1945 verbrachte er sieben Jahre im Zuchthaus Waldheim und drei Jahre im Konzentrationslager Sachsenhausen.

Die 25 Gedichte sind unterteilt in vier Abschnitte, die die Überschriften „O Heimat“, „Rund um den Goldfischteich des Zuchthauses Waldheim“, „Von Sternen, Wolken und vom Strom der Zeit“ sowie „Unerschüttert“ tragen. Die einzelnen Gedichte sind jeweils mit dem Datum der Entstehung versehen. Die Gedichte zeichnen sich überwiegend durch vierversige Strophen mit End- und Kreuzreimen aus, der Autor folgt diesem Schemata jedoch nicht starr. Vereinzelt finden sich auch andere Versstrukturen, etwa umarmende Reime oder Schweifreime.

Die Gedichte des Abschnitts „O Heimat“ sind im Zeitraum vom 14. Juni 1936 bis zum 25. Dezember 1939 entstanden und behandeln nostalgische und sehnsuchtsvolle Erinnerungen an die Heimat in der Suhler Schweiz. Der zweite Abschnitt „Rund um den Goldfischteich des Zuchthauses Waldheim“ beinhaltet Gedichte, die vom 15. Dezember 1935 bis zum 20. April 1940 datieren. Naturschilderungen, Jahreszeiten und Temperaturen spielen hier eine große Rolle. Häufig wiederkehrende Bilder sind die des Brunnens und Teiches. Der Brunnen versinnbildlicht die unerschöpfliche Quelle von Erinnerungen, Gedanken und Gefühlen des Autors wie etwa in dem Gedicht „Mein Brunnen“: „Ich weiß von einem Brunnen / den schöpf‘ ich nimmer leer, / der spendet Trost und Labung, / erquickt mich mehr und mehr“ (S. 14). Der Brunnen ist eine Kraftquelle und bietet eine Möglichkeit, der Realität für kurze Zeit zu entfliehen. So heißt es im Gedicht „Wunschgedanken“: „Hoch überspannend Raum und Zeit / blieb mir noch nebst der Wirklichkeit / der kühne Flug der Wunschgedanken; / der täglich trotz der festen Schranken / mich trägt von meines Brunnen Rand / in meiner Sehnsucht weites Land“ (S. 16). Der Teich, der offenbar im Hof des Gefängnisses liegt, wird ebenfalls wiederholt thematisiert. So verarbeitet der Autor den Tod eines Goldfisches aus dem Teich in dem Gedicht „Ein Goldfisch ist gestorben“. In dem Gedicht „Die neue Wasserkunst“ bietet der Teich den Häftlingen etwas Ablenkung und Freude von dem sich immer gleichenden tristen Alltag: „Jeder, der zum Teich hinlunzt‘, / freut sich köstlich am Gefunkel / uns’rer neuen Wasserkunst. […] Wie erhellten sich die Mienen! / Keiner trug den Kopf gesenkt / und es war, wie wenn uns allen / eine Freude sei geschenkt“ (S. 19).

Der Teil „Von Sternen, Wolken und vom Strom der Zeit“ enthält drei Gedichte, die zwischen dem 18. Dezember 1938 und 1. Juli 1939 entstanden sind und die sich thematisch mit dem Kreisen von Sternen auf ihrer Umlaufbahn im Weltall und dem Ziehen der Wolken am Himmel, aber auch mit dem unabänderlichen Fließen der Zeit beschäftigen. Sie symbolisieren die Endlosigkeit von Zeit und Raum, aber auch die Vergänglichkeit und Veränderbarkeit von Dingen, wie etwa in „Vom Strom der Zeit“ formuliert wird: „Also rinnen auch die Fluten / Zeitenstroms seit Urbeginn; stürm’sche Jahre folgen guten, / niemand weiß des Wechsels Sinn“ (S. 24).

Im letzten Abschnitt „Unerschüttert auch im Konzentrationslager“, der Gedichte vom 24. Dezember 1942 bis zum 4. März 1945 enthält, setzt sich der Autor konkreter mit der Situation im Konzentrationslager auseinander. Deutlich geht aus den Versen die Hoffnung des Autors auf eine glückliche Zukunft hervor, die er auch bereits in einem, dem Gedichtband vorangestellten Motto anklingen lässt. In den Jahren seiner Haft sei leuchtend das Wort „Trotz alledem!“ (o.S.) vor ihm gestanden. In „Herbstgedanken“ formuliert er die starke Sehnsucht nach seiner Liebsten und endet mit der hoffnungsvollen Zeile: „Gar bald werd‘ ich nun bei Dir sein!“ (S. 27). Auch in dem 20-strophigen Gedicht „Wir leben konzentriert“, in dem er den zermürbenden Alltag der Häftlinge beschreibt und zahlreiche Begriffe der Lagersprache benutzt, endet er mit einem Ausblick auf bessere Zeiten: „Gemeinsam allen ist jedoch das Hoffen, / daß einmal endet auch die schwere Lagerzeit, / daß einmal uns auch steht das Tor weit offen; / ruft uns die Welt: Sie findet uns zur Tat bereit!“ (S. 29, Hervorhebung im Original) Ebenso endet das Gedicht mit dem Titel „Silvester 1944“ hoffnungsvoll und zuversichtlich: „Daß unentwegt man doch der Zukunft trauen soll, / erscheint die Gegenwart auch noch so trübe; / denn einmal ist das Maß des Hasses übervoll – / und ganz zum Schluß siegt doch die – Menschenliebe!“ (S. 31) In „Wenn das Alte stürzt“ äußert Sattler seine Zuversicht, dass sich auf den Trümmern des Alten eine neue Gemeinschaft erbauen lässt und so die „gelittene Not / erduldete Schmach und auch Schmerzen …“ (S. 32) nicht vergebens sind.

Das letzte Gedicht des Bandes mit dem Titel „Märzstürme“ datiert vom 4. März 1945. Der Sturmwind weht durch das Lager. Er ist für den Autor ein Zeichen der baldigen Veränderung und des Aufbruchs, da er eine neue und bessere Zeit verkündet: „Sie bringen das Alte, Morsche zu Fall, / verwehen auch uns’re Sorgen – “ (S. 34). Die letzte Strophe lautet: „Freu Dich des Sturmes, der heut Dich umbraust / und bleib Dir bewußt Deiner Stärke: / Nicht fern ist der Tag, da freudig Du baust / an der Zukunft heiligem Werke!“ (ebd.)


Biografie

Fritz Sattler (geb. 01.06.1896 in Suhl, gest. 01.11.1964 in Suhl) wurde als Sohn eines Graveurs und eines Dienstmädchens geboren. Nach der Volksschule absolvierte er eine Lehre als Verwaltungsangestellter und war anschließend beim Magistrat der Stadt Suhl tätig. Im August 1919 wurde Sattler Mitglied der USPD und ab 1920 war er Mitglied der KPD.

Ab Januar 1921 übernahm er die Leitung der Druckerei und des Verlages Volkswille. 1928 gründete er den Verlag Arbeiterwille in Suhl und wurde 1929 Leiter des Thüringer Volksverlages Gotha. Am 1. August 1930 wurde er Leiter des KPD-Verlages Tribüne in Magdeburg und vom 8. Juni 1932 bis März 1933 stand er dem KPD-Verlag Kämpfer in Chemnitz vor.

Im Juni/Juli 1933 wurde Sattler in Haft genommen, aber wieder freigelassen. Von 1934 bis 1935 war er als politischer Leiter des KPD-Bezirks Chemnitz illegal tätig. Am 16. April 1935 wurde er erneut verhaftet und am 18. Oktober 1935 durch den Volksgerichtshof in Berlin zu sieben Jahren Zuchthaus in Waldheim verurteilt, von wo er im April 1942 in das KZ Sachsenhausen überstellt wurde.

Nach dem Krieg war Fritz Sattler vom 1. August 1945 bis zum 18. September 1946 zweiter Bürgermeister und Polizeidezernent der Stadt Suhl. Vom 19. September 1946 bis zum 25. November 1946 war er als kommissarischer Landrat des Landkreises Eichsfeld in Heiligenstadt und vom 26. November 1946 bis 31. Dezember 1947 erneut als zweiter Bürgermeister der Stadt Suhl eingesetzt. 1948 war er Bürgermeister der Stadt Zella-Mehlis. Außerdem war er von 1946 bis 1950 Abgeordneter des Thüringer Landtages und wurde Hauptabteilungsleiter im Thüringer Finanzministerium in Weimar, später in Erfurt. Von 1952 bis 1958 war er Bezirksratsvorsitzender für den neugebildeten Bezirk Suhl. Von 1952 bis 1964 war Sattler Abgeordneter des Bezirkstages Suhl und Mitglied der Bezirksleitung Suhl der SED. Zudem war Sattler von 1959 bis 1964 Vorsitzender der Bezirkskommission Suhl zur Erforschung der Geschichte der örtlichen Arbeiterbewegung.

Quelle:


Werkgeschichte

Im Vorwort vom März 1946 schreibt Sattler, er habe einzelne Gedichte in der „Thüringer Volkszeitung“ veröffentlicht, die so gut aufgenommen wurden, dass man aus „fast allen Bevölkerungskreisen“ an ihn herantrat „mit dem Wunsch, ich solle doch eine Auslese der Gedichte in Buchform herausgeben“ (Sattler 1946, o.S.).

Quelle:

  • Sattler, Franz: „Vorwort“. In: ders.: Was mich bewegte, Weimar 1946, o.S.



Bearbeitet von: Charlotte Kitzinger