Weltanschauung ohne Menschenwürde (1946)

Aus Frühe Texte der Holocaust- und Lagerliteratur 1933 bis 1949
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Angaben zum Werk

Titel Weltanschauung ohne Menschenwürde
Autor Klotz, Anton (1889-1961)
Genre Bericht

Ausgaben des Werks

Ausgabe von 1946, Innsbruck
Titel Weltanschauung ohne Menschenwürde

Erscheinungsort Innsbruck
Erscheinungsjahr 1946
Auflage Erstauflage

Verlegt von Tyrolia-Verlag

Publiziert von Klotz, Anton (1889-1961)

Umfang 31 Seiten
Abbildungen 4 Fotos

Bibliotheksnachweise UBGI-icon.gif UB Gießen (Print-dnb-icon.gif gedruckte Ausgabe)
DNB-icon.gif Deutsche Nationalbibliothek (Print-dnb-icon.gif gedruckte Ausgabe)

Zusammenfassung

Die kurze, journalistische Abhandlung von Anton Klotz enthält neben einführenden theoretischen und unpersönlichen Überlegungen zur Entstehung und Wesen des Nationalsozialismus auch einen nur wenige Seiten umfassenden Bericht über das Konzentrationslager Buchenwald, der auf den eigenen Erlebnissen des Autors beruht. Klotz war von 1938 bis 1941 in Buchenwald inhaftiert. Dabei beschränkt sich Klotz durchgehend auf sachliche und erklärende Darstellungen.

Nach der Katastrophe sei nun Besinnung angebracht, beginnt er seine Ausführungen. Es müsse die leidenschaftslose, aber sichere Antwort gegeben werden, wie sich die Wiederholung eines solches Unglücks vermeiden lasse. Dafür sei es jedoch notwendig, die tiefer wirkenden Mächte zu benennen, die dem Nationalsozialismus den Boden bereitet hätten. Denn Hitler habe die nationalsozialistische Idee keineswegs selbst erfunden, sondern vielmehr finde man bei ihm „den dröhnenden Widerhall von allen Irrtümern, die während der vergangenen vier Jahrhunderte von deutschen Philosophen in die Welt gesetzt wurden“ (S. 4). Zu den geistigen Wegbereitern zählt Klotz vor allem Martin Luther, Richard Wagner, Friedrich Nietzsche, Richard Chamberlain und Oswald Spengler. Der preußische Militarismus mit seiner Auffassung, dass der Krieg kein Unglück, sondern vielleicht sogar den höchsten Wert für ein Volk oder eine Rasse, wie es der Nationalsozialismus verstand, darstelle, ist eine weitere Grundlage der nationalsozialistischen Idee. Die Vorstellung, dass die ‚alten‘ Völker abgedient hätten und die Deutschen zu den ‚jungen Völkern‘ - einem „Volk ohne Raum“ (S. 10) jedoch – gehöre, die nun ihre Ansprüche geltend machten, sei genährt worden, um die Volksmassen für den Krieg zu mobilisieren. Friedrich II, Friedrich Ludwig Jahn, auch „Turnvater Jahn“ genannt, und Bismarck hätten diese Militarisierung entscheidend vorbereitet. Der ‚Wehrgedanke‘ als elementares Recht eines Volkes, seine physische Existenz zu verteidigen, verberge in Wahrheit jedoch nur gewöhnliche Raub- und Besitzgier.

Erst zum Schluss der Abhandlung kommt Klotz auf die Konzentrationslager und seine persönlichen Erfahrungen in Buchenwald zu sprechen. Methodische Grausamkeit sei eines der wesentlichen Merkmale des Nationalsozialismus: „Nationalsozialismus und Bestialität sind für immer zu einer unlösbaren Begriffseinheit verschmolzen“ (S. 17), so Klotz. Die Leugnung der Menschenwürde und das systematische Morden vom Schreibtisch aus, gepaart mit Willkürherrschaft, mache den totalen Staat aus.

Grob umreist er die Lebensbedingungen der Häftlinge in Buchenwald. Am Beispiel eines im November 1939 gestohlenen Ferkels veranschaulicht er die geringe Wertschätzung eines Menschenlebens im Lager. Da der Dieb des Ferkels sich nicht freiwillig meldet, erhalten 15.000 Häftlinge drei Tage lang kein Essen – für viele der ohnehin entkräfteten Menschen bedeutet dies den Tod. „Welch anderer Schluß kann gezogen werden, als daß dem Lagerkommandanten von Buchenwald ein totes Spanferkel wertvoller erschien, als 15.000 lebendige Menschen“ (S. 25). Die Verhöhnung der Menschenwürde habe sich auch an den sogenannten Lagerstrafen wie etwa dem ‚Bock‘ oder dem ‚Bäumchen‘ gezeigt. Auf dem Bock erhielten gut ein Drittel der Häftlinge – so Klotz – 25 bis 50 Hiebe, am ‚Bäumchen‘ wurden die Häftlinge mit verschränkten Armen an einen Baum gefesselt, so dass sie ganze Körperlast an den Gelenken zerrte.

Der Bericht endet mit einem Appell, die Menschenwürde zu achten: „Die Menschlichkeit dieses Ideals einer echten Humanität, die Achtung vor dem Menschenleben, die Achtung vor dem Königsgeschenk des freien Willens, die von den höchsten Ideen geforderte Menschenliebe, müssen unseren öffentlichen Verhältnissen wieder innewohnen, wenn wir auf einem sicheren Boden unsere Zukunft erbauen wollen“ (S. 31).

Der Bericht enthält vier Fotografien, die entkräftete und ausgemergelte Häftlinge aus dem Konzentrationslager zeigen.

Biografie

Anton Klotz, geb. am 27. September 1889 in Tannheim, gest. am 10. Februar 1961 in Innsbruck, begann nach dem Gymnasium in Brixen 1909 ein Studium an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Innsbruck. Dort trat er auch der katholischen Studentenverbindung Raeto-Bavaria bei. Schon während des Studiums war er journalistisch tätig und arbeitete nach dem Studium bei der Verlagsanstalt Tyrolia. Bald nach Beginn des Ersten Weltkriegs wurde er zur k.u.k. Armee einberufen, wo er schließlich zum Oberleutnant der Reserve aufstieg. Nach Kriegsende arbeitete er bei verschiedenen Südtiroler Zeitungen, etwa bei der „Brixener Chronik“ und beim „Tiroler“. Wegen seines Engagements für die Rechte der deutschsprachigen Bevölkerung wurde er 1921 von Italien ausgewiesen. 1922 wurde er Chefredakteur des „Allgemeinen Tiroler Anzeigers“. 1936 wurde er von Bundeskanzler Kurt von Schuschnigg als Leiter des Bundespressedienstes im Bundeskanzleramt nach Wien geholt. Aufgrund dieser Tätigkeit wurde er nach dem Anschluss im März 1938 verhaftet und ins Polizeigefängnis Wien eingeliefert. Am 25. September 1938 wurde er in das Konzentrationslager Buchenwald überstellt. Hier war er zeitweise im Tischlereikommando eingesetzt. Nach seiner Entlassung am 8. Mai 1941 kehrte er nach Tirol zurück, wo er Kontakte zur Widerstandsgruppe Anton von Hradetzky unterhielt.

Aufgrund seines Widerstands gegen das nationalsozialistische Regime und seiner dreijährigen Haft im KZ Buchenwald wurde er nach Kriegsende 1945 Gründungs-Chefredakteur der Tiroler Tageszeitung. Er baute die Zeitung zur führenden Zeitung Tirols aus, die er bis zu seinem Tod leitete.

Quelle:



Bearbeitet von: Charlotte Kitzinger