Weil, Grete (1906-1999)

Aus Frühe Texte der Holocaust- und Lagerliteratur 1933 bis 1949
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Name Weil, Grete

Geschlecht weiblich
Geburtsdatum 18. Juli 1906
Geburtsort Rottach-Egern
Sterbedatum 14. Mai 1999
Sterbeort München
Tätigkeit Librettistin, Übersetzerin, Schriftstellerin, Autobiografin
Externe Referenzen Deutsche Nationalbibliothek Virtual International Authority File Deutsche Biographie Wikidata

Biografie

Grete Weil (geb. 18.07.1906 in Rottach-Egern, gest. 14.05.1999 in Grünwald bei München) wurde als Margarethe Elisabeth Dispeker in eine angesehene, assimiliert-jüdische großbürgerliche Familie geboren. Ihr Vater, Siegfried Dispeker, war in München ein angesehener Rechtsanwalt. In seinem Haus verkehrten zahlreiche Künstler und Intellektuelle. Grete Weil besuchte das Gymnasium, scheiterte jedoch an der Abiturprüfung. Diese holte sie in Frankfurt am Main nach und studierte anschließend Germanistik in München, Berlin und Paris. Die Geschwister Erika und Klaus Mann zählten zu ihrem Freundeskreis.

1923 floh ihr Vater mit Grete im Zuge des Hitlerputsches nach Grainau am Fuße der Zugspitze zu Verwandten, kehrte jedoch nach einigen Tagen nach München zurück. Im gleichen Jahr begann Weil eine Dissertation über die Entwicklung des Bürgertums am Beispiel des zwischen 1786 und 1827 erscheinenden „Journals des Luxus und der Mode“ und schrieb ihre erste Erzählung „Erlebnis einer Reise“. Sie ist autobiographisch inspiriert und spiegelt die Auflehnung junger Menschen gegenüber den bürgerlichen Moralvorstellungen am Ende der Weimarer Republik wider. Im Juli 1932 heiratete Grete Weil ihren langjährigen Freund, den promovierten Germanisten und an den Münchner Kammerspielen als Dramaturg beschäftigten Edgar Weil. Nachdem er im Zuge der Machtübernahme Hitlers als Jude entlassen und für zwei Wochen in Polizeigewahrsam genommen worden war, musste er in Frankfurt die ‚Arisierung‘ der väterlichen pharmazeutischen Fabrik organisieren. Angesichts dieser Erfahrungen beschloss er, 1933 in die Niederlande zu emigrieren und dort das Unternehmen neu aufzubauen. Grete Weil blieb zunächst in München und absolvierte eine Ausbildung als Fotografin. 1935 folgte sie ihrem Mann nach Amsterdam, wo sie ein Fotostudio betrieb. Zu Grete Weils Bekannten und Freunden zählten in dieser Zeit viele deutsche Emigranten, unter ihnen der Maler Max Beckmann, der Dirigent Bruno Walter sowie der Schriftsteller Albert Ehrenstein.

Nach der Besetzung der Niederlande durch die Wehrmacht im Mai 1940 versuchten Grete und Edgar Weil erfolglos nach England zu fliehen. Am 11. Juni 1941 wurde Edgar Weil bei einer Razzia verhaftet und über das niederländische Lager Schoorl nach Mauthausen gebracht, wo er im September 1941 ermordet wurde. Grete Weil nahm Kontakt zu Widerstandsgruppen auf und fertigte für sie Fotos für gefälschte Personalausweise. Um überleben und ihre mittlerweile ebenfalls nach Amsterdam geflüchtete Mutter schützen zu können, ließ sich Grete Weil als Mitarbeiterin des Amsterdamer Judenrates (‚Joodsche Raad‘) anstellen. Zunächst arbeitete sie in der von der SS geführten ‚Zentralstelle für jüdische Auswanderung‘ als Fotografin, später war es ihre Aufgabe, für die wöchentlich zum Abtransport in die Todeslager gefangen genommenen Juden Briefe zu schreiben. Am 29. September 1943 sollte Grete Weil selbst deportiert werden. Sie konnte fliehen und tauchte bei einem Freund, dem deutschen ‚Halbjuden‘ Herbert Meyer-Ricard, unter. In seiner Wohnung, wo sie nachts hinter einer Bücherwand schlief, wartete sie achtzehn Monate auf das Ende der deutschen Besatzung und fälschte Lebensmittelkarten. Die Befreiung erlebte sie bei einer Freundin in der Prinsengracht in Amsterdam.

Während ihrer Zeit im Versteck hatte Grete Weil ihr seit 1933 ruhendes Schreiben wieder aufgenommen. Neben dem – auf ihren Wunsch hin unveröffentlichten – Roman „Der Weg zur Grenze“ verarbeitete sie mit dem Theaterstück „Weihnachtslegende“ 1943 ihre Erfahrungen im Amsterdamer Exil und im Untergrund. 1945 erschien der Text unter dem Pseudonym B. v. Osten unter dem Titel „Das gefesselte Theater – Het marionettentooneel der ‚Hollandgruppe’ speelt voor onderduikers“ (dt. Das Marionettentheater der ‚Hollandgruppe‘ spielt für Untergetauchte) als Privatdruck und erste Veröffentlichung Grete Weils in Amsterdam.

Nach der Befreiung blieb Weil zunächst in Amsterdam. Auch ihre Mutter und ihr Bruder hatten den Holocaust überlebt. Als Staatenlose durfte sie jedoch vorerst nicht nach Deutschland zurückkehren. Zunächst versuchte sie in Amsterdam, die pharmazeutische Fabrik ihres Mannes wieder aufzubauen. Im Herbst 1946 unternahm sie heimlich eine erste Reise nach Frankfurt und traf dort ihren Jugendfreund Walter Jokisch wieder. Nachdem sie in Amsterdam als Widerstandskämpferin anerkannt worden war und einen niederländischen Pass erhalten hatte, kehrte sie 1947 nach Deutschland zurück. Sie ließ sich in Darmstadt nieder, wo Walter Jokisch als Opernregisseur arbeitete. 1960 heiratete das Paar und blieb bis zu Jokischs Tod 1970 zusammen. Weil war in den sechziger Jahren vorwiegend als Übersetzerin tätig. Ihr Ziel war es, in ihrer Heimat ‚gegen das Vergessen‘ anzuschreiben. In ihrer noch in Amsterdam geschriebenen Erzählung „Ans Ende der Welt“ legte sie zum ersten Mal Zeugnis über die Verfolgung der niederländischen Juden ab. 1949 erschien das Werk im Ostberliner Verlag Volk und Welt, 1962 dann erstmals in Westdeutschland. 1963 vollendete Grete Weil den Roman „Tramhalte Beethovenstraat“, in dem sie sich mit den Kriegs- und Nachkriegserfahrungen von Deutschen, jüdischen Deutschen und Niederländern auseinandersetzte. In den Niederlanden stieß der Roman – im Gegensatz zu Deutschland – schnell auf breites Interesse.

Nach dem Tod ihres Mannes beschäftigte sich Grete Weil in dem Roman „Meine Schwester Antigone“ von Neuem mit der Zeit des besetzten Amsterdams und der Judenverfolgung. Mit dem Roman, der 1980 erschien, schaffte sie den literarischen Durchbruch.

1974 zog Weil nach Grünwald bei München. Nach Arbeiten als Librettistin schrieb sie Theater-Rezensionen, einige Essays und Übersetzungen englischsprachiger Autoren. In „Generationen“ (1983) beschreibt sie das Scheitern einer Utopie anhand einer Wohngemeinschaft, in der drei Frauen unterschiedlichen Alters zusammenleben wollen. „Meine Krankheit heißt Auschwitz, und die ist unheilbar“, heißt es in diesem Roman, der wie all ihre Werke autobiographisch geprägt ist. Im nachfolgenden Roman „Brautpreis“ (1988) und im Erzählband „Spätfolgen“ (1992) setzt sie sich wieder mit jüdischen Identitäten auseinander. 1998 veröffentlicht sie ihre Autobiographie „Leb‘ ich denn, wenn andere leben?“ In ihrem Todesjahr 1999 wurde ihre frühe Erzählung „Erlebnis einer Reise“ (1932) erstmalig publiziert.

Grete Weil, die Mitglied des PEN-Zentrums der Bundesrepublik Deutschland war, erhielt zahlreiche Auszeichnungen. 1980 wurde ihr der Wilhelmine-Lübke-Preis verliehen, 1983 bekam sie den Tukan-Preis der Stadt München und 1988 den Geschwister-Scholl-Preis. 1993 erhielt sie die Medaille „München leuchtet“ und 1995 die Carl-Zuckmayer-Medaille sowie 1996 den Bayerischen Verdienstorden.

Quellen: