Wolf, Viktoria (1903-1992)

Aus Frühe Texte der Holocaust- und Lagerliteratur 1933 bis 1949
Wechseln zu: Navigation, Suche
Die Karte wird geladen …
Name Wolf, Viktoria

Geschlecht weiblich
Geburtsdatum 10. Dezember 1903
Geburtsort Heilbronn
Sterbedatum 16. September 1992
Sterbeort Los Angeles
Tätigkeit Schriftstellerin, Journalistin, Drehbuchautorin
Externe Referenzen Deutsche Nationalbibliothek

Biografie

Victoria Wolff (geb. 10.12.1903 in Heilbronn, gest. 16.09.1992 in Los Angeles) wurde als Tochter des jüdischen Lederwarenfabrikanten Jakob Victor in eine der angesehensten großbürgerlichen Familien Heilbronns geboren. Ihr Mädchenname war Gertrud Victoria Victor. Über die Mutter Irma Victor (1879-1965), eine in Laupheim/Württemberg geborene Loewenthal, ist nur wenig bekannt. Gemeinsam mit ihrer zwei Jahre jüngeren Schwester Maja erlebte sie eine unbeschwerte Kindheit. Als Mitinhaber der Lederfabrik Heilbronn Gebrüder Victor war der Vater einer der wichtigsten Arbeitgeber Heilbronns. Auf die schulische Ausbildung der Töchter wurde viel Wert gelegt. Ab 1917 besuchte Victoria die höhere Mädchenschule. 1917 schickten die Eltern sie mit einer ministeriellen Sondergenehmigung auf das Heilbronner Knabenrealgymnasium, scheinbar gegen den Willen Victorias, die offenbar keine große Begabung für Mathematik hatte. Selbst die Nachhilfe von Cousin Albert Einstein scheint hier nur mäßigen Erfolg gehabt zu haben. Bereits als Schülerin begann sie kleine feuilletonistische Beiträge für die lokale „Neckar-Zeitung“ zu schreiben. Mit 16 Jahren erhielt sie ihren ersten Reportage-Auftrag. Nach dem Abitur 1922 begann sie im April desselben Jahres auf Wunsch ihres Vaters, der 1918 überraschend verstorben war und dem an einem handfesten naturwissenschaftlichen Studium seiner Tochter gelegen hatte, an der Universität in Heidelberg Chemie zu studieren. Ihr eigentliches Interesse galt jedoch der Literatur. Heimlich belegte sie nebenher literaturwissenschaftliche Seminare und Vorlesungen. Nach dem zweiten Semester wechselte sie an die Münchener Universität. Nach ihrer Heirat am 29. April 1924 mit dem Heilbronner Textiltechniker und -fabrikanten Dr. Alfred Wolf (1898-1981) brach sie das Studium ab. Im Juli 1926 wurde die Tochter Ursula Julia geboren, zwei Jahre später, im Juni 1928, der Sohn Frank Jakob. Ende der zwanziger Jahre verfasst sie für die „Neckar-Zeitung“, das „Stuttgarter Neue Tagblatt“, die „Frankfurter Zeitung“ und die „Dame“ zunächst noch unter ihrem bürgerlichen Namen Trude Wolf Erzählungen, Essays und vor allem Reiseberichte. Im Frühjahr 1932 erschien ihr erster Roman „Eine Frau wie du und ich“ unter dem Pseudonym Victoria T. Wolf im Dresdner Carl-Reißner-Verlag. Im Mittelpunkt des Werks steht die Schriftstellerin George Sand. Bereits hier etabliert sich ein immer wiederkehrendes Thema ihres Schaffens: Immer wieder widmet sie sich der ‚modernen‘ Frau in ihrer Eigenständigkeit und ihrem Anspruch auf Selbstbestimmung sowie der Auseinandersetzung der emanzipierten Frau mit dem konservativen Mann. Der Verleger Neven Dumont wurde auf Wolff aufmerksam und schickte sie 1932 auf eine Reportagereise nach Russland. Sie berichtete von dort in einer zwölfteiligen Serie „Die Frau in Rußland“ über die Situation und Stellung der Frau. Weitere Publikationen folgten. Der Roman „Mädchen im Dreieck“ festigte 1932 Wolffs Ruf als vielversprechende Nachwuchsschriftstellerin. Doch Wolff erkannte, dass sie als jüdische Autorin keine Zukunft mehr in ihrer Heimat hatte. Am 1. April 1933 floh sie gemeinsam mit den beiden Kindern und einem Kindermädchen in die Schweiz. Im September 1933 wurde ihr aufgrund ihrer jüdischen Herkunft die Möglichkeit genommen, in Deutschland journalistisch oder schriftstellerisch tätig zu sein. Der Ehemann Alfred Wolf blieb zunächst in Deutschland zurück und kümmerte sich um die Textilfabrik, an den Wochenenden besuchte er seine Familie. Erst 1936 entschloss er sich ebenfalls zur Emigration. In Österreich bot ihm die Textilfirma Bunzl und Biach eine Stellung. Wolff publizierte trotz der Umstände immer weiter, teilweise unter Pseudonymen wie unter dem Namen ihres damaligen Kindermädchens Ellinor Colling. Sie unternahm Reisen nach Palästina und Ägypten, schrieb Reportagen und verarbeitete diese Eindrücke auch in Romanform. 1936 wurde ihr Roman „Gast in der Heimat“ zum ‚schädlichen und unerwünschten Schrifttum‘ erklärt, vier Jahre später folgte das Gesamtverbot ihrer Werke. In ihrem Exil im Tessiner Ascona gehörten verschiedene namhafte Schriftsteller zu Wolffs Bekanntenkreis, darunter unter anderem Bertolt Brecht, Leonhard Frank und Erich Maria Remarque. Als ihre Aufenthaltserlaubnis in der Schweiz endgültig auslief, floh Wolff mit den Kindern im Juni 1939 in die Nähe von Nizza. Ihr Mann wurde seit September 1939 zunächst bei Antibes, später im Lager Les Milles bei Marseille festgehalten. Im Juni 1940 wurde auch Victoria Wolff wegen Spionageverdachts im Gefängnis von Tournon inhaftiert. Mit dem Waffenstillstandsabkommen vom 25. Juni kam sie jedoch wieder frei. Durch die Hilfe ihrer in den USA lebenden Schwester Maja und ihres Onkels Selmar Loewentahl sowie durch die Unterstützung von Albert Einstein und Thomas und Erika Mann gelangte die Familie über Spanien und Portugal 1941 in die USA. Victoria Wolff brachte die Kinder zu ihrer Schwester nach Los Angeles, blieb selbst aber zunächst in New York, wo sie an der Columbia University Kurse in englischer Literatur besuchte. Ihr Mann fand Arbeit in einer Textilfabrik in Massachusetts. Im Herbst 1941 zog sie zu ihrer Schwester nach Beverly Hills. Mit dem in Frankreich entstandenen Roman „Das weiße Abendkleid“, der unter dem Titel „Tales of Manhattan“ mit Rita Hayworth und Charles Laughton in den Hauptrollen verfilmt wurde, gelang ihr der Einstieg als Drehbuchautorin. Das brachte ihr bis 1949 gute Verdienstmöglichkeiten. Auch hier knüpfte sie schnell Kontakte und beschrieb für Zsa Zsa Gabor deren Flucht von Ungarn nach Amerika in „Every Man for Herself“ (1943). 1945 ließ sie sich von ihrem Mann scheiden und heiratete in Los Angeles 1949 den Berliner Kardiologen und Prominentenarzt Erich Wolff – damit erklärt sich die unterschiedliche Schreibweise ihres Nachnamens. „Nach mir kannst Du niemand mehr heiraten, denn einen Wolf mit drei ‚f‘ gibt es nicht!“, soll Erich Wolff zur Namenswandlung bemerkt haben. Seit Anfang der 1940er Jahre führte er seine Praxis in der deutschen Exilkünstlerkolonie von Los Angeles. 1954 erschien nach über zehn Jahren mit „Keine Zeit für Tränen“ erstmals wieder ein längerer Roman, den sie unter dem Pseudonym Claudia Martell – dem Namen ihrer fiktiven Heldin aus „Gast in der Heimat“ (1935) – veröffentlichte. Sie arbeitete zudem weiterhin journalistisch, etwa bei der jüdischen Emigrantenzeitschrift „Aufbau“, die von einem anderen Heilbronner, Willi Schaber, herausgegeben wurde. Einer ihrer größten Erfolge, „Stadt ohne Unschuld“, entstand 1956. Darin setzte sie ihrer neuen Heimat Los Angeles ein literarisches Denkmal. 1949 besuchte Victoria Wolff auf Einladung des damaligen Oberbürgermeisters Meyle das zerstörte Heilbronn. Zum letzten Mal war sie 1985 im Rahmen einer Begegnungswoche jüdischer Mitbürger zu Gast in ihrer Heimatstadt. 1972 wurde sie für ihr umfangreiches schriftstellerisches Werk von der Hollywood Foreign Press Association ausgezeichnet. Im selben Jahr erhielt sie außerdem das „Certificate of MERIT of Distinguished Historical Biography“ (London).

Trotz der weltweiten Berühmtheit Viktoria Wolffs sind die frühen Romane der Autorin aus der Zeit der Weimarer Republik sowie die Romane, die Verfolgung und Exil zum Thema haben, in Vergessenheit geraten. In ihrer Heimatstadt Heilbronn vergibt das Robert-Meyer-Gymnasium, das Viktoria Wolff als Schülerin besuchte, seit 2002 den Viktoria-Wolff-Preis für überdurchschnittliche Leistungen in den Bereichen Kunst, Literatur, Musik und Theater.

Quellen:

  • FemBio - Frauen Biographieforschung. Online: http://www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/victoria-wolff (Stand: 18.09.2019).
  • Heimberg, Anke: „Victoria Wolff (1903–1992)“. In: Jürgs, Britta (Hg.): Leider hab ich´s Fliegen ganz verlernt. Portraits von Künstlerinnen und Schriftstellerinnen der Neuen Sachlichkeit. Berlin 2000, S. 215-240.