Wiechert, Ernst (1887-1950)

Aus Frühe Texte der Holocaust- und Lagerliteratur 1933 bis 1949
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Name Wiechert, Ernst

Geschlecht männlich
Geburtsdatum 18. Mai 1887
Geburtsort Piersławek
Sterbedatum 24. August 1950
Sterbeort Stäfa
Tätigkeit Schriftsteller, Librettist, Studienrat, Offizier, Lehrer, Widerstandskämpfer, Dichter, Dramatiker
Externe Referenzen Deutsche Nationalbibliothek Virtual International Authority File Deutsche Biographie Wikidata

Biografie

Ernst Wiechert (geb. 18.05.1887 im Forsthaus Kleinort/Ostpreußen, gest. 24.08.1950 in Uerikon/Schweiz) wurde als Sohn des Försters Emil Martin Wiechert geboren. Er begann früh, sich für Religion, Literatur und Musik zu interessieren und spielte ebenfalls Klavier und Geige. Von 1905 bis 1911 studierte Wiechert Naturwissenschaften, Englisch, Erdkunde, Philosophie und Deutsch an der Albertus-Universität in Königsberg; das Staatsexamen für das höhere Lehramt legte er 1911 ab. 1912 heiratete er Meta Mittelstädt; ihr gemeinsamer Sohn Ernst-Edgar starb nur einen Tag nach der Geburt im November 1917. Von 1914 bis 1918 war Ernst Wiechert als Soldat im Ersten Weltkrieg in Russland und Frankreich stationiert, 1919 kehrte er nach Königsberg zurück und war bis 1930 als Lehrer angestellt.

1932 heiratete er nach dem Selbstmord seiner ersten Frau noch einmal und ließ sich 1934 pensionieren, um sich seiner Tätigkeit als freier Schriftsteller intensiver zu widmen. Sein Debüt „Die Flucht“ wurde unter dem Pseudonym Ernst Barany Bjell bereits 1916 veröffentlicht, es folgten zahlreiche Romane und Dramen, die in mehrere Sprachen übersetzt wurden. Für den Kriegsroman „Jedermann, Geschichte eines Namenlosen“ erhielt Ernst Wiechert 1932 den Schünemann-Preis, für „Die Magd des Jürgen Doskocil“ den Volkspreis der Wilhelm-Raabe-Stiftung. Den Nationalsozialisten erschien er zunächst als „verwandter Geist“ (Ehrke-Rotermund 2011, S. 382) und seine Neuerscheinungen wurden „uneingeschränkt positiv aufgenommen“ (ebd.). Zum Bruch mit der NS-Regierung kam es spätestens durch einen Vortrag, der von der NS-Studentenschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität organisiert wurde. Bei einer Rede am 16. April 1935 nahm er unter dem Titel „Der Dichter und die Zeit“ auch Bezug auf die tagespolitischen Entwicklungen unter der nationalsozialistischen Regierung und übte Kritik an der aktuellen Kultur- und Erziehungspolitik. Im Oktober 1933 hatte er sich bereits geweigert, eine Liste von „88 deutsche[n] Schriftsteller[n], die durch ihre Unterschrift dem Reichskanzler Adolf Hitler Treue gelobten“ (Franke 2003, S. 34) zu unterschreiben. 1936 reiste er in verschiedene europäische Länder, um aus seinen Werken vorzutragen.

Weil Ernst Wiechert den inhaftierten Pastor Martin Niemöller unterstützte und sich weigerte, an den Wahlen zum ‚Anschluss‘ Österreichs teilzunehmen, wurde er 1938 von der Gestapo verhaftet. Nach einer Haftstrafe im Gefängnis Stadelheim in München, die er am 6. Mai antrat, war er vom 4. Juli bis zum 26. August 1938 im Konzentrationslager Buchenwald inhaftiert, wo er die Häftlingsnummer 7188 erhielt. In Buchenwald war Wiechert im Steinbruchkommando, in der Strumpfstopferei und in der Häftlingsbücherei eingesetzt; auf Grund seiner Prominenz wurden ihm aber gewisse Vorrechte und Erleichterungen zuteil. Nach seiner Entlassung nach acht Wochen aus dem KZ Buchenwald wurde er vom 26. bis 30. August in das Gestapo-Gefängnis nach Berlin verbracht, da Goebbels ihn zu einem Gespräch zitierte, um ihm eine „letzte Warnung“ (zit. nach Pleßke 2014, S. 25), wie es in den Tagebüchern des Propagandaministers heißt, auszusprechen: „Ich lasse mir den Schriftsteller Wiechert aus dem K.Z. vorführen und halte ihm eine Philippika, die sich gewaschen hat. Ich dulde auf dem von mir betreuten Gebiet keine Bekenntnisfront. Ich bin in bester Form und steche ihn geistig ab! Eine letzte Warnung! Darüber lasse ich auch keinen Zweifel. […] Hinter einem neuen Vergehen steht nur die physische Vernichtung. Das wissen wir nun beide“ (ebd.). Wiechert wurde daraufhin zwar entlassen und kehrte auf den Hof Gagert zurück, stand aber bis 1945 unter ‚Gestapoaufsicht‘. Er lebte zurückgezogen in der ‚inneren Emigration‘ und sprach nur selten öffentlich. Da er weiterhin Mitglied der Reichsschrifttumskammer bleiben durfte und auf keiner Liste der verbotenen oder unerwünschten Literaten geführt wurde, legte er 1939 mit „Das einfache Leben“ einen Roman vor, in dem er sich auf Naturbeschreibungen beschränkte und so ein Gegenbild zum NS-Terror entwarf; des Weiteren erschienen Neuauflagen seiner bisherigen Bücher. 1945 trat er mit einer erneuten „Rede an die deutsche Jugend“ an die Öffentlichkeit, in der er an seine früheren Reden anknüpfte, was jedoch kontrovers diskutiert wurde. Wegen zahlreicher Auseinandersetzungen mit anderen Schriftstellern – unter anderem mit der Gruppe 47 – sowie der von ihm geäußerten Kritik an den Deutschen, sie hätten nicht genug gegen das NS-Regime getan, entschied sich Wiechert, 1948 in die Schweiz zu emigrieren. Dort ließ er sich auf dem Rütihof bei Uerikon nieder. Ab 1949 folgten bis zu seinem Tod verschiedene Vortragsreisen in die USA und die Niederlande sowie nach Österreich.

Quellen:

  • Ehrke-Rotermund, Heidrun: „Wiechert, Ernst“. In: Kühlmann, Wilhelm (Hg.): Killy Literaturlexikon. Autoren und Werke des deutschsprachigen Kulturraumes, Band 12. Berlin/Boston 2011, S. 382f.
  • Franke, Manfred (Hg.): Jenseits der Wälder. Der Schriftsteller Ernst Wiechert als politischer Redner und Autor. Köln 2003.
  • Internationale Ernst-Wiechert-Gesellschaft. Online: http://www.ernst-wiechert-international.de/ (Stand: 10.09.2019).
  • „Ernst Wiechert.“ In: Munzinger Online/Personen - Internationales Biographisches Archiv. Online: http://www.munzinger.de/document/00000000324 (Stand: 10.09.2019).
  • Pleßke, Hans-Martin: „Der die Herzen bewegt. Ernst Wiechert. Dichter und Zeitzeuge aus Ostpreußen“. Bockhorn 2014.