30 Tage Schreckenslager Dachau (1946)

Aus Frühe Texte der Holocaust- und Lagerliteratur 1933 bis 1949
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Angaben zum Werk

Titel 30 Tage Schreckenslager Dachau
Autor Steeger, Julius (1881-1954)
Genre Erinnerungsbericht

Ausgaben des Werks

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Ausgabe von 1946, Zürich
Titel 30 Tage Schreckenslager Dachau

Erscheinungsort Zürich
Erscheinungsjahr 1946

Verlegt von Sonntag & Steeger

Publiziert von Steeger, Julius (1881-1954)

Umfang 18 Seiten

Bibliotheksnachweise UBGI-icon.gif UB Gießen (Print-dnb-icon.gif gedruckte Ausgabe)
DNB-icon.gif Deutsche Nationalbibliothek (Print-dnb-icon.gif gedruckte Ausgabe)


Zusammenfassung

Steeger beginnt seinen kurzen Bericht mit dem Tag seiner Verhaftung am 22. August 1944 als ehemaliges Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) im Zuge der Massenverhaftungen nach dem Hitler-Attentat vom 20. Juli. In chronologischer Reihenfolge berichtet er von der Vernehmung und anschließenden Überstellung nach Dachau, wo er zunächst dem Quarantäneblock 17, später dem Block 15 zugeteilt wird und die Häftlingsnummer 93002 erhält: „Die Zahl der Unglücklichen, die bereits vor mir die ‚Nazikultur‘ in Dachau erleben mußten, näherte sich wiederum der 100000. 1939, mit Beginn des Krieges wurde zum 2. Male mit der Nr. 1 begonnen; so berichteten mir Häftlinge, die bereits 6-8 und mehr Jahre in Dachau schmachteten“ (S. 6).

Besonders hebt Steeger die miserablen hygienischen Bedingungen und das mangelhafte Essen hervor. Er ist bereits 63 Jahre alt und noch nicht vollständig von einer vor der Inhaftierung erlittenen Darmblutung genesen. Dennoch gehört er seiner Einschätzung nach „doch zu den Rüstigsten und Gesündesten“ (S. 8) unter den Häftlingen seines Blocks. Im Lager befinden sich zahlreiche ehemalige Parteimitglieder der SPD, so etwa der Bayerische Arbeitsminister Albert Roßhaupter, der ein früherer Landtagskollege Steegers ist, der frühere Bayerische Ministerpräsident Fritz Schäffer ebenso wie der Parteifreund Friedrich Puchta und der Oberbürgermeister von München, Dr. Karl Scharnagel. Die Tatsache, dass man diese verdienten Männer, die „im großen Krieg 1914-18 ihr Vaterland verteidigten“ (S. 11f.) und deren Söhne „draußen im Felde“ (S. 11) stehen, aus der menschlichen Gesellschaft ausgestoßen hat, „weil sie das einzige Verbrechen begangen hatten keine Nazis zu sein“ (alle Zitate S. 11), empört ihn. Sehnlichst wünscht er sich den baldigen Einmarsch der „Kriegsgegner“ (S. 14) und ein schnelles Ende des Kriegs herbei: „Wir alle liebten Deutschland, unser Volk, unsere Heimat und Familien und sahen doch keinen anderen Ausweg. Wir wußten, die Niederlage einer größenwahnsinnig gewordenen Klique von notorischen Verbrechern und Militaristen, war zwar auch die Niederlage unseres Vaterlandes; leider ließ sich jedoch das eine nicht vom anderen trennen“ (ebd.).

Mit dem Heranrücken der Alliierten füllt sich das Lager mit immer neuen Zugängen aus geräumten Konzentrationslagern. Die Neuankömmlinge leiden unter noch weit elenderen Bedingungen als Steeger. Schließlich wird er nach 30 Tagen, „die ich in dieser Hölle zubringen mußte“ (S. 16), mit der Verpflichtung über alles, was er im Lager gesehen und gehört hat, Stillschweigen zu bewahren, entlassen.

Steeger sieht sich aufgrund seiner Erlebnisse als „Fürsprecher aller Opfer der Nazityrannei“ (S. 17). Es gelte zu beweisen, dass trotz zwölfjähriger Naziherrschaft noch so viel demokratischer Geist und Wille im deutschen Volk vorhanden sei, „um sich langsam aber sicher wieder einen Platz in der Völkerfamilie und der Kulturwelt zu erobern“ (S. 18). Wenn es ihm gelänge, dazu einen bescheidenen Teil beizutragen, dann habe er in Dachau die Nummer 93002 nicht umsonst getragen, schließt er.

Dem Bericht ist ein Vorwort mit autobiografischen Angaben vorangestellt. Darin legt Steeger dar, er habe „Hitler und seine Seuche in Wort und Schrift bekämpft, bis mir das 1933 unmöglich wurde“ (o.S.). Danach habe er sich jeder politischen Tätigkeit enthalten, sei jedoch nach zwölf Jahren grundlos verhaftet und in das KZ Dachau eingeliefert worden.


Biografie

Julius Steeger (geb. 22.04.1881 in Bayreuth, gest. 05.05.1954) wurde als Kind armer Eltern geboren. Er erlernte das Buchdruckhandwerk und arbeitete nach seiner Lehrzeit in verschiedenen Städten. 1898 wurde er Mitglied des Deutschen Buchdruckerverbandes und 1903 der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD). Er wirkte unter anderem an der Sozialdemokratischen Zeitung „Fränkische Volkstribüne“ mit, die nach seinen Angaben im Fichtelgebirge und im Frankenwald als „das einzige demokratische Sprachorgan“ (Steeger o.J.,Vorwort, o.S.) galt.

1919 wurde er für den Wahlkreis Oberfranken in den Bayerischen Landtag gewählt, dem er die folgenden 13 Jahre angehörte. Im Jahr 1933 wurde der Zeitungsbetrieb von den Nationalsozialisten beschlagnahmt und Steeger arbeitslos. Mit einem „weiteren Opfer der Nazis“ (ebd.) übernahm er in Nürnberg die Druckerei „Sonntag & Steeger“. Am 22. August 1944 wurde er verhaftet und in das Konzentrationslager Dachau verbracht, nach 30 Tagen Haft wurde er entlassen.

Am 16. November 1945 gründete Steeger in seiner Heimatstadt Bayreuth das Verlagshaus Steeger, wo er ab dem 18. Dezember mit amerikanischer Lizenz eine neue Zeitung mit dem Titel „Fränkische Presse“ herausgab. Am 1. Februar 1946 wurde aus dem Verlag ein eigener technischer Betrieb durch aufgekaufte und aufgearbeitete Setz-, Druck- und Buchbindereimaschinen. Im September trat Walter Fischer als Gesellschafter in den Verlag Julius Steeger ein, beide waren schließlich zu gleichen Teilen Gesellschafter des Unternehmens und Geschäftsführer. Der neue Titel des Verlags lautete „Fränkische Presse Druckerei und Verlag Julius Steeger & Co. GmbH“.

Quellen:

  • o.A.: „Wer ist wer in Bayreuth“. Online: http://www.barnick.de/bt/wer/index.htm (Stand: 19.09.2019).
  • Steeger, Julius: „Vorwort“. In: ders.: 30 Tage Schreckenslager Dachau. Zürich o.J., o.S.




Bearbeitet von: Charlotte Kitzinger