Wo seine Zeugen sterben ist sein Reich (1946)

Aus Frühe Texte der Holocaust- und Lagerliteratur 1933 bis 1949
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Angaben zum Werk

Titel Wo seine Zeugen sterben ist sein Reich
Autor Lange, Hermann (1912-1943), Müller, Eduard (1911-1943), Prassek, Johannes (1911-1943), Schäfer, Josef (1902-1994), Stellbrink, Karl Friedrich (1894-1943)
Genre Sonstige

Ausgaben des Werks

Digitalisat in DIGISAM öffnen
Ausgabe von 1946, Hamburg
Titel Wo seine Zeugen sterben ist sein Reich
Untertitel Briefe der enthaupteten Lübecker Geistlichen und Berichte von Augenzeugen

Erscheinungsort Hamburg
Erscheinungsjahr 1946
Auflage 1
Auflagen insgesamt 2

Verlegt von Hansa Verlag
Gedruckt von Adolf Littmann
Publiziert von Lange, Hermann (1912-1943), Müller, Eduard (1911-1943), Prassek, Johannes (1911-1943), Schäfer, Josef (1902-1994), Stellbrink, Karl Friedrich (1894-1943)
Umschlaggestaltung von Hüpper, Heinrich (1886-1965)

Umfang 115 Seiten
Abbildungen 4 Portraitfotografien der Geistlichen

Bibliotheksnachweise UBGI-icon.gif UB Gießen (Print-dnb-icon.gif gedruckte Ausgabe)
DNB-icon.gif Deutsche Nationalbibliothek (Print-dnb-icon.gif gedruckte Ausgabe)


Zusammenfassung

Im Frühling 1942 werden die drei Lübecker Priester Johannes Prassek, Hermann Lange und Eduard Müller sowie der evangelische Pfarrer Karl Friedrich Stellbrink aufgrund ihrer Predigten und Reden gegen den Nationalsozialismus verhaftet und nach ihrer Verurteilung am 10. November 1943 hingerichtet. Josef Schäfer, der ebenfalls als Priester in Lübeck wirkt, sammelt nach dem Krieg die erhaltenen Briefe der Geistlichen aus dem Gefängnis, kommentiert und publiziert sie gemeinsam mit weiteren Texten, um den festen Glauben der Hingerichteten darzustellen.

Zunächst beginnt das Buch mit einer „Einführung“ (S. 11) in die historischen Ereignisse, die vermutlich von Josef Schäfer stammt. Die darauf folgenden Briefe, die unter anderem auch aus dem Gefängnis geschmuggelt wurden, sind dem jeweiligen Geistlichen zugeordnet, der sie verfasst hat. Dabei folgen die Kapitel einem gleichen Aufbau: Die Briefe werden – meist lediglich in Auszügen – mit dem Datum abgedruckt und von Schäfer kommentiert und arrangiert. So werden Briefe und Kommentare in eine Art Dialog gesetzt. Die Adressaten sind die Familien, Gemeindemitglieder, Bischöfe sowie nicht näher genannte Empfänger. Oft gleichen sie kurzen Predigten, in denen der feste Glaube der vier Geistlichen und die Wichtigkeit der Gottesdienste in der Haft betont werden. So heißt es zum Beispiel in einem Brief von Johannes Prassek: „Trotzdem wollen wir gehen, wollen in dem Schweren, was sich uns bietet, keine Zweifel bekommen, sondern erst recht unsere Überzeugung stärken, daß wir auf dem rechten Wege sind. […] Alle, denen Er etwas zutraut, läßt er diesen Weg gehen“ (S. 23f.). Hermann Lange schreibt in gleicher Weise: „Erst das Bewußtsein, daß wir gerade auch in solcher Gefahr in Gottes Hand sind, gab wieder Ruhe und Sicherheit“ (S. 41). Auf die Haftbedingungen gehen die Geistlichen jedoch nicht näher ein.

Neben den persönlichen Briefen wird zudem ein „Charakterbild“ (S. 36) des jeweiligen Verfassers entworfen. So wird Prassek als humorvoll und mutig bezeichnet, Lange als besonders gottestreu und in sich ruhend, Müller als Naturliebhaber und Stellbrink als gebildeter Mensch. Alle eine, so Schäfer, ihr fester Glaube, für Gott gestorben zu sein.

Die weiteren versammelten Texte über das Leben der Priester und des Pfarrers stammen von Freunden und Wegbegleitern, zum Beispiel von einem Jugendlichen aus Langes Jungmännergruppe, der ebenfalls in Haft saß, oder von einer ehemaligen Schülerin aus der Religionsstunde. Über Stellbrink und die Besuche der Familie bei ihm im Gefängnis berichtet seine Tochter Gisela nach dem Krieg. Zudem werden zwei wortähnliche Predigten des katholischen Gefängnispfarrers, die er nach dem Krieg in Gedächtnisgottesdiensten hält, und der Bericht des evangelischen Gefängnispfarrers abgedruckt. Darin thematisieren beide die letzten Minuten der vier Geistlichen vor der Hinrichtung: Prassek, Lange, Müller und Stellbrink seien ruhig in den Tod gegangen und Prassek hätte bereits „das Leuchten einer anderen Welt in den Augen“ (S. 95) gehabt.

Es entsteht ein deutliches Bild der vier Geistlichen, welches sie an allen Stellen als tief gläubig charakterisiert. Dies wird auch im vorangestellten Geleitwort des Osnabrücker Bischofs Dr. Wilhelm Berning deutlich, der die drei katholischen Priester einst geweiht hat. Dort heißt es: „Was sie bei der Priesterweihe gelobt, haben sie in ihrem Leben gehalten und mit ihrem Tode besiegelt. […] Christus hatten sie ihr Leben einst geweiht, für Christus hatten sie gewirkt, mit Christus zu sterben, waren sie bereit“ (S. 8). Mit ihrem festen, lebendigen Glauben werden sie zu Vorbildern in ihrer Lebensbejahung stilisiert. Dabei kommentiert Schäfer teilweise sehr emotional, so sei Müller beispielsweise „mit freudiger Zuversicht zur Hinrichtung [geschritten], ohne Angst, ohne Bitterkeit, umflossen bereits vom Abglanz des Himmelslichtes“ (S. 73).

Ein weiterer wichtiger Punkt, der an vielen Stellen betont wird, ist die ökumenische Gesinnung im christlichen Glauben. Die drei Priester und der Pfarrer kennen sich bereits aus ihrer Zeit in Lübeck und Lange teilt seine Zelle im Gefängnis mit Stellbrink. Schäfer schreibt hierzu: „Das gemeinsam ertragene Leid der letzten Jahre hat die beiden christlichen Kirchen einander näher gebracht“ (S. 42). So unterschiedlich die vier Geistlichen in ihrem Charakter und in ihrer Herkunft auch seien, der Glaube eine sie. Man könne „stolz darauf sein […], daß unser Herr Jesus Christus so ein Priestertum hinterlassen hat!“ (S. 104) Damit verbunden ist die deutliche Anweisung an den Leser, den Glauben weiterzutragen, denn dieser wachse besonders „auf dem Acker der Verfolgungen“ (S. 115).

Autorbiografie

Josef Schäfer (geb. 21.01.1902 in Köln, gest. 08.01.1982 in Trier) wuchs als eines von zehn Kindern in Köln auf. Nach seinem Abitur im Jahr 1921 trat er im April dem Jesuitenorden bei. Nach einer dreijährigen Novizenzeit begann er ein Philosophiestudium am Jesuitenkolleg Valkenburg. In den nächsten Jahren war er als Präfekt in den Kollegien Godesberg und Kalksburg tätig und studierte Theologie. Am 27. August 1932 wurde er schließlich zum Priester geweiht, sein letztes Gelübde legte er am 2. Februar 1935 ab. Von 1934 bis 1941 arbeitete er in Dortmund als Männerseelsorger und Priester. 1941 wurde Schäfer kurzzeitig als Soldat eingezogen, bald jedoch entlassen, da alle Jesuiten aus der Wehrmacht ausgeschlossen wurden. Im Frühjahr 1943 zog Schäfer nach Hamburg und wurde dann nach Lübeck in die Herz-Jesu-Gemeinde versetzt, der bis zu seiner Verhaftung Johannes Prassek als Erster Kaplan vorstand. So erlebte er die ‚Lübecker Christenprozesse‘ vor Ort mit. Nach dem Krieg widmete sich Schäfer der Gemeindearbeit, baute eine Seelsorge auf, gab Religionsunterricht an den Lübecker Gymnasien und bildete katholische Lehrbeauftragte aus. In einem Nachruf heißt es, seine Predigten seien stark besucht gewesen und hätten die Menschen – vor allem auch die katholischen Flüchtlinge aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten – berührt. Ebenfalls engagierte er sich in der Erwachsenenbildung und organisierte 1949 den Ersten Nordischen Katholikentag mit. Im Januar 1960 wechselte Schäfer von Lübeck als Hausgeistlicher zum Kloster Nette in die Nähe von Osnabrück und bildete dort Nonnen aus. Einen Ruf als Studentenseelsorger in Aachen konnte er wegen einer Diabeteserkrankung nicht wahrnehmen; stattdessen ging er 1964 als Priesterseelsorger nach Koblenz. 1968 wurde er ein letztes Mal versetzt: Josef Schäfer wurde Seelsorger im jesuitischen Brüderkrankenhaus Trier, wo er sich für die Patienten ebenso einsetzte wie für das Pflegepersonal; auch hielt er Messen für Patienten der Psychiatrie ab.

Quelle:

  • Fischer, Karl Heinz: „Nachruf“. In: Mitteilungsblatt der Norddeutschen Provinz (1982), Nr. 5, S. 84-88. In: Archiv der Deutschen Provinz der Jesuiten, Abt. 73. Nr. Bd4b.

Werkgeschichte

Aus den Anmerkungen im Buch selbst geht hervor, dass Josef Schäfer im Vorfeld der Bearbeitung die Briefe, welche die Geistlichen aus dem Gefängnis an ihre Familien und Gemeindemitglieder schrieben, sammelte. Er dankt ausdrücklich allen, „die durch Überlassung von Briefen […] das Zustandekommen dieser Schrift ermöglicht haben“ (o.S.). Manche der Briefe wurden aus dem Gefängnis geschmuggelt, wobei auch ein Aufseher half. Zunächst veröffentlichte Schäfer die Schriften in einer Broschüre 1945 im Selbstverlag. 1946 folgte die Ausgabe im Hansa Verlag. Zwar gibt es keine neueren Auflagen, aber der Text wird weiterhin in der Forschung zu den ‚Lübecker Märtyrern‘, wie die vier ermordeten Geistlichen genannt werden, als zeithistorisches Dokument zitiert und genutzt. Die Abschiedsbriefe, von denen es bei Josef Schäfer noch heißt, dass sie verschollen seien, wurden 2004 im Bundesarchiv Berlin gefunden und sind online zugänglich gemacht worden.

Quellen:



Bearbeitet von: Christiane Weber